Acht Prozent aller gebuchten Bruttoprämien, die in der Schaden-Unfall-Sparte vereinnahmt werden, stammen aus der Unfallversicherung – damit ist sie die zweitkleinste Teilsparte des Kompositbereichs. Dennoch ist das Geschäft lohnenswert. Mit einer Schaden-Kosten-Quote bzw. Combined Ratio (CR) von 78,30 Prozent im Jahr 2023 hat die Unfallversicherung die Hausratversicherung als rentabelste Sparte überholt. Durchschnittlich verbuchte jeder Versicherer 126,46 Mio. Euro an Bruttoprämien im Jahr 2023. Allerdings zeigt sich hier bereits ein Problem: Zwar verbesserte sich das Ergebnis gegenüber 2022 um 0,65 Mio. Euro, doch in 2021 lag der Durchschnitt noch bei 128,99 Mio. Euro. Die Unfallversicherung hat ein Nachfrageproblem.

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Vertragsbestand sinkt bei 30 Anbietern

Dies belegt auch der seit Jahren stagnierende Vertragsbestand: Zwar stieg die durchschnittliche Vertragszahl je Versicherer 2023 leicht von 584.018 auf 588.077. Doch nur 20 von 50 Unternehmen trugen zu diesem Wachstum bei – bei 30 Unternehmen sank der Vertragsbestand. Der Markt erscheint gesättigt, und es fällt den Anbietern schwer, neue Kundengruppen zu gewinnen. Hinzu kommt die starke Marktdominanz der Allianz: Sie hielt 2023 mit 4.303.992 Verträgen einen mehr als doppelt so großen Vertragsbestand wie die zweitplatzierte Debeka Allgemeine (2.004.656 Verträge). Den dritten Rang belegt die Generali Deutschland mit 1.781.607 Verträgen.

Bei den Durchschnittsprämien je Vertrag zeigt sich eine leichte, aber konstante Steigerung. Zwischen 2022 und 2023 erhöhten sie sich um 1,97 Prozent von 214,73 Euro auf 218,96 Euro. Im Jahr 2018 lagen die Prämien noch bei 196,69 Euro – innerhalb von sechs Jahren stiegen die Preise somit um 11,32 Prozent. Gleichzeitig bleiben die Schadenquoten niedrig: 2023 lag der Durchschnitt bei 43,50 Prozent – dem besten Wert im Zeitraum 2018 bis 2023. Zum Vergleich: 2018 betrug die durchschnittliche Schadenquote noch 47,81 Prozent, in 2022 waren es 44,62 Prozent.

Unfallversicherung ist der profitabelste Komposit-Bereich

Trotz des vergleichsweise kleinen Marktsegments und der stagnierenden Nachfrage zählt die Unfallversicherung zu den profitabelsten Sparten im Kompositbereich. Mehr noch: Sie hat den bisherigen Spitzenreiter abgelöst und ist nun die profitabelste Teilsparte. Die durchschnittliche Schaden-Kosten-Quote von 78,30 Prozent im Jahr 2023 – der besten Wert seit 2018 – bestätigt dies eindrucksvoll. Dagegen liegt die Hausratversicherung als einstiger Spitzenreiter – belastet durch Extremwetterereignisse und steigende Einbruchskosten – bei einem Branchenschnitt von 80,06 Prozent (Versicherungsbote berichtete).

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Die CR-Durchschnittswerte in der Unfallversicherung verschleiern jedoch die teils erheblichen Unterschiede innerhalb der Branche. Herausragende Schaden-Kosten-Quoten wie bei der Cosmos (33,90 Prozent) und der WGV-Versicherung (34,59 Prozent) sind eine absolute Ausnahme – sowohl in der Unfallversicherung als auch im gesamten Komposit-Bereich. Gleichzeitig mussten 2023 vier Unfallversicherer eine Schaden-Kosten-Quote von über 100 Prozent ausweisen, da die Prämieneinnahmen nicht ausreichten, um Schadenaufwendungen und Betriebskosten zu decken. Betroffen sind die VGH Landschaftliche Brandkasse (100,27 Prozent), die Axa (105,36 Prozent), der Bayerische Versicherungsverband (114,27 Prozent) und die Allianz (136,35 Prozent).

Versicherungstechnisches Ergebnis zeigt keine Verluste

Ein bemerkenswerter Widerspruch zeigt sich beim versicherungstechnischen Ergebnis (vor Veränderung der Schwankungsrückstellung): In der Unfallversicherung besteht – anders als in anderen Kompositsparten – keine direkte Korrelation zwischen diesem Ergebnis und den Schaden-Kosten-Quoten. So erzielte die Allianz trotz einer außergewöhnlich hohen Schaden-Kosten-Quote von 136,35 Prozent das beste versicherungstechnische Ergebnis der Branche mit einem Gewinn von 231,89 Mio. Euro. Auch die Axa erwirtschaftete ein positives Ergebnis in Höhe von 32,88 Mio. Euro. Ebenso blieben die VGH Landschaftliche Brandkasse und der Bayerische Versicherungsverband mit 3,24 Mio. Euro bzw. 0,26 Mio. Euro in der Gewinnzone.

Interessanterweise ist der Bayerische Versicherungsverband der einzige Unfallversicherer, der seit 2021 gelegentlich Verluste beim versicherungstechnischen Ergebnis auswies – etwa im Jahr 2022 mit einem Minus von 5,50 Mio. Euro. Im Jahr 2023 jedoch verzeichneten alle Anbieter Gewinne. Der Branchendurchschnitt belief sich auf 26,17 Mio. Euro.

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Der scheinbare Widerspruch zwischen Schaden-Kosten-Quote und versicherungstechnischem Ergebnis lässt sich nicht ohne Weiteres auflösen. Eine Erklärung über Rückversicherungen greift zu kurz: Auch in diesem Bereich zeigen die betroffenen Versicherer regelmäßig Rückversicherungsverluste. Im Jahr 2023 beliefen sich diese auf -82,64 Mio. Euro bei der Allianz, -3,84 Mio. Euro bei der Axa und -0,87 Mio. Euro beim Bayerischen Versicherungsverband – trotz Rückversicherungsquoten von 16 % bis 29 %. Rückflüsse aus Rückversicherungen tragen daher weder wesentlich zur Entlastung der Schaden-Kosten-Quote noch des versicherungstechnischen Ergebnisses bei.

Stattdessen könnten Rückstellungen eine zentrale Rolle spielen: Bereits in Vorjahren gebildete Rücklagen können aktuelle Schadenaufwendungen kompensieren und so das Ergebnis stabilisieren, während die Schaden-Kosten-Quote weiterhin die Bruttobelastung abbildet. Diese bilanzielle Besonderheit ist besonders in der Unfallversicherung relevant, da langfristige Verpflichtungen – wie Unfallrenten – häufig erst über mehrere Jahre hinweg realisiert werden. Für diese These spricht, dass die Allianz sehr hohe versicherungstechnische Bruttorückstellungen im Zweig Unfallversicherung hat: 9,15 Milliarden Euro. Auch die Axa fällt hier mit Rückstellungen von 1,23 Milliarden Euro auf. Der Bayersiche VersVerband hat Rückstellungen von 898,38 Mio. Euro: immerhin noch die siebthöchste Summe der Branche. Und die VGH Landschaftliche Brandkasse verfügt über Rückstellungen von immerhin noch 193,60 Mio. Euro.

Eine endgültige Klärung dieser Zusammenhänge ist an dieser Stelle nicht möglich, dennoch bleibt festzuhalten: Würde man die hohen Schaden-Kosten-Quoten isoliert als „rote Zahlen“ interpretieren, stünde dies im deutlichen Widerspruch zu den positiven versicherungstechnischen Ergebnissen. Dieser Widerspruch unterstreicht die Komplexität der bilanziellen Mechanismen in der Unfallversicherung.

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Hintergrund: Alle genannten Zahlen stammen aus dem aktuellen Branchenmonitor Unfallversicherung 2024 der V.E.R.S. Leipzig GmbH. Dieses Analyseinstrument bietet umfassenden Zugang zu einer Vielzahl von Kennzahlen für die Jahre 2018 bis 2023 und deckt mit seiner Analyse 94 Prozent des Marktes ab. Der Branchenmonitor kann gemeinsam mit weiteren Branchenanalysen kostenpflichtig über die Webseite der Leipziger Experten bestellt werden.

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