Die Betriebskosten von Lebensversicherern sind ein Dauerthema – nicht erst seit der emotional geführten Diskussion um den Provisionsdeckel. Während lange Zeit die Abschlusskosten im Mittelpunkt der Kritik standen, rücken zunehmend auch die Verwaltungskosten in den Fokus. Niedrige Verwaltungskosten gelten als Zeichen für Effizienz. Entsprechend fordert auch der Bundesverband Deutscher Versicherungskaufleute (BVK), nicht nur die Abschlussprovisionen der Vermittler zu hinterfragen, sondern auch die Verwaltungskosten der Versicherer stärker zu prüfen – zugrunde liegt auch die Idee, dass Vermittler häufig den schwarzen Peter für hohe Kosten zugeschoben bekommen.

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Vor diesem Hintergrund könnte die aktuelle Entwicklung zunächst als Rückschritt erscheinen: Laut einem Blogbeitrag der Experten von Franke und Bornberg zeichnet sich eine Trendwende in der bisherigen Kostenoptimierung ab. Während die Verwaltungskosten der Branche über Jahre hinweg sanken, sind sie 2023 wieder gestiegen – von 2,34 Prozent auf 2,46 Prozent. Zwar bleibt diese Quote unter den Höchstständen früherer Jahre zurück; insbesondere der ersten Dekade der 2000er. Doch sie markiert eine Umkehr des bisherigen Trends. Zum Vergleich: Ein älterer MAP-Report (Nr. 917) wies für 2019 mit 2,03 Prozent eine ungewöhnlich niedrige Verwaltungskostenquote aus. Damit zeigt sich, dass die Entwicklung nicht mehr nur stagniert, sondern sich nun in die entgegengesetzte Richtung bewegt.

Doch wie sind diese Zahlen zu bewerten? Vorsicht ist geboten – insbesondere bei Vergleichen zwischen Unternehmen mit niedriger und hoher Verwaltungskostenquote. Die Annahme, dass Versicherer mit besseren Quoten grundsätzlich effizienter wirtschaften, greift zu kurz.

Warum eine direkte Gegenüberstellung irreführend sein kann: Beispiel Run-off

Ein besonders anschauliches Beispiel für die Komplexität der Verwaltungskostenquote sind Run-off-Versicherer – Unternehmen, die kein Neugeschäft mehr zeichnen, sondern ausschließlich bestehende Policen verwalten. Ihre Verwaltungskostenquote liegt oft über dem Branchenschnitt, was immer wieder auch zu Kritik führt. Denn haben nicht gerade jene Anbieter, die Altbestände übernehmen, oft versprochen, diese effizienter zu verwalten als die ursprünglichen Versicherer?

Doch wer hier einfach den Branchenschnitt als Maßstab anlegt, greift zu kurz. Sinnvoll ist nur ein Vergleich zwischen Unternehmen mit ähnlichen Beständen und Herausforderungen. Ältere Verträge mit umfangreichen Garantieversprechen und komplexen Tarifstrukturen verursachen einen erheblich höheren Verwaltungsaufwand als standardisierte Neuverträge. Zudem fehlt Run-off-Versicherern die Möglichkeit, Kosten durch Skaleneffekte auf ein wachsendes Neugeschäft zu verteilen: Ihre Fixkosten bleiben bestehen, verteilen sich aber auf eine immer kleinere Vertragsbasis. Auch interne Run-offs offenbaren zum Teil eine äußerst ungünstige Kostenbilanz (Versicherungsbote berichtete).

Diese Besonderheiten zeigen, warum die Verwaltungskostenquote nicht isoliert betrachtet werden sollte. Und was für Run-off-Versicherer gilt, gilt auch für Versicherer mit Neugeschäft: Je breiter das Produktportfolio und je individueller die Verträge, desto höher ist der Verwaltungsaufwand. So verwundert es kaum, dass Direktversicherer mit stark standardisierten Produkten oft die besten Quoten aufweisen. Doch sie bedienen auch eine andere Zielgruppe als Unternehmen, die auf individuelle Beratung und langfristige Betreuung setzen. Eine höhere Verwaltungskostenquote kann demnach auch strukturell bedingt sein.

Zudem setzt natürlich ein starker Rückgang des Geschäfts gegen Einmalbeitrag den Versicherern zu. Denn je weniger Bruttoprämien zu den Versicherern fließen, desto schlechter ist die Quote – selbst dann, wenn die Kosten wie Verwaltungsausgaben nicht gestiegen sind. Auch dies sollte man bei Bewertung der Quoten beachten.

Investitionen in die Digitalisierung können die Verwaltungskostenquote steigern

Hinzu kommt: Strukturelle Veränderungen wie die Digitalisierung schlagen sich ebenfalls in der Verwaltungskostenquote nieder. Viele Versicherer investieren verstärkt in IT, Automatisierung und Künstliche Intelligenz, um langfristig effizienter zu arbeiten. Doch bevor diese Maßnahmen Kostensenkungen ermöglichen, verursachen sie zunächst erhebliche Aufwendungen. Die positiven Effekte zeigen sich oft erst verzögert – kurzfristig dominieren die Belastungen durch teils beachtliche Investitionskosten.

Das bedeutet nicht, dass die Verwaltungskostenquote als Maßstab unbrauchbar wäre. Doch sie sollte nicht isoliert betrachtet werden. Wer einen Anbieter anhand seiner Quote bewerten will, sollte sich auch die dahinterliegenden Kostenstrukturen ansehen – etwa die Höhe der Investitionen in die Digitalisierung.

Die Verwaltungskostenquote zeigt nicht alles, was in der Verwaltung "kostet"

Gleichzeitig kann eine niedrige Verwaltungskostenquote auch trügen. MAP-Report-Autor Reinhard Klages warnt davor, die Quote als alleiniges Maß für Kosteneffizienz zu betrachten. Denn viele Kostenbereiche tauchen in der Verwaltungskostenquote gar nicht auf:

  • Kapitalanlageverwaltungskosten erscheinen in den Aufwendungen für Kapitalanlagen und beeinflussen die Nettorendite.
  • Schadenregulierungskosten sind Teil der Versicherungsleistungen.
  • Vertriebskosten werden in der Abschlusskostenquote erfasst – freilich: diese steht auch stark im Fokus der politischen Debatten.
  • Zusammengefasst gilt: Nur die Kosten der Abteilung Betrieb fließen in die Verwaltungskostenquote ein.

Was die Beobachtungen bedeuten

Was aber bedeuten all diese Beobachtungen – oder vielmehr Relativierungen? Entwerten sie die Aussagekraft der Verwaltungskostenquote? Keineswegs. Die Quote kann ein wichtiger Anhaltspunkt sein, um die betriebliche Effizienz eines Versicherers zu hinterfragen und gezielt genauer hinzuschauen. Denn zweifellos sind niedrige Verwaltungskosten im Interesse der Kunden – solange sie nicht zu Lasten von Service und Betreuung gehen.

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Allerdings reicht eine isolierte Betrachtung der Quote nicht aus. Eine fundierte Bewertung erfordert weitere Informationen, etwa zu den Investitionen in Digitalisierung, der Bestandsstruktur oder der Art der verwalteten Policen. Nur im Gesamtbild lässt sich beurteilen, ob ein Versicherer tatsächlich effizient wirtschaftet – oder ob niedrige Verwaltungskosten auf Kosten der langfristigen Stabilität oder der Kundenbetreuung gehen. Dies sei vorausgeschickt, bevor im Folgenden Unternehmen mit den niedrigsten ("besten") und höchsten (vermeintlich "schlechtesten") Verwaltungskostenquoten vorgestellt werden.

Die niedrigsten ("besten") und höchsten (vermeintlich "schlechtesten") Quoten der Branche

Die folgenden Zahlen zeigen, welche Unternehmen 2023 die niedrigsten und höchsten Verwaltungskostenquoten aufwiesen. Dabei ist zu beachten, dass ein niedriger Wert nicht zwangsläufig für eine höhere Wirtschaftlichkeit steht – ebenso wie eine hohe Quote nicht automatisch auf Ineffizienz hinweist.

Die niedrigsten ("besten") Quoten

Einige Versicherer konnten 2023 ihre Verwaltungskostenquote auf einem besonders niedrigen Niveau halten. Auffallend: Oft handelt es sich dabei um Unternehmen mit einem stark standardisierten Geschäftsmodell, das Skaleneffekte ermöglicht – etwa Direktversicherer oder große Anbieter mit einem hohen Beitragsaufkommen.

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Folgende Unternehmen weisen die zehn besten Verwaltungskostenquoten 2023 aus:

  1. Europa: 0,79 %
  2. Cosmos: 1,12 %
  3. Allianz: 1,21 %
  4. Deutsche: 1,24 %
  5. Delta Direkt: 1,27 %
  6. Hannoversche: 1,29 %
  7. R+V: 1,38 %
  8. HanseMerkur: 1,44 %
  9. LVM: 1,58 %
  10. BL die Bayerische: 1,69 %

Die höchsten (vermeintlich "schlechtesten") Quoten

Einige Lebensversicherer weisen dagegen vergleichsweise hohe Verwaltungskostenquoten auf. Doch wie bereits erläutert, bedeutet dies nicht zwangsläufig, dass diese Unternehmen ineffizient arbeiten. Besonders Versicherer mit einer breit gefächerten Produktpalette oder individueller Kundenbetreuung haben naturgemäß höhere Verwaltungskosten. Zudem können Investitionen in Digitalisierung oder organisatorische Umstrukturierungen kurzfristig die Quote erhöhen. Außerdem können kleine Bestände ebenfalls zu Schwankungen und Ausreißern in der Quote führen. Zur besseren Vergleichbarkeit sind hier keine Run-off-Versicherer gelistet:

  • Barmenia: 3,63 %
  • Öffentliche Braunschweig: 3,73 %
  • Axa: 3,85 %
  • Nürnberger: 3,87 %
  • Ideal: 4,32 %
  • HDI: 4,58 %
  • Helvetia: 4,69 %
  • Direkte Leben: 5,75 %
  • LPV: 10,03 %
  • Targo: 11,29 %

Die Verwaltungskostenquoten der Run-off-Versicherer

Run-off-Versicherer nehmen eine besondere Stellung ein, da sie keinen Neuzugang an Verträgen mehr verzeichnen und ausschließlich bestehende Policen verwalten. Dies kann sich negativ auf die Verwaltungskostenquote auswirken, da Fixkosten auf eine schrumpfende Vertragsbasis verteilt werden müssen. Zudem handelt es sich meist um anspruchsvolle Altverträge. Auffallend ist, dass die Verwaltungskosten mittlerweile stark auseinander gehen – es gibt durchaus auch Anbieter mit überdurchschnittlich guten Quoten.

Die Heidelberger zum Beispiel fiel auch schon 2019 mit einer Top-Quote von 1,68 Prozent auf – und hat sich dem gegenüber zwar verschlechtert, befindet sich aber dennoch ungeschlagen auf der Spitzenposition. Wie sich die Unterschiede erklären lassen, kann nur Bestandteil einer umfangreicheren Analyse sein. Die Quoten:

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  1. Heidelberger: 2,30 %
  2. Frankfurt Münchener: 2,38 %
  3. Frankfurter: 2,55 %
  4. Ager Lebensversicherung: 2,67 %
  5. Zurich Life Legacy: 2,96 %
  6. Entis: 3,95 %
  7. Nürnberger Beamten: 4,25 %
  8. Signal Iduna Lebensversicherung a.G.: 4,43 %
  9. Skandia: 4,57 %
  10. BY die Bayerische Vorsorge: 5,56 %
  11. Proxalto: 5,58 %
  12. Athora: 5,63 %
  13. Ergo Lebensversicherung AG: 5,64 %
  14. Victoria: 5,72 %

Hintergrund: Die hier aufgeführten Kennzahlen stammen aus dem MAP-Report 936, dem aktuellen Bilanzrating deutscher Lebensversicherer von Franke und Bornberg. Der kostenpflichtige Bericht bietet detaillierte Einblicke in die Kosten- und Ertragslage der gesamten Lebensversicherungsbranche (einschließlich der Run-off-Gesellschaften) und kann über die Webseite der Rating-Experten bestellt werden. Ergänzend dazu liefert ein aktueller Blog-Beitrag von Franke und Bornberg eine Einordnung der Verwaltungskostenquote und beleuchtet die Hintergründe der jüngsten Entwicklungen.

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