Versicherer bestehen EIOPA-Stresstest
Erneut mussten sich die großen deutschen Versicherer einem Stresstest der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA stellen. Darin sollen sie ihre Krisenfestigkeit in verschiedenen Szenarien beweisen - diesmal simuliert der Test eine Verschärfung der geopolitischen Lage mit einem einhergehenden Zins- und Inflationsanstieg.
“Too big to fail“ - Manche Finanzunternehmen sind so groß und vernetzt, dass ihre mögliche Insolvenz ein systemisches Risiko darstellen kann. Dies gilt nach Ansicht der europäischen Finanzaufsichtsbehörden nicht nur für Banken, die in der Finanzkrise 2008 beinahe die Weltwirtschaft in den Abgrund gerissen hätten. Auch Versicherer können so groß sein, dass ihre Schieflage einen Dominoeffekt auslöst und Märkte destabilisiert: so zumindest aus Sicht der EU-Gremien.
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Deshalb führt die Europäische Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) regelmäßig Stresstests durch, um zu prüfen, wie robust die Großen der Branche dastehen. Ziel des Stresstests ist es, zu beurteilen, wie widerstandsfähig der Versicherungssektor gegen mögliche negative Entwicklungen ist. Die Schwerpunkte der Tests ändern sich auch abhängig von aktuellen Bedrohungen. So wurden schon Szenarien durchgespielt, in denen es um Klimarisiken, Pandemien ähnlich der Coronakrise oder um Massenkündigungen ging.
Die fiktiven Rahmenbedingungen des aktuellen Stresstests spiegeln die aktuelle Weltlage wider. So schrieb die EIOPA auf der Webseite: "Der Stresstest 2024 konzentriert sich auf die wirtschaftlichen Folgen einer erneuten Verschärfung oder Verlängerung der geopolitischen Spannungen. Er bewertet die Auswirkungen eines solchen Szenarios auf die Kapital- und Liquiditätslage der europäischen Versicherer".
Das Stresstest-Szenario sei in Zusammenarbeit mit dem Europäischen Ausschuss für Systemrisiken (ESRB) entwickelt wurden, berichtet die Behörde. Es sehe ein weit verbreitetes Wiederauftreten von Unterbrechungen der Lieferketten vor, die zu geringerem Wachstum und höherer Inflation führen. Zweitrundeneffekte, die sich aus einer Lohn-Preis-Spirale ergeben, würden den Inflationsdruck weiter verschärfen und letztlich zu einer Neubewertung der Markterwartungen in Bezug auf die Zinssätze für alle Laufzeiten und Währungen führen (Versicherungsbote berichtete).
Europäische Versicherer bestehen Stresstest - Kapital und Liquidität unter Druck
Wie die deutsche Behörde Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) Mittwoch auf ihrer Webseite berichtet, liegen nun die Ergebnisse des aktuellen Stresstest 2024 vor. Europaweit nahmen vier Einzelunternehmen sowie 44 große europäische Versicherungsgruppen teil. Aus Deutschland waren diese sieben Branchengrößen dabei: die Allianz, Münchener Rück, HDI, R+V, Debeka, Versicherungskammer Bayern und Viridium. Das Ergebnis: Europäische Versicherer sind grundsätzlich gut aufgestellt, um schwere wirtschaftliche und finanzielle Schocks zu bewältigen, mussten dabei jedoch erhebliche Kapitalverluste hinnehmen.
Die Versicherer starteten mit einer durchschnittlichen Solvenzquote von 221,8 % in den Test. Nach Anwendung der simulierten Schocks fiel diese Quote ohne Eingreifen der Unternehmen um knapp 100 Prozentpunkte auf 123,3 %, was einem Kapitalverlust von über 270 Milliarden Euro entspricht. Wurden jedoch reaktive Maßnahmen wie der Verkauf von Vermögenswerten, die Zurückhaltung von Dividenden oder Kapitalerhöhungen zugelassen, konnten die Unternehmen ihre Solvenzquote auf 139,9 % steigern.
Acht Versicherer fielen im Test unter die Mindestkapitalanforderung, hatten jedoch weiterhin genügend Kapital, um ihre Verpflichtungen gegenüber Versicherungsnehmern zu erfüllen. Mithilfe reaktiver Maßnahmen gelang es ihnen, ihre Solvenzquote wieder über die regulatorische Schwelle von 100 % zu heben.
Positiv hervorzuheben ist, dass alle teilnehmenden Unternehmen in allen Szenarien ein Verhältnis von Vermögenswerten zu Verbindlichkeiten von über 100 % aufrechterhalten konnten, auch ohne Berücksichtigung von Übergangsmaßnahmen.
Auf der Liquiditätsseite führte das Stresstest-Szenario zu erheblichen Abflüssen, die unter anderem durch Rückkäufe von Policen und inflationsbedingte Schadenaufwendungen verursacht wurden. Gleichzeitig gingen die Einnahmen durch Prämien und Rückversicherungszahlungen zurück. Dies führte zu einem Netto-Abfluss von 314 Milliarden Euro, den die Versicherer nicht allein mit ihren Barmitteln decken konnten. Um ihre Liquidität wiederherzustellen, mussten die Versicherer liquide Vermögenswerte im Umfang von 305,6 Milliarden Euro verkaufen.
Die vollständigen Ergebnisse veröffentlichte die EIOPA in englischer Sprache auf ihrer Webseite.
Reaktionen auf den Stresstest 2024
Petra Hielkema, Vorsitzende der EIOPA, ordnete die Ergebnisse des aktuellen Stresstest folgendermaßen ein: „Europäische Versicherer sind grundsätzlich gut gerüstet, aber die Ergebnisse verdeutlichen, dass erhebliche Kapital- und Liquiditätsreserven erforderlich sind, um solche Schocks zu bewältigen.“ Gleichzeitig kritisierte sie die mangelnde Bereitschaft vieler Unternehmen, ihre individuellen Ergebnisse offenzulegen, was die Transparenz des Tests einschränke.
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Auch die BaFin sowie der Gesamtverband der Deutsch Versicherungswirtschaft (GDV) zeigten sich mit dem Ausgang des Stresstest zufrieden: „Die Ergebnisse des Stresstests zeigen, dass die Versicherungsbranche ihre Verpflichtungen auch unter Stress erfüllen kann“, sagt Julia Wiens, BaFin-Exekutivdirektorin für Versicherungs- und Pensionsfondsaufsicht. Gleichzeitig verdeutlichten die Ergebnisse, dass einzelne Teilnehmer deutlich stärker von dem betrachteten Szenario betroffen wären als andere. Und laut Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des GDV, unterstreichen die Ergebnisse, „dass Versicherer auch in Extremsituationen ein verlässlicher Partner für ihre Kundinnen und Kunden bleiben“.