Nürnberger: „Die Risikoselektion in der BU wird nicht strenger, sondern individueller“
Die Nürnberger Versicherung ist der älteste noch aktive BU-Versicherer in Deutschland. Im Interview erklärt Katja Briones-Schulz, Vorständin der Lebens- und Krankenversicherung, wie die Nürnberger neue Pionierleistungen plant, warum Prävention ein zentraler Bestandteil der Strategie ist und wie psychische Belastungen in die Vorsorgeprodukte integriert werden.
Versicherungsbote: Vor fast genau 140 Jahren gelang der Nürnberger eine Pionierleistung: Der erste Einkommensschutz - ein Vorläufer heutiger Berufsunfähigkeitsversicherungen - ging an den Start. Wie könnten Pionierleistungen in diesem Geschäftsbereich heute aussehen?
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Katja Briones-Schulz: Das war damals in der Tat schon eine Pionierleistung. Aber bei Versicherungen zählt nicht nur der Start, sondern die Beständigkeit. Rund die Hälfte aller Versicherer in Deutschland sind in den in den letzten 120 Jahren verschwunden ist. Uns gibt es immer noch. Und so sind wir mit 140 Jahren der älteste noch aktive BU-Versicherer in Deutschland. Unsere Größe und unsere Erfahrung haben es möglich gemacht, dass wir seit 32 Jahren keine Überschüsse im Bestand angepasst haben und die Zahlbeiträge für unsere Bestandskunden konstant geblieben sind. Wir denken jedoch nicht nur an unsere Bestandskunden, sondern auch zukünftige Kunden können im nächsten Jahr stabile Überschüsse und ein ausgezeichnetes Preis-Leistungsverhältnis erwarten.
Insbesondere die Marktdurchdringung von Berufsunfähigkeitsversicherungen wird oft bemängelt. Wie erklären Sie sich das?
Komplexität, Vielfalt der Angebote und finanzielle Belastungen wirken abschreckend. Zudem glauben viele 14- bis 45-Jährige fälschlicherweise, dass staatliche Leistungen ausreichen. Außerdem unterschätzt diese Zielgruppe, dass jeder vierte zumindest zeitweise BU wird. So wird der Wert einer BU erst zu spät erkannt, wenn man keinen Schutz mehr bekommen kann. Und das ist natürlich nicht gut für das Image des Produkts – und der Branche.
Welche Maßnahmen hat die Nürnberger eingeleitet, um dieses Problem anzugehen?
Die Herausforderungen erfordern vielfältige Lösungen. Beim Thema finanzielle Hürden bieten wir etwa die Einsteiger-BU mit vergünstigten Anfangsbeiträgen an. Für Endkunden setzen wir auf Aufklärung und Transparenz, etwa durch umfassende Ratgeberseiten. Um Komplexität zu reduzieren, stellen wir Maklern persönliche Ansprechpartner und Kunden qualifizierte Vermittler zur Seite. Zudem bieten wir frühzeitige Einkommensschutzlösungen ab Geburt an und haben für junge Leute bis 30 verkürzte Antragsfragen in der BU eingeführt. Vermittler unterstützen wir zusätzlich mit einer Vielzahl digitaler Lösungen.
Die Nürnberger will ‚Präventionsversicherer‘ werden. Was genau kann das in den Bereichen Arbeitskraft-Absicherung, Grundfähigkeiten und Schwere-Krankheiten bedeuten?
Vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung mit steigender Lebenserwartung und explodierenden Kosten im Gesundheitswesen wird das Thema Prävention immer wichtiger. Wir erweitern deshalb unsere Kernkompetenz im Bereich EKS um das Thema Prävention: Wir verstehen Risiken, tragen Risiken und helfen unseren Kunden, Risiken zu mindern. Für unsere Kunden bedeutet das, dass wir sie nicht nur im Krankheitsfall unterstützen, sondern präventiv aktiv werden – und das bereits seit 2021. Mit digitalen Services wie der Gesundheits-App Coach:N und dem Spezialisten-Service BetterDoc helfen wir unseren Kunden, gesund zu bleiben und im Ernstfall schnell wieder gesund zu werden.
Wird die Risikoselektion strenger?
Die Risikoselektion in der BU wird nicht strenger, sondern individueller. Krankheitsbilder nehmen an Komplexität zu und Veränderungen in der Berufswelt erfordern eine differenzierte Betrachtung. Ein Beispiel, das es früher so nicht gab, ist Burnout. In vielen Büroberufen spielt diese Diagnose aufgrund psychischer Belastungen eine immer größere Rolle. Als erfahrener und gut aufgestellter Versicherer bringen wir die nötige Expertise in der Antragsprüfung mit, um auch komplexe Fälle individuell zu bewerten. Und in solchen Fällen arbeiten wir lieber mit Ausschlüssen oder Risikozuschlägen statt pauschaler Ablehnung. Zudem nutzen wir die Point-of-Sale-Votierung in unserer Beratungstechnologie für Vermittler, um viele Krankheitsbilder sofort zu bewerten.
Welche Bedeutung haben Themen wie Mental Health und psychische Belastungen in Ihren Vorsorgeprodukten, insbesondere in der Berufsunfähigkeitsversicherung?
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Psychische Erkrankungen sind mittlerweile eine der häufigsten Ursachen für BU-Leistungsfälle – von 15% im Jahr 1999 auf rund 35% in 2023. Deshalb setzen wir bereits vor dem Leistungsfall an. Mit Lösungen wie der Kinderversorgung mit unserer EKS-Option ab Geburt und Einkommensschutzprodukten für Schüler bieten wir eine frühzeitige, lebenslange Absicherung, die Risiken schon im Vorfeld minimiert. Mit dem digitalen Spezialisten-Service BetterDoc bieten wir auch bei psychischen Erkrankungen frühzeitig Lösungen, zum Beispiel wenn es darum geht, einen passenden Therapeuten etwa für eine Anpassungsstörung/PTBS zu finden.
Unser ganzheitlicher Ansatz - auch in diesem Thema - zeigt sich in der Kombination aus präventiver Unterstützung, frühzeitiger Absicherung und umfassenden Leistungen.