Es war eine der Nachrichten, die aktuell in den Wahlkampf passen. Der Verband der Ersatzkassen (VDEK) veröffentlichte kürzlich die Zahlen zur Eigenbeteiligung in vollstationärer Pflege. Und: Die Zuzahlungen für Pflegeheimplätze steigen weiter. Inzwischen liegt der Eigenanteil für die Unterbringung im Pflegeheim bei durchschnittlich 3.248 Euro (ohne Zuschuss). Mit dem 2022 eingeführten Leistungszuschlag mussten Senioren durchschnittlich noch 2.984 Euro im Monat zu ihrem Pflegeheimplatz beisteuern.

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Das Thema wird uns auch in der Zukunft begleiten. Denn Ende des Jahres 2022 erhielten rund 5,237 Millionen Menschen Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung. Im Vergleich zum Jahr 2015 hat sich die Zahl der Pflegebedürftigen in Deutschland fast verdoppelt. Damals waren noch 2,67 Millionen Menschen leistungsberechtigt. Das geht aus der Geschäftsstatistik der Pflegekassen hervor. Weitere 342.743 Leistungsbezieher erhielten Gelder aus der privaten Pflege-Pflichtversicherung.

Scholz will Querfinanzierung zur Entlastung der sozialen Pflegeversicherung

Im Zuge der Berichterstattung war es nur logisch, dass das Thema Pflegeversicherung und deren künftiger Ausrichtung auch in einem der TV-Duelle zur Sprache kommt. Während Bundeskanzler Olaf Scholz vorschlägt, die Finanzierungslücke der sozialen Pflegeversicherung durch eine Umverteilung von Geldern der privaten Pflegeversicherung zu schließen, sieht CDU-Chef Friedrich Merz die Lösung eher in einer verpflichtend privaten Zusatzversicherung.

Scholz will über eine Solidaritätsverschränkung langfristig für eine finanzielle Entlastung aller Beitragszahler sorgen. Dabei soll ein Teil der Einnahmen der Privaten Pflegeversicherung in die gesetzliche Pflegeversicherung fließen. Die Kosten für stationäre Pflege sollen für Pflegebedürftige auf maximal 1.000 Euro pro Monat gedeckelt werden. Laut Berechnungen des Wissenschaftlichen Instituts der privaten Krankenversicherungen (WIP) würde allein dieser Pflegekosten-Deckel jährlich rund 9,2 Milliarden Euro kosten.

Kritik der privaten Krankenversicherungen: „Nicht finanzierbar und verfassungswidrig“

Der PKV-Verband lehnt die Pläne entschieden ab. Geschäftsführer Florian Reuther spricht von einer verfassungswidrigen Zwangsabgabe, da es sich um einen massiven Eingriff in die kapitalgedeckte Private Pflegeversicherung handele. Bereits 2006 habe ein Prüfantrag der Bundesregierung gezeigt, dass ein solcher Finanzausgleich verfassungsrechtlich problematisch sei. Zudem verweist der Verband auf Zahlen aus dem Regierungsbericht zur Zukunftssicherung der Pflegeversicherung. Demnach würde eine Solidaritätsverschränkung jährlich rund zwei Milliarden Euro kosten. Zudem sei die Entlastung für gesetzlich Versicherte mit durchschnittlich 2,86 Euro pro Monat pro Person eher marginal. Parallel dazu müssten die Beiträge in der privaten Pflegeversicherung um bis zu 17 Prozent steigen.

„Die Rufe nach einem Finanzausgleich zwischen der umlagefinanzierten Sozialen Pflegeversicherung und der kapitalgedeckten Privaten Pflegepflichtversicherung offenbaren, dass die SPD kein eigenes Konzept zur Lösung der demografischen Herausforderungen hat“, sagt der PKV-Verbandsdirektor Florian Reuther gegenüber dem Online-Portal "Business Insider".

Der PKV-Verband hatte in den vergangenen Jahren mehrfach Reformbedarf beziehungsweise einen Neustart der Pflegefinanzierung angemahnt. Diese müsse nachhaltig und generationengerecht gestaltet werden. Dringend nötig sei dabei ein Ausbau der privaten und betrieblichen Pflege-Vorsorge. Passend dazu hatte der Verband auch einen Generationenvertrag für die Pflege ausgearbeitet.

Merz: Private Vorsorge statt staatlicher Umverteilung

CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz will einen völlig anderen Weg als sein SPD-Kontrahent gehen. „Ich glaube, es wäre besser, wenn man in der längeren Perspektive den Menschen auch eine verpflichtende private zusätzliche Pflegeversicherung auferlegt, damit sie entsprechend vorsorgen können.“, sagte Merz. Gleichzeitig warnte er vor weiter steigenden Sozialabgaben. Schließlich würde der Gesamtsozialversicherungsbeitrag bereits bei 42 Prozent liegen und weitere Erhöhungen schadeten der Wettbewerbsfähigkeit. Mit der Forderung einer verpflichtenden privaten Zusatzversicherung für Pflegekosten stößt Merz in die gleiche Richtung wie der PKV-Verband. Während ein kapitalgedecktes System künftige Beitragsexplosionen verhindern könnte, birgt eine verpflichtende private Pflegeversicherung die Gefahr, dass Geringverdiener und Rentner überproportional belastet werden könnten.

Fakt ist: Es besteht Reformbedarf und eine künftige Bundesregierung muss sich diesem Thema annehmen. Denn eigentlich sollte ein Teil der Probleme mit den Pflegestärkungsgesetzen gelöst werden. Doch die Realität sieht inzwischen anders aus. Denn neben der Finanzierung der Pflege über die Pflegeversicherung hat sich noch eine weitere Baustelle aufgetan. Wenn Pflegebedürftige und ihre Angehörigen nicht zahlen können, übernimmt das Sozialamt die Kosten. Im Juli 2023 war bereits jeder zweite Pflegeheim-Bewohner laut einer Umfrage des Bundesverbandes der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen (BKSB) auf Sozialleistungen angewiesen.

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Laut Zahlen des Statistischen Bundesamts haben die Sozialhilfeträger in Deutschland im Jahr 2023 etwa 17,6 Milliarden Euro netto für Sozialhilfeleistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) ausgegeben. Damit stiegen die Ausgaben gegenüber dem Vorjahr um 18 Prozent. Die Ausgaben zur Hilfe zur Pflege stiegen dabei um 27,4 Prozent auf knapp 4,5 Milliarden Euro.