Die Spartentrennung bei Versicherungen ist in Paragraf 8 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) geregelt: Lebensversicherung und Krankenversicherung müssen jeweils separat von anderen Versicherungssparten geführt werden. Alle übrigen Versicherungszweige fallen demnach in eine dritte große Sparte – das Kompositgeschäft („Compositum“ = das Zusammengesetzte). Häufig wird dieser Bereich auch als „Schaden-Unfall-Geschäft“ bezeichnet, da er eine Vielzahl unterschiedlicher Versicherungsarten umfasst. Die wirtschaftliche Bedeutung ist enorm: 2023 erzielte das Schaden-Unfall-Geschäft branchenweit einen Umsatz von 85,49 Milliarden Euro (gemessen als gebuchte Bruttoprämien). Dies zeigt der aktuelle Branchenmonitor Komponist, der Kennzahlen von 2018 bis 2023 für die gesamte Branche auswertet.

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Allerdings zeigen die Zahlen auch ein zunehmend schwieriges Geschäft. Denn viele kleine „Hidden Champions“ stehen in der Kompositversicherung großen Sorgenkindern gegenüber. „Groß“ bedeutet, dass Probleme im Schaden-Unfall-Geschäft die größten Teilsparten betreffen: Die Wohngebäudeversicherung (verantwortlich für 15 Prozent aller gebuchten Prämien), vor allem aber der Kfz-Versicherung (verantwortlich für 40 Prozent aller gebuchten Prämien – und damit größte Komposit-Teilsparte überhaupt).

In früheren Jahren halfen kleinere Teilbereiche, die Verluste auszugleichen

In vielen anderen Jahren halfen kleinere Teilsparten, die Verluste in der Summe auszugleichen: Trotz schlechter Teilergebnisse war so das Gesamtergebnis des Schaden-Unfall-Geschäfts in der Regel positiv. So lag in 2018 die durchschnittliche Schaden-Kosten-Quote (bzw. Combined Ratio) über die gesamte Branche hinweg bei 93,87 Prozent, in 2019 lag sie bei 92,83 Prozent. Im Coronajahr 2020 konnte sie sogar noch mal gedrückt werden: auf 91,43 Prozent, der beste Wert innerhalb von sechs Jahren. Hier profitierte sogar die stets kriselnde Kfz-Versicherung vom geringen Verkehr während der Pandemie, was sich auf alle Kennzahlen des Kompositgeschäfts positiv auswirkte.

Sogar im Jahr 2022 lag die durchschnittliche CR noch bei auskömmlichen 96,20 Prozent – trotz des russischen Angriffskriegs in der Ukraine und trotz einer steigenden Inflation besonders in der Baubranche. Eine unglückliche Ausnahme stellte für die zurückliegenden Jahre einzig 2021 dar – und damit das Unglücksjahr der Katastrophe im Ahrtal. Denn 2021 lag die durchschnittliche Schaden-Kosten-Quote aller Bereiche des Schaden-Unfall-Geschäfts bei 100,85 Prozent: Damals gab also die gesamte Kompositsparte im Schnitt mehr für Schadenaufwendungen und weitere Kosten aus, als über Prämien eingenommen wurde.

Versicherungstechnisches Ergebnis zeigt 2023 erstmals einen Verlust

Ein Befund, der sich jedoch in 2023 wiederholte, wie aktuelle Kennzahlen zeigen: Die durchschnittliche Schaden-Kosten-Quote liegt für 2023 bei 100,65 Prozent. Im Schnitt über alle Versicherer hinweg reichten die Einnahmen damit nicht mehr aus, um die Kosten zu decken. Das versicherungstechnische Ergebnis (vor Veränderung der Schwankungsrückstellung) verstärkt diesen negativen Trend sogar noch. Denn betrachtet man den Zeitraum 2018 bis 2023, verzeichnet die Branche hier erstmals überhaupt einen negativen Durchschnittswert – ein klares Zeichen für die wachsende wirtschaftliche Belastung der Versicherer.

Im Schnitt steht jedes Unternehmen 2023 mit 12,20 Millionen Euro im Minus. Zum Vergleich: 2022 wurde noch ein durchschnittlicher Gewinn von 48,43 Millionen Euro erzielt; 2021 sogar von 57,27 Millionen Euro. Den besten Wert des gesamten Untersuchungszeitraums lieferte das Pandemie-Jahr 2020 mit 90,34 Millionen Euro Gewinn. Lockdown und Homeoffice sorgten damals für drastisch sinkende Schadenaufwendungen: zumindest für die Bilanzen der Kompositversicherer war Corona ein Segen.

Rekordhöhe bei Schadenaufwendungen

Das schwierige Ergebnis 2023 lässt sich auch mit den stark gestiegenen Schadenaufwendungen erklären. Im Schnitt musste jedes Unternehmen 1,10 Milliarden Euro für Schäden im Kompositbereich aufbringen – ein Anstieg von rund 27 Prozent gegenüber 2018, als der Wert noch 798,70 Millionen Euro betrug. Selbst 2022 wurde die kritische Milliardenmarke nicht erreicht: Die Schadenaufwendungen lagen damals bei 956,72 Millionen Euro.

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Die Verschlechterung zeigt sich besonders deutlich beim Blick auf die durchschnittlichen Schadenaufwendungen pro Versicherungsvertrag. 2018 zahlten die Versicherer im Schnitt 149,23 Euro je Kompositvertrag, 2022 waren es bereits 167,86 Euro. 2023 kletterte dieser Wert auf 190,32 Euro – ein Anstieg von 27,53 Prozent gegenüber 2018 und 13,38 Prozent allein im Vergleich zu 2022. Die Belastung für die Versicherer nimmt damit nicht nur langfristig zu, sondern hat sich zuletzt sogar noch einmal erheblich beschleunigt.

Stabile Nachfrage trotz schwieriger Schadenentwicklung

Während die Schaden-Kosten-Quote 2023 unter Druck geriet, zeigt sich auf der Nachfrageseite eine positive Entwicklung. Allerdings muss vorausgeschickt werden: Die Kompositsparte umfasst sehr unterschiedliche Versicherungsprodukte mit variierenden Versicherungssummen und Laufzeiten. Deshalb sind insbesondere Veränderungen bei den Vertragszahlen immer mit einer gewissen Vorsicht zu interpretieren.

Seit 2018 ist die durchschnittliche Anzahl der Versicherungsverträge im Schaden-Unfall-Geschäft von 5,15 Millionen auf 5,73 Millionen im Jahr 2023 gestiegen – ein Gesamtwachstum von 11,17 Prozent. Dies entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Zuwachs von 2,14 Prozent. Noch dynamischer entwickelten sich die gebuchten Bruttoprämien. Sie stiegen im gleichen Zeitraum von 1,17 Milliarden Euro auf 1,49 Milliarden Euro je Versicherer, was einem Gesamtwachstum von 26,90 Prozent entspricht. Pro Jahr bedeutet das ein durchschnittliches Prämienwachstum von 4,88 Prozent.

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Struktur des Kompositgeschäfts: welche Bereiche dominieren den Markt?

Doch welche Teilsparten dominieren das Kompositgeschäft, und wie verteilen sich die Prämieneinnahmen? Geht man von einer branchenweiten Summe von 85,49 Milliarden Euro an gebuchten Bruttoprämien im Jahr 2023 aus, ergibt sich folgende Zusammensetzung:

  • Mit einem Anteil von 40 Prozent am gesamten Prämienvolumen ist die Sparte Kraftfahrt Gesamt der größte Bereich im Kompositgeschäft – zugleich aber auch der problematischste. 2023 trug die Kfz-Versicherung maßgeblich zur Verschlechterung der Durchschnittszahlen bei: Kein einziges Unternehmen in dieser Sparte konnte profitabel arbeiten (Versicherungsbote berichtete). Die durchschnittliche Combined Ratio der Kfz-Sparte über 50 Unternehmen hinweg lag bei 112,74 Prozent – ein klares Zeichen für die Belastung durch stark steigende Schadensummen und einen intensiven Preiswettbewerb. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die hier präsentierten Durchschnittswerte leicht von den Werten einzelner Branchenmonitore abweichen können. Dies liegt erstens daran, dass in jeder Teilsparte stets die größten Anbieter betrachtet werden, wodurch die Zusammensetzung der Unternehmen variiert. Außerdem beeinflusst der Analysekontext die Werte, da für den Branchenmonitor Komposit auch branchenübergreifende Kennzahlen in Bezug gesetzt werden.
  • Die zweitgrößte Teilsparte des Kompositbereichs ist die Verbundene Gebäudeversicherung: ihr verdankt das Kompositgeschäft 15 Prozent aller gebuchten Prämien. Auch in der Gebäudeversicherung kriselt es, was unter anderem bedingt ist durch zunehmende Extremwetterereignisse aufrund des Klimawandels. Laut Branchenmonitor Komposit liegt die durchschnittliche Schaden-Kosten-Quote aller untersuchten Unternehmen bei 101,80 Prozent – damit schreibt auch die Wohngebäudeversicherung 2023 rote Zahlen. Im Gegensatz dazu weist der Branchenmonitor Wohngebäudeversicherung zwar eine leicht abweichende Quote noch unter 100 Prozent aus. Doch auch hier schreibt die Hälfte aller Wohngebäudeversicherer rote Zahlen (Versicherungsbote berichtete).
  • Der größte der kleineren Kompositbereiche ist die Haftpflicht: ihr verdankt das Schaden-Unfall-Geschäft elf Prozent aller gebuchten Prämien. Die Haftpflicht ist wesentlich dankbarer als die großen Zweige – die Schaden-Kosten-Quote liegt 2023 bei auskömmlichen 83,17 Prozent.
  • Zu den "Hidden Champions" der Kompositversicherung, die auch schlechte Ergebnisse ausgleichen können, gehört zunächst die Unfallversicherung. Diese macht allerdings in 2023 nur acht Prozent aller gebuchten Bruttoprämien aus. Die Schaden-Kosten-Quote ist mittlerweile unschlagbar: sie liegt gemäß Berechnungsmethodik des Branchenmonitors Kompositversicherung bei 77,48 Prozent (auch hier weicht der Einzelmonitor leicht mit den Werten ab). Damit führt die Unfallversicherung 2023 das Feld der rentabelsten Kompositzweige an.
  • Zu guter Letzt kommt noch die verbundene Hausrat, die in den Vorjahren häufig der rentabelste Versicherungszweig im Kompositgeschäft war. Die Hausratversicherung ist allerdings auch der kleinste Zweig: er macht fünf Prozent aller gebuchten Prämien aus. Die Schaden-Kosten-Quote kann 2023 ebenfalls beeindrucken: sie liegt bei 78,67 Prozent (und damit nur leicht über dem Top-Wert der Unfallversicherung).
  • Freilich fehlen nun noch einige Teilbereiche – die schon deswegen in den Kompositbereich fallen, da sie nicht zur PKV oder zur Lebensversicherung gehören. Der Branchenmonitor Kompositversicherung fasst alle diese Teilbereiche unter "Rest" zusammen. In diese Sammelsparte hinein fallen: Beistandsleistung, Feuer, die wichtige Rechtsschutzversicherung , Kredit und Kaution, Sonstige Sach, Technische Versicherung, Transport und Luftfahrt. In der Summe ist der Anteil dieser Teilbereiche beachtlich: 21 Prozent aller gebuchten Prämien im Schaden-Unfall-Geschäft. Damit ist die Sammelkategorie sogar der zweitgrößte Kompositbereich, fasst jedoch ganz Verschiedenes zusammen. Aus diesem Grund taucht "Rest" auch nicht mit eigenen Schaden-Kosten-Quoten im Monitor auf. Allerdings wird zumindest die Rechtsschutzversicherung mit einem eigenen Branchenmonitor bedacht (Versicherungsbote berichtete).

Hintergrund: Alle Zahlen sind dem Branchenmonitor Kompositversicherung 2024 der V.E.R.S. Leipzig GmbH entnommen. Der Monitor betrachtet die Kompositsparte in der Summe, während weitere Monitore die einzelnen Branchen (Kfz-Versicherung, Hausrat, Wohngebäude usw.) mit Kennzahlen vorstellen. Der Branchenmonitor Kompositversicherung deckt die 50 größten Schaden-Unfall-Versicherer ab – und damit 87 Prozent des Kompositmarkts mit Kennzahlen von 2018 bis 2023. Zusammen mit weiteren Branchenmonitoren kann er kostenpflichtig auf der Webseite der Leipziger Experten bestellt werden.

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