Seit Jahren wird über die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen diskutiert. Der sogenannte Gender Pay Gap ist ein wichtiger Gradmesser für Gleichstellung am Arbeitsmarkt. Doch hinter den Zahlen steckt mehr als nur ein statistisches Phänomen – es geht um reale Unterschiede, die das gesamte Berufsleben prägen und weitreichende Folgen haben. Frauen verdienen in vielen Bereichen noch immer deutlich weniger als Männer, was sich langfristig auf die Altersvorsorge und finanzielle Sicherheit auswirkt.

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Aktuelle Daten, die nun vom Statistischen Bundesamt für 2024 veröffentlicht wurden, zeigen ein ambivalentes Bild: Einerseits ist der unbereinigte Gender Pay Gap auf sechzehn Prozent gesunken – der niedrigste Wert seit Beginn der Erhebungen. Andererseits ist der Wert dennoch hoch, zumal starke regionale und strukturelle Unterschiede bestehen. Und diese weisen auch weiterhin auf tief verwurzelte Probleme am Arbeitsmarkt hin.

Immenser Gap-Unterschied im Vergleich West- und Ostdeutschland

Besonders auffällig ist der Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland: Während die Lücke in den neuen Bundesländern fast verschwunden ist, bleibt sie im Westen Deutschlands mit siebzehn Prozent unverändert hoch:

  • Im Osten Deutschlands (inkl. Berlin) beträgt der unbereinigte Gender Pay Gap lediglich fünf Prozent. Zwar gibt es weiterhin Unterschiede. Diese jedoch sind wesentlich geringer als im Westen.
  • Im früheren Bundesgebiet hingegen ist die Lohnlücke mit siebzehn Prozent mehr als dreimal so groß: und wirkt noch immer immens hoch.

Die geringere Lohnlücke in den neuen Bundesländern hat zwar historische Ursachen, doch diese allein erklären nicht, warum der Unterschied auch heute noch so stark ausgeprägt bleibt. Wichtiger ist die Übertragung dieser Strukturen auf die nachfolgenden Generationen. In vielen ostdeutschen Regionen ist die Vollzeitbeschäftigung für Frauen weiterhin die Norm, anders als im Westen, wo Teilzeitmodelle dominieren und familiäre Auszeiten häufiger sind.

Ein weiterer wichtiger Faktor ist die höhere Erwerbsquote von Frauen im Osten, verbunden mit einem geringeren Anteil an Teilzeitbeschäftigung. Während fast 46 Prozent der Frauen im Westen in Teilzeit arbeiten, sind es im Osten nur 32 Prozent. Dadurch ergibt sich ein höheres durchschnittliches Bruttostundenentgelt für Frauen im Osten. Denn Minijobs und geringfügige Beschäftigungen werden oft schlechter bezahlt.

Geringerer Pay Gap gibt auch Hinweis auf geringeres Lohnniveau

Doch die Zahlen könnten auch Dinge verbergen, die weniger positiv sind in den neuen Bundesländern. Denn in Ostdeutschland sind die Gehälter insgesamt niedriger, und die Einkommensunterschiede zwischen den Berufen fallen weniger stark ins Gewicht. Während im Westen die Löhne von Spitzenverdienern die Durchschnittswerte nach oben treiben, bleibt die Lohnstruktur im Osten flacher und homogener. So liegt das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen von Männern in Ostdeutschland bei 3.975 Euro, während es im Westen mit 4.915 Euro deutlich höher ausfällt (anders als die Zahlen zum Gender Pay Gap beziehen sich diese Angaben zum Bruttomonatseinkommen noch auf 2023).

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Die Lohnlücke zwischen Frauen im West und Ost ist geringer als die Lohnlücke der Männer: dennoch haben hier, was überraschen mag, auch die Frauen im Westen die Nase vorn – trotz des Problems höherer Teilzeitbeschäftigung. Das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen von Frauen beträgt im Westen 3.998 Euro, im Osten hingegen 3.495 Euro. Dieser Unterschied spiegelt vor allem die niedrigeren Löhne im Osten und die homogenere Lohnstruktur wider. Gleichzeitig ist die höhere Vollzeitquote der Frauen in Ostdeutschland ein wichtiger Faktor, der das Einkommen stabilisiert. Diese Zahlen zeigen: Der geringere unbereinigte Gender Pay Gap in den neuen Bundesländern ist nicht ausschließlich ein Ergebnis von Gleichstellung, sondern auch Ausdruck der insgesamt niedrigeren Löhne und einer geringeren Einkommensspanne.

Bereinigter Gap im Osten höher

Der unbereinigte Gender Pay Gap, wie er vom Statistischen Bundesamt (Destatis) erfasst wird, vergleicht den durchschnittlichen Bruttostundenlohn aller Frauen und Männer – unabhängig von Beruf, Branche, Qualifikation und Arbeitszeit. Dieser Wert zeigt die großen strukturellen Unterschiede am Arbeitsmarkt, da Frauen häufiger in schlechter bezahlten Berufen oder in Teilzeit tätig sind.

Der bereinigte Gender Pay Gap hingegen berücksichtigt Unterschiede in Beruf, Branche, Qualifikation und Arbeitszeit. Er zeigt, wie groß der Lohnunterschied bleibt, wenn Frauen und Männer vergleichbare Positionen mit ähnlicher Erfahrung einnehmen. Trotz dieser Bereinigung verdienen Frauen laut Destatis deutschlandweit noch immer sechs Prozent weniger als Männer – ein Hinweis auf strukturelle Ungleichheiten, die nicht allein durch äußere Faktoren erklärbar sind.

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Bereinigter Pay Gap im Osten höher als im Westen

Überraschend ist, dass der bereinigte Gender Pay Gap im Osten sogar höher ist als im Westen, obwohl beim unbereinigten die Schere wesentlich mehr im Westen auseinander geht. In Zahlen bedeutet das: In Ostdeutschland liegt der bereinigte Gender Pay Gap bei acht Prozent, während er in Westdeutschland nur sechs Prozent beträgt. Was auf den ersten Blick paradox wirkt, hat mehrere Ursachen:

  1. Homogenere Lohnstruktur im Osten bei niedrigeren Löhnen insgesamt: In Ostdeutschland sind die Löhne insgesamt gleichmäßiger verteilt, und die Einkommensunterschiede zwischen verschiedenen Berufen und Hierarchieebenen sind geringer als im Westen. Männer und Frauen arbeiten dort zudem häufiger in denselben Berufen und auf vergleichbaren Positionen. In einer flachen Lohnstruktur wie im Osten fallen schon kleine Unterschiede im Stundenlohn deutlicher ins Gewicht. Diese Unterschiede sind im bereinigten Gender Pay Gap stärker sichtbar.
  2. Größere Gehaltsspannen zwischen verschiedenen Hierarchieebenen im Westen: In Westdeutschland gibt es eine viel breitere Einkommensspanne. Spitzenpositionen, die häufiger von Männern besetzt werden, treiben den unbereinigten Gap in die Höhe. Gleichzeitig fällt der bereinigte Wert geringer aus, weil Gehälter in mittleren Positionen stärker vereinheitlicht sind – insbesondere durch Tarifverträge.
  3. Höhere Vollzeitquote der Frauen im Osten:
Frauen in Ostdeutschland sind häufiger in Vollzeit tätig als ihre Kolleginnen im Westen. Das erhöht zwar das Gesamteinkommen, legt aber auch unterschiedliche Vergütungen bei gleicher Tätigkeit offen, die sich nicht durch äußere Faktoren wie Beruf oder Arbeitszeit erklären lassen. Diese Unterschiede weisen auf strukturelle Ungleichheiten hin, die im bereinigten Gender Pay Gap deutlich sichtbar werden.

Fazit: Einfache Erklärungen reichen oft nicht aus

Die aktuellen Daten des Statistischen Bundesamts zeigen: Der Gender Pay Gap in Deutschland bleibt ein komplexes Phänomen. Zwar sinkt der unbereinigte Gender Pay Gap, doch regionale und strukturelle Unterschiede offenbaren Ungleichheiten, die sich nicht mit einfachen Erklärungen auflösen lassen.

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Besonders der Vergleich zwischen Ost- und Westdeutschland beim bereinigten Gender Pay Gap zeigt, dass es auch im Osten noch viel zu tun gibt und dass die Unterschiede nach wie vor durch geografische, historische und arbeitsmarktbedingte Faktoren geprägt sind. Trotz der Fortschritte bleibt die Lohnlücke eine Herausforderung, die differenzierte Maßnahmen und langfristige Strategien erfordert. Eine Pressemeldung mit weiteren Daten ist auf der Destatis- Webseite verfügbar.

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