Heute geht es mit den Einsparpotentialen in Versicherungsunternehmen in Runde drei. Im letzten Beitrag haben wir uns angesehen in welchen Bereichen Kosteneinsparungen noch sinnvoll zu heben sind. Dabei haben wir uns die Möglichkeiten in der Kommunikation mit den Kunden angesehen. Hier ergeben sich im Angebotsprozess aber auch in den Betriebsvorfällen durch den Einsatz von Technik und Automation bis hin zur künstlichen Intelligenz weitere Ansätze, die Effizienz zu steigern, um damit Kosten einzusparen. Alles natürlich unter der klaren Prämisse, dass der Service nicht leidet, bzw. im besten Fall sogar die Kundenzufriedenheit gesteigert wird.

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Schadenbearbeitung verbessern

Heute wenden wir einmal unseren Blick auf den für ein Versicherungsunternehmen sehr materiellen Bereich der Schadenbearbeitung. Kein anderer Teil der versicherungstechnischen Wertschöpfungskette wird zusätzlich neben den betriebsinternen Abläufen so dermaßen in seiner Kosteneffizienz durch externe Faktoren beeinflusst wie Schaden. Hinzu kommt, dass die Unternehmen sich aktuell mit deutlich zunehmender Schadeninflation konfrontiert sehen. In manchen Bereichen sind die Regulierungskosten innerhalb von wenigen Monaten im zweistelligen Prozentbereich gestiegen und nicht alles lässt sich sofort über die Prämie wieder an die Kunden weitergeben. Ein Hausratschaden aus den frühen 2020er Jahren kann heute in der Schadenregulierung gut und gerne das anderthalbfache oder mehr für die gleiche Leistung kosten. Und es ist nicht bei den reinen Sachkosten geblieben: Die Kosten bei Personal und Dienstleistern sind ebenso gestiegen, hängen sie ja doch alle von den gleichen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen ab.

Stephen Voss, CEO der Neodigital Versicherung AGDie Statistik gibt die Richtung vor

Und auch wenn der ganz große überwiegende Teil der Versicherungskunden ehrlich ist, ein kleiner Teil ist es nicht und die KI hat hier ihren Beitrag ebenso geleistet, indem sie betrügerisch eingesetzt wurde. Die wenigen Betrugsvorfälle werden so leider immer professioneller.

Schaden ist also schwierig, zu viele exotherme Faktoren, wenden wir uns also einem anderen Bereich zu? Naja. Das wäre fahrlässig, den gerade auch wenn sich Schadenstatistik nicht einfach beeinflussen lässt, gibt es enormes Potential. Klar ist: eine bestimmte n-Anzahl von Versicherungsnehmern/innen hat statistisch x-Anzahl an Schäden. Da lässt sich wenig bis rein gar nichts dran drehen, mal davon ausgehend, dass man insgesamt das Risiko als Sparte behalten will. Das Potential liegt daher nicht in der Anzahl der Schäden, die auftreten – denn wie gesagt, das ist Statistik – das Potential liegt darin, wie und vor allem wie schnell ein Schaden in die Regulierung kommt.

Die kürzere FNOL gewinnt

Daher jetzt ein kleiner Exkurs in die Versicherungsbetriebslehre bzw. als Auffrischung für alle Interessierten. In der VBL lernt man in Bezug auf das Schadenereignis einen wichtigen Begriff, bzw. eine der wichtigsten Einflussgrößen kennen:_ Die sogenannte FNOL also die First Notification of Loss. Die FNOL beschreibt den Zeitpunkt, zu dem ein Schadenereignis durch den Kunden an den Versicherer gemeldet wird, bzw. den Zeitraum, der zwischen dem eigentlichen Schadenereignis und der dazugehörigen Meldung vergeht. Diese Kenngröße hat ganz erheblichen Einfluss auf die Schadenhöhe. Und das ist auch vollkommen logisch: Je früher der Versicherer von einem Schaden weiß, um so schneller kann er schadenmindernde Folgeprozesse auslösen. Um das einmal ganz plakativ darzustellen: Ein Sturmschaden am Dach eines Einfamilienhauses, dessen schnelle Meldung durch den Kunden nicht sofort erfolgt, weil dies zu komplex ist, vielleicht weil der Prozess nicht einfach ist, entwickelt sich mit jeder Stunde, die vergeht in weitere teurere Folgeschäden, wie zum Beispiel Feuchtigkeit und Schimmelbildung. Der Versicherer, der hier direkt schadenmindernde Prozesse anstoßen kann – wie z.B. eine Provisorische Abdichtung des Daches – spart erheblich in den Folgeaufwendungen.

Schneller sein und Kosten sparen

Hier kommt der Technik eine entscheidende Rolle zu. Nichts gegen die beratenden Makler oder Versicherungsvertreter, sie spielen auch eine Rolle, aber für den Schadenfall ist es am besten, der Kunde kann den Schaden mit Beschreibung oder Bildern direkt und ohne Umwege über beispielsweise eine App dem Versicherer mitteilen. Dann kann dieser den Vorgang in Echtzeit verarbeiten und hat direkt vordefinierte Routinen, die dann ganz ohne weiteres, manuelles Zutun angestoßen werden. In unserem Fall wäre das der Auftrag an einen Schadenregulierer bzw. Gutachter, direkt mit den Kunden in Kontakt zu treten. Sie merken schon, das ganze über Bande, also Dritte, zu spielen kostet hier wirklich wertvolle Zeit. Wichtig ist jedoch, alle Beteiligten, also auch die betreuenden Funktionen ebenfalls in diesem Loop der Informationen zu halten. Um jenen Lesern, denen das hier jetzt alles zu sachversicherungslastig ist, sei gesagt, dass gerade auch bei der Kranken- oder Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) eine möglichst frühe Information von den Kunden erheblich dazu beitragen kann bspw. die Heilkosten zu senken. Denn beide Parteien, Kunde und Versicherer, kommen so viel früher in einen gemeinsamen Austausch darüber welches der ideal Genesungsplan ist, der richtige Arzt oder das Spezial-Krankenhaus. Das spart zwar auch Geld, und ja darum geht es hier in diesem Artikel, es zahlt aber auch auf die Verbesserung der Kundenbeziehung ein. Denn es entsteht ein echter Mehrwert für die Kunden, die eine deutlich frühere und damit bessere Betreuung erhalten können. Man erhält also nicht nur eine Kosteneinsparung, sondern auch noch positive Kundenresonanz on top.

Echtzeit ist das Zauberwort

Gemeinhin kann man sagen, je früher ein Schaden gemeldet werden kann, desto besser ist die Kostenbilanz für alle Beteiligten. Und das ist vollkommen unabhängig ob Sach- Kranken- oder Industrieversicherung. Die Haus- und Hauptaufgabe für die Versicherungsunternehmen ist dabei sicherzustellen, dass der Meldung auch ein schneller – idealerweise komplett dunkelverarbeiteter – Prozess folgt, denn hier macht Melden nicht frei, sondern nur das unmittelbare strukturierte Handeln. Wie bei vielen der in dieser Serie angesprochenen Prozessen ist Echtzeitverarbeitung das Zauberwort und diese hört bei der eigenen Versicherungstechnik im eigenen Haus nicht auf.

Gerade heute in der immer weiter zunehmenden Spezialisierung ist ein Versicherungsunternehmen auf weitere externe Dienstleister angewiesen. Hier muss also ebenfalls gewährleistet werden, dass der fixe Prozess intern ebenso fix und professionell beim Partner weiterbearbeitet wird. Ein Medienbruch, der Übergang von digitalen Meldungen auf manuelle Bearbeitungen innerhalb der Bürozeiten des Dienstleisters ist unter allen Umständen zu vermeiden. Das sollte sich von selbst verstehen.

Netter Nebeneffekt einer nahtlos schnellen Bearbeitung mit digitalem Handshake von Versicherer zu Dienstleister ist auch, dass weniger Raum für fantasievoll ausgeschmückte Schadenereignisse bleibt. Es gibt wie oben erwähnt sehr wenige Kunden, aber es gibt sie, die mit zunehmender Zeit, die zwischen Schadenzeitpunkt und Handeln des Versicherers liegt, eine enorme Kreativität entwickeln, was noch so alles in Mitleidenschaft gezogen wurde. Für die Schadenkosten gilt: Schadenereignis, Schadenbearbeitung, Schadenregulierung, je schneller das geht um so besser für Alle. Die Technik ist da, das geht auch Stück für Stück, Prozess für Prozess, man muss sie nur einsetzen.

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