Die Versicherungsbranche steht vor erheblichen Herausforderungen. Die Schaden-Kosten-Quote lag 2023 mit 100,65 Prozent über dem kritischen Bereich, sodass die Einnahmen vieler Komposit-Versicherer nicht ausreichten, um die Kosten zu decken. Besonders betroffen sind die Kfz- und Wohngebäudeversicherung, die weiterhin hohe Verluste verzeichnen. „Im Schnitt über alle Versicherer reichten die Einnahmen nicht mehr, um die Kosten zu decken“, erklärt Dirk Schmidt-Gallas, Senior-Partner und Leiter der globalen Insurance-Practice bei Simon-Kucher. Notwendige Beitragserhöhungen reichten allein nicht mehr aus, um die Profitabilität zu sichern – es braucht tiefgreifende Maßnahmen im Vertrieb, in der Kostenstruktur und im Rabattsystem.

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Eine der größten Stellschrauben sieht Schmidt-Gallas in der Optimierung des Vertriebs über Agenturen. Er empfiehlt eine stärkere Automatisierung, um Vermittlern den Rücken freizuhalten und die Effizienz deutlich zu steigern. „Gerade beim vergleichsweise teuren Vertriebskanal Agentur kommt es jetzt darauf an, die Effizienz auf ein neues Level zu heben“, betont er. Insbesondere die Weiterleitung von Leads, Verwaltungsabläufe sowie das Reporting sollten durch künstliche Intelligenz optimiert werden. Dadurch könnten Vermittler sich stärker auf die Kundenberatung und den Verkauf konzentrieren. „KI-gestützte Analysetools können Vermittlern helfen, schnell die Produkte und Dienstleistungen zu identifizieren, die für den jeweiligen Kunden am sinnvollsten sind“, so Schmidt-Gallas weiter.

Die persönliche Beratung bleibt für viele Versicherungskunden essenziell. Studien von Simon-Kucher zeigen, dass besonders junge Kunden der Generationen Millennials und Gen Z weiterhin auf Vermittler setzen – fast 50 Prozent schließen ihre erste Versicherung über diesen Kanal ab. Dennoch gibt es Optimierungspotenzial, indem Versicherer zentrale Prozesse stärker bündeln. „Um Streuverluste zu vermeiden, sollten Versicherer alle Maßnahmen entlang der Customer Journey zentral steuern. Letztlich muss nicht jede Interaktion mit dem Kunden über die Agentur erfolgen“, erklärt Schmidt-Gallas. Zentralisierte digitale Tools könnten dabei helfen, den Verkaufsprozess effizienter und kundenfreundlicher zu gestalten. Zudem ließe sich durch eine klare Aufgabenverteilung zwischen Agenturen und zentralen Einheiten die Kundenzufriedenheit, gemessen am Net Promoter Score, verbessern.

Ein weiteres Problem seien ineffiziente Rabattstrukturen. Philipp Kaupke, Partner in der globalen Insurance Practice bei Simon-Kucher, sieht hier dringenden Handlungsbedarf. „Rabatte werden von Vermittlern in vielen Fällen noch immer großzügig und ohne einen klaren Plan vergeben. Angesichts des Kostendrucks kann sich das kein Versicherer mehr leisten“, so Kaupke. Um die Profitabilität zu steigern, sollten Versicherer zunächst Transparenz in bestehende Rabattmodelle bringen und veraltete Rabatte überarbeiten. Zusätzlich müsse sichergestellt werden, dass Rabatte nur dort eingesetzt werden, wo sie tatsächlich zur Kundenbindung oder Neukundengewinnung beitragen. Langfristig sollten Versicherer die Anreizsysteme für Vermittler überdenken und Boni für eine zurückhaltende Rabattvergabe mit stabiler Neukundengewinnung einführen.

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