Erhöhung des Pflegebeitrags: Versicherte müssen mehr zahlen
Der Bundesrat hat heute einer Verordnung der Bundesregierung zugestimmt, die eine Anhebung des Beitragssatzes in der sozialen Pflegeversicherung ab dem 1. Januar 2025 vorsieht. Der Satz steigt um 0,2 Prozentpunkte auf nunmehr 3,6 Prozent. Diese Entscheidung wurde vor dem Hintergrund erheblicher finanzieller Herausforderungen getroffen, die das Pflegesystem in Deutschland zunehmend belasten.
Die Zustimmung des Bundesrats zur sogenannten Pflege-Beitragssatz-Anpassungsverordnung 2025 (PBAV 2025) war notwendig, um die finanzielle Stabilität der sozialen Pflegeversicherung zu sichern. Die Bundesregierung begründete die Maßnahme mit der anhaltenden finanziellen Schieflage des Systems. Ohne die Erhöhung hätte der Mittelbestand der Pflegeversicherung bereits im ersten Quartal 2025 die kritische Grenze von einer Monatsausgabe unterschritten. Ein Systemversagen wäre die Folge gewesen.
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Bereits am 5. Dezember 2024 hatte der Bundestag die Verordnung zur Kenntnis genommen und verabschiedet. Damit wurde die rechtliche Grundlage geschaffen, um ab 2025 Mehreinnahmen von rund 3,7 Milliarden Euro zu generieren. Eine der Hauptursachen für die angespannte finanzielle Lage ist der demografische Wandel: Mit zunehmendem Alter der Bevölkerung steigt die Zahl der Pflegebedürftigen. Laut Angaben der Bundesregierung erhöhte sich die Zahl der Pflegebedürftigen allein in den Jahren 2022 und 2023 um 270.000 bzw. 360.000 Personen – ein Anstieg, der deutlich über den prognostizierten demografischen Entwicklungen liegt.
Finanzielle Schieflage und wiederkehrende Beitragsanpassungen
Die finanzielle Schieflage der Pflegeversicherung ist nicht neu. Bereits im Juli 2023 wurde der Beitragssatz angehoben, um kurzfristig Stabilität zu schaffen. Kinderlose zahlen seitdem 4,0 Prozent, Eltern mit einem Kind 3,4 Prozent, während Eltern mit mehreren Kindern entlastet wurden. Versicherte mit drei Kindern zahlen beispielsweise 2,9 Prozent.
Ab dem 1. Januar 2025 tritt nun der neue bundeseinheitliche Beitragssatz von 3,6 Prozent in Kraft. Dabei wird weiterhin nach Kinderzahl differenziert, wie es seit Juli 2023 gesetzlich geregelt ist. Die Beitragssätze ab 2025 gestalten sich wie folgt:
- Kinderlose: 4,2 % (Basissatz von 3,6 % + 0,6 %-Zuschlag für Kinderlose).
- Eltern mit einem Kind: 3,6 % (Basissatz, keine Zu- oder Abschläge).
- Eltern mit zwei Kindern: 3,35 % (Basissatz - 0,25 % je Kind unter 25 Jahren).
- Eltern mit drei Kindern: 3,1 % (Basissatz - 0,5 %).
- Eltern mit vier Kindern: 2,85 % (Basissatz - 0,75 %).
- Eltern mit fünf oder mehr Kindern: 2,6 % (Basissatz - 1 %).
Diese Differenzierung folgt dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das eine stärkere Berücksichtigung der Kinderzahl bei der Beitragsberechnung verlangt. Die Reduktionen gelten jedoch nur, solange die Kinder unter 25 Jahre alt sind.
Trotz dieser Maßnahmen zeigt sich, dass die Einnahmen der Pflegeversicherung langfristig nicht ausreichen werden. Hochrechnungen des Wissenschaftlichen Instituts der privaten Krankenversicherungen (WIP) prognostizieren, dass der Beitragssatz bis 2040 auf über 7 Prozent steigen könnte, wenn keine strukturellen Reformen erfolgen. Als Hauptursachen nennt die Studie neben dem demografischen Wandel auch die Ausweitung der Leistungsansprüche. Besonders die Pflegestärkungsgesetze I und II führten zu einem deutlichen Anstieg der Kosten: Im Jahr 2017 erhöhten sich die Ausgaben um 22,9 Prozent. Diese Entwicklungen belasten die Pflegeversicherung kontinuierlich und erhöhen die Notwendigkeit weiterer Beitragserhöhungen.
Belastung durch pandemiebedingte Sonderausgaben
Zusätzlich zu den strukturellen Herausforderungen verursachte die COVID-19-Pandemie erhebliche finanzielle Belastungen. Um die Pflegeinfrastruktur zu sichern, wurden zahlreiche Sondermaßnahmen eingeführt, darunter regelmäßige Testungen in Pflegeeinrichtungen, die Bereitstellung persönlicher Schutzausrüstung und Bonuszahlungen für Pflegepersonal. Allein für pandemiebedingte Maßnahmen flossen laut dem Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) rund 5,3 Milliarden Euro aus den Mitteln der Pflegeversicherung. Gleichzeitig entstanden durch Quarantänemaßnahmen und Einnahmeausfälle weitere Kosten, die aus den Rücklagen der Pflegeversicherung gedeckt werden mussten.
Diese Rücklagen, ursprünglich für reguläre Pflegeleistungen vorgesehen, wurden dadurch fast vollständig aufgebraucht. Obwohl die Bundesregierung Steuerzuschüsse bereitstellte, reichten diese nicht aus, um die finanzielle Stabilität der Pflegeversicherung nachhaltig zu sichern. Kritiker, wie die Deutsche Stiftung Patientenschutz, bemängeln, dass der Bund diese außerordentlichen Ausgaben nicht vollständig kompensiert hat. Stattdessen wurden reguläre Mittel der Pflegeversicherung zweckentfremdet, wodurch das System weiter geschwächt wurde.
Dringlichkeit nachhaltiger Reformen
Experten und Verbände sehen in der aktuellen Lage einen dringenden Handlungsbedarf. Neben kurzfristigen Steuerzuschüssen zur Stabilisierung fordern sie eine grundlegende Neuausrichtung der Pflegefinanzierung. Ein zentraler Vorschlag ist die Einführung einer kapitalgedeckten Pflegezusatzversicherung, die durch steuerliche Anreize gefördert werden könnte. Diese würde die Umlagefinanzierung entlasten und langfristige Planungssicherheit schaffen.
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Ohne solche Reformen droht eine weitere Verschärfung der finanziellen Schieflage. Insbesondere die alternde Bevölkerung und die steigenden Pflegekosten könnten die Pflegeversicherung dauerhaft überfordern. Nur durch strukturelle Veränderungen kann das System sowohl künftigen Krisen als auch den langfristigen Herausforderungen standhalten.