Die Stiftung Warentest hat 1.245 Tarifkombinationen der privaten Krankenversicherung (PKV) untersucht – mit ernüchternden Ergebnissen. Laut der Studie weisen zwei Drittel der getesteten Tarife entweder zu hohe Selbstbehalte oder markante Leistungslücken auf. Viele der Angebote erreichen nicht einmal das Niveau der gesetzlichen Krankenkasse (GKV) und erfüllen damit nicht die Anforderungen der Prüfer.

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Nur ein Drittel der Tarife überzeugt im Test

Von den 1.245 untersuchten Tarifkombinationen konnte die Stiftung Warentest lediglich 384 Tarife empfehlen. Diese bieten einen umfassenden Rundum-Schutz, der „mindestens dem Niveau der gesetzlichen Krankenkasse entspricht“ und eine Selbstbeteiligung von maximal 660 Euro pro Jahr. Diese Tarife wurden je nach Leistungsumfang mit den Qualitätsurteilen „Gut“ und „Sehr gut“ bewertet. Zu den positiv bewerteten Anbietern zählen Allianz, Axa und HanseMerkur.

„Sehr viele PKV-Tarife haben Lücken. Viele leisten sogar weniger als gesetzliche Krankenkassen“, betont Julia Bönisch, Vorständin der Stiftung Warentest. Besonders bei Palliativpflege, ambulanter Psychotherapie und digitalen Gesundheitsanwendungen wie Ernährungs-Apps sieht die Stiftung Warentest erhebliche Defizite.

Die Preisunterschiede zwischen den empfohlenen Tarifen sind derweil enorm: So beträgt die Differenz zwischen dem günstigsten und teuersten Angestelltentarif auf der Empfehlungsliste mehr als 400 Euro im Monat – obwohl beide Tarife das Qualitätsurteil „Sehr gut“ erhalten haben. Die Tarife für Selbstständige und Angestellte wurden für eine 35-jährige Person ermittelt. Bei den empfohlenen Tarifen für Beamte lag für die Modellrechnung eine 30-jährige Person mit Beihilfeanspruch von 50 % vor. Hier beträgt die Differenz 183 Euro im Monat.

„Mehr Beitrag bedeutet nicht, dass immer auch mehr Risiken abgedeckt sind“, erklärt Testleiter Julian Chudoba. Er rät, sorgfältig zu prüfen, ob es wirklich ein Top-Tarif sein muss, da der Preisaufschlag oft nicht den Umfang der zusätzlich abgesicherten Gesundheitsrisiken widerspiegele.

Kostenfalle im Alter: Stiftung Warentest warnt vor steigenden Beiträgen

Besonders kritisch sieht die Stiftung Warentest die Beitragsentwicklung im Alter. Während die PKV für junge Menschen durch vergleichsweise günstige Tarife attraktiv wirkt, steigen die einkommensunabhängigen Beiträge im Alter stark an.

„Die private Krankenversicherung kann zur existenzbedrohenden Kostenfalle werden“, warnt Julia Bönisch. Besonders Angestellten und Selbstständigen, die gut verdienen, rät sie zu einer gründlichen Abwägung, ob sie sich die im Alter oft erheblich höheren Beiträge langfristig leisten können. Für Beamte hingegen empfiehlt die Stiftung Warentest die PKV uneingeschränkt, da der Staat einen Großteil der Kosten im Alter übernimmt.

Scharfe Kritik von PKV-Experten

Der aktuelle PKV-Test der Stiftung Warentest stößt in der Branche auf heftige Kritik. Der auf private Krankenversicherungen spezialisierte Makler Sven Hennig zeigt sich gegenüber Pfefferminza.de empört und spricht von „klassischem PKV-Bashing“. Dabei nimmt er kein Blatt vor den Mund: „Das ist einer der schlimmsten Tests in der PKV, die Stiftung Warentest jemals abgeliefert hat. Und auch die bisherigen waren schon nicht gut.“ Besonders kritisch sieht er den Vergleich zwischen GKV und PKV, da es sich dabei um zwei völlig unterschiedliche Systeme mit unterschiedlichen Leistungsspektren handele.

Florian Reuther, Direktor des Verbands der Privaten Krankenversicherung, verteidigt auf Nachfrage des Fachmagazins die Flexibilität der privaten Krankenversicherung: „Was die Stiftung Warentest als vermeintliche Schwäche ansieht, ist in Wahrheit eine große Stärke der PKV: die Möglichkeit nämlich, sich den Gesundheitsschutz nach persönlichen Bedürfnissen individuell zusammenzustellen – von der soliden Grundabsicherung bis zum Topschutz zum Beispiel mit Chefarztbehandlung und bis zu 100 Prozent Erstattung beim Zahnersatz oder Heilpraktiker.“

Preisvergleich ohne Kontext: „Hanebüchener Unsinn“

Ein zentraler Kritikpunkt von Hennig betrifft den Preisvergleich im Test. Laut Stiftung Warentest bedeutet ein höherer Beitrag nicht zwangsläufig eine bessere Absicherung. Hennig hält dagegen: „Das ist hanebüchener Unsinn. Man vergleicht hier Tarife mit völlig unterschiedlichen Leistungen und Kalkulationsansätzen.“

So sei der Arag-Tarif, der im Test als besonders günstig bewertet wurde, absolut unterkalkuliert. Gleichzeitig werde dieser günstige Tarif mit einem vorsichtig kalkulierten und umfassenderen Tarif verglichen. „Mehr Beitrag bedeutet, dass ich eine vernünftige Kalkulation kaufe. Und wenn ich billig kaufe, laufen mir später massiv die Beiträge weg, und ich kann nicht mehr ausgleichen“, warnt Hennig.

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Auch die Bewertung der Selbstbeteiligung im Test sieht Hennig kritisch. Laut Stiftung Warentest schneiden viele PKV-Tarife aufgrund eines hohen Selbstbehalts schlecht ab. Doch Hennig stellt klar: „Die Selbstbeteiligung in der GKV beträgt 2 Prozent des Jahresbruttoeinkommens. Damit kommt die PKV-Klientel wegen ihrer hohen Einkommen auf 1.000 oder sogar 2.000 Euro Selbstbeteiligung.“ Diese Information hätte im Test nicht fehlen dürfen, um ein vollständiges Bild zu liefern.