Der auf den Aufkauf von Altbeständen spezialisierte Versicherer Athora sieht großes Potenzial im deutschen Lebensversicherungsmarkt. CEO Mike Wells kündigte in einem Interview mit dem Handelsblatt an, dass das Unternehmen nicht nur bestehende Bestände übernehmen, sondern in den kommenden fünf bis zehn Jahren auch ins Neugeschäft mit Lebensversicherungen einsteigen will.

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Marktchancen durch Nachfrage nach Garantieprodukten

Athora ist derzeit in mehreren europäischen Märkten aktiv und verwaltet in den Niederlanden 52,1 Milliarden Euro, in Belgien 8,2 Milliarden Euro und in Italien 5,9 Milliarden Euro. Deutschland fällt mit einem verwalteten Vermögen von nur vier Milliarden Euro deutlich ab. Das Unternehmen sieht hier Wachstumspotenzial, insbesondere bei klassischen Garantieprodukten, die laut Wells bei vielen europäischen Kunden weiterhin gefragt sind: „Fondspolicen sind zwar auch solide Produkte, aber viele Europäer wollen eigentlich lieber gute Garantieprodukte abschließen.“

Fokus bleibt vorerst auf Bestandsübernahmen

Obwohl Athora langfristig ins Neugeschäft einsteigen will, bleibt die Übernahme bestehender Lebensversicherungsbestände zunächst der zentrale Wachstumshebel. Allerdings hat das Unternehmen seit 2015, als es die Altbestände der Delta Lloyd übernahm, keinen größeren Kauf mehr abgeschlossen. Ein geplanter Erwerb eines ehemaligen DBV-Winterthur-Bestands von Axa Deutschland wurde 2022 abgebrochen.

Der Markt für Run-off-Bestände sei dennoch weiterhin attraktiv, so Wells. Die gestiegenen Zinsen hätten zwar den Druck auf Versicherer verringert, Bestände abzugeben, doch gleichzeitig könnten Verkäufer nun wieder angemessenere Preise für ihre Verträge erzielen. Besonders interessant seien für Athora traditionsreiche Anbieter mit langfristigen Kundenbeziehungen, einer soliden Kapitalanlage sowie einer leistungsfähigen IT-Infrastruktur.

Übernahme von Viridium im Fokus?

Ein potenzieller Übernahmekandidat könnte Viridium sein, der größte Run-off-Spezialist in Deutschland. Der Mehrheitseigner, der Finanzinvestor Cinven, sucht einen Käufer, nachdem sich die BaFin zuletzt skeptisch gegenüber weiteren Bestandsübernahmen durch Viridium gezeigt hatte. Hintergrund sind Bedenken, da Cinven dem angeschlagenen italienischen Lebensversicherer Eurovita nicht ausreichend Kapital bereitgestellt hatte.

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Ob Athora an Viridium interessiert ist, ließ Wells gegenüber dem Handelsblatt offen, betonte jedoch die eigenen Vorteile gegenüber Wettbewerbern: eine solide Kapitalbasis, die Kombination aus Versicherungs- und Anlagegeschäft sowie sichere Renditen für Kunden. Das Unternehmen hat mehrere Milliarden Euro Eigenkapital für Übernahmen bereitgestellt und könnte sich als ernsthafter Kandidat für den Kauf positionieren.