BGH: Negativzinsen bei Giro-, Tagesgeld- und Sparkonten sind unzulässig
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat die umstrittenen Verwahrentgelte für unzulässig erklärt. Damit dürfen Banken keine Verwahrentgelte mehr auf Spareinlagen erheben. Betroffene Bankkunden wollen derweil mehrheitlich die entrichteten Strafzinsen zurückfordern.
Im Zuge der Finanzkrise von 2008 mussten Banken und Geldhäuser ab dem 11. Juni 2014 erstmals Strafen zahlen für eingelagertes Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Geldhäuser gaben daraufhin die Negativzinsen an ihre Kunden weiter und sprachen von einem Verwahrungsentgelt – bezahlt werden sollte die Verwahrungsleistung der Gelder.
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Wie aber sind die als Verwahrentgelte erhobenen Negativzinsen auf Kontoguthaben rechtlich zu bewerten? Lange bestand dazu keine Rechtssicherheit. Denn zunächst urteilte das Landgericht Leipzig noch zugunsten der Geldhäuser (Az.: 5 O 640/20): Banken seien berechtigt, für erbrachte Sonderleistungen in Neuverträgen ein Entgelt zu verlangen – zum Beispiel dafür, dass sie das eingezahlte Geld der Sparerinnen und Sparer auf einem Girokonto „verwahrt“. Aus diesem Grund wies das Gericht die Klage der Verbraucherzentrale Sachsen ab.
Im Oktober 2021 aber urteilte das Landgericht Berlin genau entgegengesetzt zur gleichen Frage (Az. 16 O 43/21). Denn das Gericht war der Auffassung, dass die Verwahrung von Einlagen, etwa auf dem Girokonto, keine „Sonderleistung“ sei, für die eine Bank ein gesondertes Entgelt verlangen dürfe. So meinte das Gericht, die Berechnung eines Verwahrentgelts bei Girokonten sei „mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren“. Auch Minuszinsen auf Tagesgeldkonten widersprächen den gesetzlichen Leitlinien. Die Bank sollte daher das Verwahrentgelt „auf eigene Kosten zurückzahlen“.
BGH urteilt gegen Verwahrentgelte
Da neben den beiden genannten Rechtsstreiten noch zwei weitere die Instanzen durchschritten hatten, musste nun der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden, wie es um Verwahrentgelte auf Spareinlagen bestellt ist. Mit gleich vier Urteilen haben die Karlsruher Richter entschieden, dass Banken und Sparkassen keine Verwahrentgelte auf Giro-, Tagesgeld- und Sparkonten mehr erheben dürfen (AZ: XI ZR 61/23, XI ZR 65/23, XI ZR 161/23 und XI ZR 183/23). Das Gericht sah in den verwendeten Klauseln eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher und eine mangelnde Transparenz.
Die Banken hatten argumentiert, dass die Verwahrung von Guthaben eine Dienstleistung sei, für die eine Gebühr erhoben werden dürfe. Zudem hätten sie durch die Negativzinsen der EZB erhebliche Kosten gehabt, die sie auf ihre Kunden umlegen müssten. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs folgte dieser Argumentation jedoch nicht und erklärte die Verwahrentgelte für unzulässig. Dabei stellten die Richter klar: Verwahrentgelte auf Girokonten stellten eine unangemessene Benachteiligung der Verbraucher dar, da sie eine Hauptleistung des Girovertrags bepreisen. Die Verwahrung von Geld sei eine wesentliche Funktion eines Girokontos, daher dürften für diese Leistung keine separaten Gebühren verlangt werden. Auch Tagesgeld- und Sparkonten dienten dem Sparen und der Kapitalanlage. Eine Gebühr für die Verwahrung würde den Zweck dieser Konten unterlaufen und widerspräche dem Grundsatz der Vertragsgestaltung nach Treu und Glauben.
Das BGH wies insbesondere auf die mangelnde Transparenz hin. Die Klauseln zu den Verwahrentgelten waren oft unklar formuliert. So sei nicht ersichtlich gewesen, wie das Entgelt berechnet wurde. Das galt insbesondere dann, wenn sich das Guthaben durch Transaktionen innerhalb eines Tages änderte. Ebenfalls als intransparent eingestuft, wurden die Klauseln zur Erhebung von Gebühren für Ersatz-Bankkarten und Ersatz-PINs. Kunden hätten hier nicht eindeutig erkennen können, wann sie eine Gebühr zahlen müssten.
Für Verbraucher bedeutet das Urteil, dass sie von Banken keine Verwahrentgelte mehr berechnet bekommen dürfen. Kunden, die in der Vergangenheit solche Entgelte gezahlt haben, könnten unter Umständen eine Rückerstattung verlangen. "Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert die Geldinstitute auf, unrechtmäßig eingesammelte Beträge an die Verbraucher:innen zurückzuzahlen.", sagte David Bode, Referent Team Rechtsdurchsetzung beim Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv). Vor der Zinswende im Sommer 2022 hatten 13 Prozent aller Bankkunden Negativzinsen bezahlt. Die meisten davon (88 Prozent) würden die entrichteten Strafzinsen zurückfordern, sollten die Karlsruher Richter den Weg dafür frei machen. Das zeigt eine repräsentative Studie des Vergleichsportals Verivox im Vorfeld des Urteils.
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