Versicherungsbote: Frau von Oldershausen, der Wagniskapitalfonds Heal Capital wurde mit gut 100 Millionen Euro ausgestattet. Damit sollen digitale Gesundheitsinnovationen gefördert werden. Wie bewerten Sie den aktuellen Stand?

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Cecilia von Oldershausen: Wir sind gestartet mit dem Ziel, uns als führender HealthTech-Investor in Europa zu etablieren – und mit dem Wagniskapital Innovationen im Gesundheitswesen zu fördern. Nach nun vier Jahren blicken wir sehr zufrieden auf den aktuellen Stand des Fonds:

  • Wir haben in dieser Zeit über 6.000 Unternehmen gesehen und daraus aktuell 22 Investments getätigt; dies in verschiedenen Bereichen von Consumer Health bis Radiology AI. Während ein paar dieser Unternehmen sich noch in der Entwicklung befinden, sind andere bereits erfolgreich am Markt etabliert.
  • Schon jetzt können wir das starke Wachstum und den positiven Einfluss auf das Gesundheitswesen sehen, den diese Start-ups haben. Wir sind überzeugt, dass einige unserer Portfolio-Unternehmen das Potential mitbringen, die Gesundheitsversorgung in Europa in den kommenden Jahren nachhaltig zu verändern und zu verbessern.
  • Auf der Investorenseite ist ein gutes Zeichen, dass uns die PKVen, gemeinsam mit weiteren neuen Investoren, das Vertrauen für einen zweiten Fonds schenken, mit dem wir bald in die nächste Phase starten werden.

Nach welchen Kriterien entscheidet Heal Capital, in welche Start-ups investiert wird?

Wir schauen uns bei den Start-ups vor allem an, ob ihre Ideen das Potential haben, das Gesundheitssystem wirklich voranzubringen. Wichtig ist uns, dass das Geschäftsmodell skalierbar und das Team dahinter stark und motiviert ist. Natürlich prüfen wir auch, ob die Lösung gut ins bestehende Gesundheitssystem passt und ob es Synergien mit unseren Partnern gibt.

Cecilia von Oldershausen ist Senior Manager Finance & Operations bei Heal Capital.Cecilia von Oldershausen@Heal Capital

Unsere Investments bewegen sich meist im Frühstadium, zwischen Seed- und Series-A-Runden; mit einem Fokus auf Europa einschließlich des Vereinigten Königreichs. Initial investieren wir einen Betrag zwischen einer und fünf Millionen Euro.

Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach die Digitalisierung bei der Bewältigung der aktuellen Herausforderungen im Gesundheitswesen?

Die Digitalisierung ist für die Zukunft des Gesundheitswesens absolut entscheidend. Ohne sie wird es sehr schwierig bis unmöglich, die wachsenden Anforderungen an das System mit immer knapperen Ressourcen zu bewältigen. Digitale Lösungen können den Zugang zur Versorgung verbessern, die Behandlungsqualität steigern und dabei die Kosten senken. Wir glauben, dass alle Gesundheitssysteme in Europa in den kommenden zehn Jahren tiefgreifende Veränderungen durchlaufen werden. Der Bedarf an neuen digitalen Lösungen ist somit riesig – und mit ihm das Potential, welches sie entfalten können.

Wo sehen Sie die größten Fortschritte und welche Bereiche sind noch stark verbesserungsbedürftig?

Wir sehen große Fortschritte in Bereichen Gesundheitsplattformen, Telemedizin und KI-gestützter Diagnostik. Diese Technologien haben bereits begonnen, die Art und Weise zu verändern, wie wir mit Ärzten kommunizieren und unsere Gesundheit managen. Angetrieben wird dies durch die zunehmende Digitalisierung, technologische Fortschritte insbesondere bei KI-Lösungen, aber auch durch die Auswirkungen der Pandemie, die die virtuelle
Gesundheitsversorgung stark beschleunigt haben. Es gibt aber immer noch viel zu tun, zum Beispiel bei der Vernetzung von Daten. Viele Systeme sind noch nicht gut genug miteinander verbunden, was es schwierig macht, Informationen zielgerichtet auszutauschen. Auch bei der Integration von KI in den klinischen Alltag ist noch viel Luft nach oben.

Welche neuen Ansätze sehen Sie als besonders vielversprechend in den Bereichen Diagnostik, Therapie und Infrastruktur? Gibt es Technologien, die Ihrer Meinung nach das Potenzial haben, das Gesundheitswesen grundlegend zu verändern?

Wir sehen besonders in der Nutzung von KI und digitalen Plattformen sehr vielversprechende Ansätze. In der Diagnostik ermöglichen KI-gestützte Softwarelösungen wie Gleamer schnellere und präzisere Analysen, was personalisierte Medizin fördert. Therapieansätze profitieren von Plattformen, wie Avi Medical die eine individuelle Patientenbetreuung bieten und Ärzte durch datengestützte Entscheidungen entlasten. Bei der Infrastruktur erwarten wir, dass Cloud-basierte Software und moderne Datenlösungen wie z.B. Apheris AI die Effizienz von Gesundheitsanbietern steigern werden und Gesundheitsdienste verstärkt direkt zu den Patienten bringen. Unsere Investitionen basieren auf der Überzeugung, dass jedes unserer Portfoliounternehmen das Potential hat, große Veränderungen zu bewirken – oft durch den Aufbau von Plattformlösungen. Unsere Hauptstrategie ist es also, in Innovationen mit Plattformpotenzial zu investieren und dabei die besten Teams zu finden, die die Zukunft des Gesundheitswesens gestalten werden.

Wie unterstützt Heal Capital die Start-ups jenseits des reinen Kapitals, insbesondere im Hinblick auf Zugang zu medizinischer Expertise und Netzwerken?

Unsere Unterstützung geht weit über das reine Kapital hinaus. Wir bieten den Start-ups ein Ökosystem mit Zugang zu einem starken Netzwerk im Gesundheitswesen. Dabei arbeiten wir eng mit unseren Partnern – wie den Privaten Krankenversicherungen und anderen Experten aus der Gesundheitswirtschaft – zusammen. Unser mittlerweile zehnköpfiges Team bringt umfangreiche Erfahrung aus den Bereichen Medizin, Gesundheitswesen und Wissenschaft mit. Dadurch können wir unseren Gründern in verschiedenen Bereichen mit Expertise und Erfahrung zur Seite stehen.

Wie bewerten Sie die Marktreife der Technologien und Lösungen, in die Heal Capital investiert hat? Und wie unterstützen Sie Start-ups, um die Marktreife zu erreichen?

Da wir sowohl in sehr frühe als auch weiter entwickelte Phasen investieren – von Seed bis Series A – befinden sich unsere Portfoliounternehmen auf unterschiedlichen Entwicklungsstufen. Unternehmen wie Avi Medical, Infermedica oder Formel Skin erreichen schon heute tausende Patientinnen und Patienten, während andere, auch bedingt durch die Komplexität ihrer Produkte, noch Entwicklungszeit benötigen. Wir unterstützen unsere Start-ups nicht nur finanziell, sondern stehen ihnen in ihrer Entwicklung begleitend zur Seite und bieten Zugang zu einem umfangreichen Netzwerk in der Gesundheitswirtschaft. So helfen wir ihnen, schneller zu wachsen und ihre Lösungen erfolgreich am Markt zu etablieren. Das liegt auch gleich doppelt im Interesse unserer Investoren: finanziell, zugleich aber auch durch den reellen Beitrag zu einer besseren Versorgung ihrer Patienten.

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Hintergrund: Der Text ist zuerst in der Ausgabe 02/2024 des Fachmagazins Versicherungsbote erschienen – in der Sonderausgabe „Versicherungsbotin“. Das Magazin kann hier kostenfrei abonniert werden.