Die Wohngebäudeversicherung steht vor einer doppelten Herausforderung: Einerseits führt der Sanierungsstau im Gebäudebestand zu erhöhten Reparaturkosten, andererseits verstärken die Auswirkungen des Klimawandels die Häufigkeit und Intensität von Schäden. Diese Entwicklungen haben direkte Konsequenzen für die Beiträge der Versicherungsnehmer.

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Sanierungsstau im Gebäudebestand

In Deutschland beträgt die jährliche Sanierungsquote im Gebäudebestand lediglich 0,83 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt eine vom Bundesverband energieeffiziente Gebäudehülle (BuVEG) in Auftrag gegebene Marktdatenstudie. Laut BuVEG müsste die Sanierungsquote um einen Faktor 2,3 bis 2,5 verbessert werden, um unter anderem auch die Klimaziele einzuhalten. Zudem würden sich rund 30 Prozent aller Wohngebäude in einem energetisch unzureichenden Zustand befinden und verbrauchten somit circa 50 Prozent der Energie.

Diese unzureichende Sanierung führt jedoch nicht nur zu einem energetisch unzureichenden Zustand, sondern auch zu einem erhöhten Risiko von Bauschäden. Veraltete Dächer, undichte Fenster und mangelnde Dämmung begünstigen Schäden durch Witterungseinflüsse. Die daraus resultierenden höheren Reparaturkosten schlagen sich direkt in den Schadenbilanzen der Versicherer nieder. Hinzu kommen durch Inflation und deutliche höhere Materialkosten.

Einfluss des Klimawandels

Der Klimawandel manifestiert sich in einer Zunahme von Extremwetterereignissen wie Starkregen, Stürmen und Überschwemmungen. Diese Ereignisse verursachen erhebliche Schäden an Gebäuden. Das zeigt sich am Beispiel des Rekordjahres bei den Schäden durch Naturgefahren: 2021 - im Jahr der Hochwasserkatastrophe im Ahr- und Erfttal - beliefen sich die versicherten Schäden durch Naturgefahren auf insgesamt 15,9 Milliarden Euro. Im vergangenen Jahr summierten sich die versicherten Schäden auf 5,5 Milliarden Euro.

Die steigende Frequenz solcher Ereignisse führt zu einer höheren Schaden-Kosten-Quote bei den Versicherern. Liegt diese Quote über 100 %, bedeutet dies, dass das Unternehmen mit diesem Versicherungsgeschäft Verlust macht. Die Wohngebäudeversicherung bleibt in einer schwierigen Lage. Zwar konnte die Combined Ratio der Branche 2023 erstmals seit Jahren unter 100 Prozent gedrückt werden. Doch noch immer schreibt die halbe Branche rote Zahlen. Die erkämpfte Stabilität wirkt fragil.

Um die hohen Schadenaufwendungen auszugleichen, haben die Versicherer ihre Beiträge deutlich angehoben. Die gebuchten Bruttoprämien stiegen 2023 um 16,5 Prozent auf 224,82 Millionen Euro. Auch die Durchschnittsprämie pro Vertrag legte spürbar zu: von 556,98 Euro im Jahr 2022 auf 649,38 Euro in 2023 – ein Plus von 16,6 Prozent oder 92,40 Euro je Vertrag. Dieser Anstieg wirkt umso gravierender, wenn man die langfristige Entwicklung betrachtet. 2018 lag die Durchschnittsprämie pro Vertrag noch bei vergleichsweise moderaten 420,72 Euro. Innerhalb von fünf Jahren entspricht das einer Erhöhung um rund 54 Prozent.

Handlungsbedarf für Versicherer und Eigentümer

Die Kombination aus Sanierungsstau und Klimawandel führt zu einem Anstieg der Schadenssummen. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, sind sowohl Versicherer als auch Hauseigentümer gefordert. Versicherer sollten präventive Maßnahmen fördern und Anreize für Sanierungen schaffen. Hauseigentümer wiederum müssen in die Instandhaltung und Modernisierung ihrer Immobilien investieren, um das Risiko von Schäden zu minimieren und langfristig bezahlbare Versicherungsbeiträge zu sichern.

„Ohne Prävention könnte das breite Versicherungsangebot, wie wir es heute kennen, in Zukunft schrumpfen“, prognostizierte Mathias Kleuker, Vorsitzender des GDV-Präsidialausschusses Risikoschutz in Gesellschaft und Wirtschaft mit Blick auf die Folgen des Klimawandels bereits vor zwei Jahren. Einige Versicherer könnten früher oder später dazu gezwungen sein, das Geschäft aufzugeben, weil sie die entsprechenden Risiken nicht mehr tragen können. Doch auch Versicherten drohen ernste Folgen, warnte Jörg Asmussen, GDV-Hauptgeschäftsführer: „Wenn wir Prävention und Klimafolgenanpassung nicht konsequent umsetzen, könnte es in Deutschland nach unseren Schätzungen allein infolge der Klimaschäden innerhalb der nächsten zehn Jahre zu einer Verdopplung der Prämien für Wohngebäudeversicherungen kommen.“

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