Rekordanstieg bei Beiträgen für Krankenversicherung und Rentenversicherung droht
Bis 2035 könnten die Sozialbeiträge nochmal deutlich steigen. Demnach könnten die Beiträge zur Gesetzlichen Krankenversicherung, zur Sozialen Pflegeversicherung, zur Arbeitslosenversicherung und zur Gesetzlichen Rentenversicherung in Summe auf fast 50 Prozent klettern. Um den drastischen Beitragssprung einzudämmen, fordert DAK-Chef Andreas Storm ein Sofortprogramm. Die neue Bundesregierung müsse nach der Wahl für stabile Beiträge sorgen.
Die Sozialversicherungsbeiträge in Deutschland steigen unaufhörlich. Eigentlich war vielen deutschen Politikern die 40 Prozent-Grenze heilig. Das Ziel dabei war es stets den Gesamtbeitrag der Sozialversicherung unter dieser Grenze zu halten und so die Abgabenlast der Arbeitnehmer in einem vernünftigen Niveau zu halten. Doch aus dem einstigen Versprechen ist längst eine lose Zahl geworden, an die man sich nicht mehr gebunden fühlt. Während der Gesamtsozialversicherungsbeitrag im Jahr 2021 noch bei 39,95 Prozent lag, ist dieser inzwischen auf 42,5 Prozent angestiegen. Für Arbeitnehmer und Arbeitgeber ist diese Entwicklung bitter. Während die Einen immer weniger Geld in der Lohntüte haben, wächst bei den Anderen der Kostenanteil. Überdies wird das Land durch die hohe Abgabenlast immer unattraktiver für ausländische Fachkräfte.
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Massive Kostenlawine bei Sozialabgaben befürchtet
Bis zum Jahr 2035 könnte der Gesamtbeitrag der Sozialversicherung um weitere 7,2 Beitragspunkte auf 49,7 Prozent ansteigen. Das zeigt eine neue Projektion des Berliner IGES Instituts im Auftrag der DAK-Gesundheit. Die Wissenschaftler haben in dieser Form erstmals eine Gesamtprognose für alle Zweige der Sozialversicherung (Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung) mit der zu erwartenden Beitragsentwicklung bis 2035 berechnet. Grundlage sind aktuell verfügbare Daten der zuständigen Bundesministerien und der beteiligten Sozialversicherungsträger.
Bei den genannten 49,7 Prozent handelt es sich derweil nur um das Basis-Szenario. In der Untersuchung haben die Studienmacher zwei unterschiedliche Voraussetzungen angenommen. So wurde klar unterschieden, ob das Rentenpaket II noch angenommen wird oder nicht. Resultierend daraus gibt es jeweils ein günstigeres und ein schlechtes Szenario für die Beitragsentwicklung bis zum Jahr 2035. Ohne Rentenpaket II würde der Gesamtbeitrag im Optimalfall bei 45,8 Prozent liegen. Im schlechtesten Fall stünden 53,0 Prozent zu Buche. Mit Rentenpaket II läge der Gesamtbeitrag im Jahr 2035 im günstigen Szenario bei 46,7 Prozent liegen. Im schlechtesten Fall würde der Gesamtbeitrag 53,9 Prozent betragen.
Allein in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) mit 73 Millionen Versicherten droht im Basis-Szenario in den nächsten zehn Jahren ein Beitragssprung von 17,5 auf 20,0 Prozent. Laut IGES-Berechnungen wird der Beitragssatz in der Sozialen Pflegeversicherung 2026 auf 4,0 Prozent steigen. Bis zum Jahr 2035 wird hier ein Anstieg auf 4,5 Prozent erwartet. In der Arbeitslosenversicherung (ALV) werde der Beitragssatz von 2,6 Prozent auf 3,1 Prozent steigen. Sollte das Rentenpaketes II tatsächlich noch durchkommen, würde der Beitrag für die gesetzliche Rentenversicherung (GRV) von derzeit 18,6 Prozent auf 22,1 Prozent anwachsen.
Beitragsentwicklung in den Zweigen der Sozialversicherung im Basis-Szenario:
-
Gesetzliche Krankenversicherung (GKV):
- 2015: 15,5%
- 2025: 17,5%
- 2026: 18,0%
- 2029: 18,5%
- 2035: 20,0%
- 2015: 15,5%
-
Soziale Pflegeversicherung (SPV):
- 2015: 2,6%
- 2025: 3,8%
- 2026: 4,0%
- 2029: 4,4%
- 2035: 4,5%
-
Arbeitslosenversicherung (ALV):
- 2025: 3,0%
- 2025: 2,6%
- 2026: 2,6%
- 2029: 2,7%
- 2035: 3,1%
-
Gesetzliche Rentenversicherung (GRV):
- 2015: 18,7%
- 2025: 18,6%
- 2026: 18,6%
- 2029: 20,1%
- 2035: 22,1%
DAK-Chef fordert Sofortprogramm
„Es gibt ein gravierendes Finanzierungsproblem im Sozialsystem, das kurzfristig gelöst werden muss und kann, um Versicherte und Arbeitgeber nicht weiter zu belasten.“, sagt DAK-Vorstandschef Andreas Storm. Angesichts des drohenden Beitragsanstiegs schlägt Storm Alarm. „Wir müssen diese Beitragsspirale endlich durchbrechen. Durch ein schnelles und mutiges Handeln der Politik nach der Bundestagswahl ist das erreichbar.“, fordert der DAK-Chef. Demnach müsse die neue Bundesregierung einen Kassensturz und ein Sofortprogramm für stabile Kassenbeiträge einleiten.
Laut Storm sei zunächst eine Umfinanzierung und die Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung aus Steuermitteln erforderlich. „Die geplante verfassungswidrige Finanzierung des Transformationsfonds zur Krankenhausreform muss gestoppt werden, was die Krankenkassen jährlich um 2,5 Milliarden Euro entlastet“, erklärt Storm. Zusätzlich müsse ab dem kommenden Jahr der Bundeszuschuss an die Kassen um 7,0 Milliarden auf 21,5 Milliarden Euro angehoben werden. So könnten beispielsweise versicherungsfremde Leistungen wie die bislang unterdeckten Ausgaben für Bürgergeldempfänger finanziert werden. Allein im Jahr 2022 habe dieser Posten die Kassen mit 9,2 Milliarden Euro belastet. „Die Beitragszahler dürfen nicht für Dinge aufkommen, die Sache der Steuerzahler sind“, betont der DAK-Chef. Allein durch diese Umfinanzierung könne 2026 der nächste drohende Beitragssatzanstieg in der GKV um 0,5 Prozentpunkte verhindert werden.
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Überdies müssten strukturelle Themen angepackt werden. Im Blick hat Storm dabei unter anderem die Steuerung der Patientenversorgung durch die Ärzteschaft sowie eine Notfallreform. Durch die genannten Finanzierungsmaßnahmen könne der Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung bis zum Jahr 2035 stabil bei 17,5 Prozent gehalten werden.