Der klagende Versicherungsnehmer hatte Ende 2014 Beratungsleistungen von der beklagten Versicherungsmaklerin bezüglich seiner privaten Krankenversicherung in Anspruch genommen. Dabei hatte er ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er einen günstigeren, aber leistungsgleichen Krankenversicherungstarif wünsche. Tatsächlich beinhaltete das von der Versicherungsmaklerin vermittelte Angebot deutlich günstigere Beiträge, dafür umfasste es aber auch nicht die im bisherigen Krankenversicherungsvertrag des Versicherungsnehmers enthaltenen Wahlleistungen. Dies bemerkte der Versicherungsnehmer erst etwa fünf Jahre nach dem Wechsel in den vermittelten Krankenversicherungsvertrag.

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Daraufhin schloss der Versicherungsnehmer einen weiteren Krankenversicherungsvertrag ab, der nunmehr zwar die gewünschten Wahlleistungen enthielt, für den jedoch höhere Beiträge fällig wurden als für seinen ursprünglichen Krankenversicherungsvertrag. Der Versicherungsnehmer klagte nun auf Feststellung der Schadenersatzpflicht der Versicherungsmaklerin. Dagegen erhob die beklagte Versicherungsmaklerin unter anderem die Einrede der Verjährung. Das Amtsgericht Werl hielt die Einrede der Verjährung für durchgreifend und hatte die Klage zunächst abgewiesen.

Dr. Thiemo Schäfer, Rechtsanwalt und Partner bei der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Forvis Mazars in Köln. Der Jurist leitet die dortige Praxisgruppe Dispute Resolution/ Litigation.Das Landgericht Arnsberg sah dies nun anders und gab dem klagenden Versicherungsnehmer vollumfänglich Recht (Az.: 3 S 66/23): Das Gericht entschied, dass dem klagenden Versicherungsnehmer ein Schadensersatzanspruch gegen die beklagte Versicherungsmaklerin aufgrund einer vorvertraglichen (Beratungs-)Pflichtverletzung zustehe. Eine solche hielt das Gericht angesichts der unterlassenen Aufklärung über den geringeren Leistungsumfang der neuen Krankenversicherung unproblematisch für gegeben.

Interessant sind die Ausführungen des Gerichts zur Verjährung: Für die von dem Versicherungsnehmer geltend gemachten Schadenersatzansprüche gilt die Regelverjährungsfrist von 3 Jahren. Diese beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Es stellte sich also zunächst die Frage, wann der Anspruch im vorliegenden Fall entstanden ist.

Das Gericht stellte diesbezüglich auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses im Jahr 2015 ab, weil der Kläger diesen Vertrag nicht abgeschlossenen hätte, wenn er von dem geringeren Leistungsumfang Kenntnis gehabt hätte. Im Jahr 2015 hatte der klagende Versicherungsnehmer den geringeren Leistungsumfang aber noch nicht bemerkt. Daher hatte das Gericht die Frage zu beantworten, ob der Versicherungsnehmer von dem geringeren Leistungsumfang zu diesem Zeitpunkt ohne grobe Fahrlässigkeit hätte Kenntnis erlangen müssen.

Dies ist der Knackpunkt des Falls: Nach Auffassung des Gerichts genügte es zur Annahme grob fahrlässiger Unkenntnis von dem geringeren Leistungsumfang nicht, dass der Versicherungsnehmer – bei genauem Hinschauen – auf seiner Versichertenkarte hätte erkennen können, dass Wahlleistungen von dem Versicherungstarif nicht umfasst sind, da die entsprechenden Felder mit „-“ gekennzeichnet waren. Eine Pflicht des Versicherten, die Angaben auf der Versichertenkarte nach deren Übersendung konkret zu prüfen, sah das Gericht jedenfalls nicht. Eine grob fahrlässige Unkenntnis von dem geringeren Leistungsumfang ließ sich nach Auffassung des Gerichts auch nicht damit begründen, dass der Versicherungsnehmer das Fehlen der gewünschten Wahlleistungen auf dem Versicherungsschein nicht bemerkt hatte. Auch die deutlich geringeren Beiträge ließen nach Auffassung des Gerichts keinen zwingenden Schluss auf den geringeren Leistungsumfang zu. Schließlich komme hinzu, dass sich der Versicherungsnehmer gerade einer Versicherungsmaklerin bedient habe und sich gerade nicht selbst einen Überblick über die angebotenen Tarife verschafft habe.

Zwar legt die Rechtsprechung für die Haftung des Versicherungsmaklers grundsätzlich einen sehr strengen Maßstab an. Gleichwohl erscheint die vorliegende Entscheidung des LG Arnsberg außergewöhnlich versicherungsnehmerfreundlich. So hatte z.B. das OLG Zweibrücken eine vergleichbare Konstellation unlängst noch völlig anders entschieden und hielt – anders als das LG Arnsberg in der vorliegenden Entscheidung – sogar die Lektüre des Versicherungsscheins für erforderlich: „Den Versicherungsschein zu lesen, lag nicht nur auf der Hand, sondern war ersichtlich im ureigenen Interesse auch geboten. Die Informationen waren dem Kläger leicht zugänglich; den Versicherungsschein unbeachtet zu lassen, stellt ein erhebliches Verschulden gegen sich selbst dar. Der Senat würdigt die Nichtzurkenntnisnahme dieser Informationen als grob fahrlässig“ (Urteil vom 25.10.2023 – 1 U 43/23, Rn. 24). Sollte sich die Rechtsprechung des LG Arnsberg durchsetzen, resultiert daraus für Versicherungsmakler jedenfalls ein erhebliches Risiko von Spätschäden.

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