Pflege-Bürgerversicherung ignoriert Kernproblem des Umlageverfahrens
Kann eine Bürgerversicherung in der Pflege die Finanzierungsprobleme lösen. Der PKV-Verband lehnt die Idee ab und entgegnet: Der Ruf nach einer erzwungenen Einheitsversicherung sei eine 30 Jahre alte Idee, die aus gutem Grunde nie umgesetzt worden ist.
Es ist nicht das erste Mal, dass die Sau Pflege-Bürgerversicherung durchs Dorf getrieben wird. Doch aktuell scheint der Druck wegen klammer Kassen und überbordenden Eigenanteile für das Pflegeheim besonders hoch zu sein. In den vergangenen Jahren wurden die politischen Debatten maßgeblich durch die Eigenanteile an den Kosten im Pflegefall bestimmt. Als Lösung propagierten SPD, Grüne und die Linke die Einführung einer Pflege-Bürgerversicherung. Sie wollten die Private Pflegeversicherung (PPV) abschaffen und die privat Pflegeversicherten in die Soziale Pflegeversicherung (SPV) überführen.
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Ein aktuelles Gutachten von Pflegewissenschaftler Prof. Heinz Rothgang hat die Debatte erneut angefacht. Demnach sei es bezahlbar, die Pflegeversicherung auf eine Voll-Versicherung umzustellen. Dadurch könnten sich die Eigenanteile der Versicherten spürbar verringern.
Der Vorschlag für eine Pflege-Bürgerversicherung stößt auf scharfe Kritik von Florian Reuther, dem Direktor des Verbandes der Privaten Krankenversicherung (PKV). Er bezeichnet den Vorschlag als einen Rückgriff auf eine alte Idee, die angesichts des demografischen Wandels vollkommen unangebracht sei. „Die Verfechter einer sogenannten Pflege-Bürgerversicherung versprechen vermeintliche Wohltaten einer Pflegevollkasko und ignorieren die explodierenden Kosten der demografischen Alterung“, so Reuther.
„Kernproblem der Pflegeversicherung ist das Umlageverfahren, in dem immer weniger Jüngere für immer mehr ältere Pflegebedürftige zahlen müssen.“, moniert Reuther. Denn mit einer Pflege-Bürgerversicherung würde die gesetzliche Pflegeversicherung vollständig auf die Umlagefinanzierung umgestellt. Damit würde auf jegliche Zukunftsvorsorge verzichtet. Und die hohen Kosten der Pflege würden einfach auf zukünftige Generationen verschoben. Dass immer weniger Erwerbstätige die zunehmende Zahl der Pflegebedürftigen durch ihre Beiträge finanzieren müssen, bedeutet eine ungerechte Umverteilung zu Lasten der jüngeren Generationen. Bereits heute droht ihnen ein weitaus höherer SPV-Beitrag als den heutigen Erwerbstätigen. Eine Ausweitung der Umlagefinanzierung gleicht deshalb dem absurden Versuch, ein Problem zu lösen, indem man die Quelle des Problems vergrößert.
Reuther warnt zudem vor den Auswirkungen einer Leistungsausweitung in der Pflegeversicherung und der geplanten Erhöhung der Bemessungsgrenze um 46 Prozent. Zudem gehöre Deutschland schon heute zu den Ländern mit der höchsten Steuer- und Abgabenquote. Mit einem Ausbau der umlagefinanzierten Leistungen würde Sozialabgabenquote weiter steigen und das schadet dem Arbeitsmarkt und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands.
Auch hätten die gut 9,2 Millionen Menschen monatlich zusätzliche Beiträge für die kapitalgedeckte Demografie-Vorsorge der privaten Pflegeversicherung eingezahlt. Diesen Menschen diese Vorsorge zu nehmen, wäre nicht nur ungerecht, sondern auch verfassungswidrig. Überdies hätten selbst die Verfechter der Einheitsversicherung zugeben, dass eine Abschaffung der Privaten Pflegeversicherung den Beitragssatz der Sozialen Pflegeversicherung (SPV) lediglich um 0,3 Prozentpunkte senken könnte.
„Der Ruf nach einer erzwungenen Einheitsversicherung ist eine 30 Jahre alte Idee, die aus gutem Grunde nie umgesetzt worden ist. Damit soll für ein System, das keine Rücklagen gebildet hat, einem Vorsorge-System in die Tasche gegriffen werden, das seit 1995 und damit von Anfang an für die Alterung vorgesorgt hat.“, so Reuther.
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