Fast erwartungsgemäß ging die erste Verhandlungsrunde zwischen der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und dem Arbeitgeberverband der Versicherungsunternehmen in Deutschland (AGV) ohne eine Einigung aus. Denn es dürfte auch in den diesjährigen Tarifverhandlungen ein zäher Kampf anstehen.

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Schließlich hatte Ver.di im Vorfeld recht sportliche Forderungen gestellt. Konkret fordert die Tarifkommission für die rund 183.000 Beschäftigten im Innendienst der privaten Versicherungswirtschaft, dass die Gehälter inklusive Zulagen um zwölf Prozent angehoben werden. Nicht über mehrere Jahre gestreckt, wie es oft bei früheren Tarifverträgen der Fall war, sondern binnen einer Zwölfmonats-Frist. Zudem soll die Auszubildendenvergütung für alle Ausbildungsjahre ebenfalls um 250 Euro steigen. Doch nicht nur monetäre Aspekte bringt die Gewerkschaft in die Tarifrunde ein: auch Arbeitszeit und -organisation werden die Gespräche bestimmen. Auch soll eine unbefristete Übernahme der Auszubildenden tariflich vereinbart werden. Die Möglichkeit, Gehaltsbestandteile flexibel in Freizeit umzuwandeln, soll bestehen bleiben, ebenso wie die tariflichen Regelungen zur Altersteilzeit. Darüber hinaus strebt ver.di einen neuen Tarifvertrag an, der die Interessen der Beschäftigten bei den Veränderungen durch Digitalisierung und Künstliche Intelligenz (KI) wahrt.

Im Zentrum der ersten Verhandlungsrunde stand grundlegend der Meinungsaustausch über die volkswirtschaftlichen Rahmendaten und die Entwicklung der verschiedenen Sparten der Versicherungswirtschaft. Konkret sei dabei einzuordnen, ob der erwartete Beitragswachstum von 5 Prozent in diesem Jahr eine geeignete Grundlage für die Bemessung der linearen Anhebung der Tarifgehälter sei. Während die Gewerkschaftsvertreter ihre Lohnforderung damit begründeten, dass die Tarifabschlüsse 2022 zu einem Reallohnverlust der Beschäftigten in der Versicherungswirtschaft von 8,1 Prozent in drei Jahren geführt hätten und die gefühlte Inflation wegen der überproportionalen Preissteigerung bei Wohnen und Lebensmitteln noch deutlich höher gewesen sei, hielt die Arbeitgeberseite entschieden dagegen. Demnach gebe es beispielsweise in der Lebensversicherung kein Wachstum der laufenden Beiträge. Lediglich das äußerst volatile Einmalbeitragsgeschäft würde sich momentan positiv entwickele. In der Schaden- und Unfallversicherung würden viele Bereiche eine defizitär arbeiten. Schaden-Kosten-Quoten von über 100 Prozent seien keine Seltenheit. So weise der Bereich der Vollkasko eine Combined Ratio von 116 Prozent auf. Zudem explodierten in der Privaten Krankenversicherer die Leistungsausgaben, insbesondere im Krankenhaus- und Pflegebereich. Auch stünden viele Versicherungsunternehmen vor großen Investitionen in die IT-Infrastruktur und die Weiterbildung der Mitarbeiter.

Neben der Einordnung der Grundlage für eine Basis des neuen Tarifabschlusses standen folgende Forderungen der Gewerkschaft auf der Tagesordnung:

  • Anhebung der Gehälter um 12 %
  • Anhebung aller Zulagen und Schichtzulagen um 12 %
  • Überproportionale Anhebung der unteren Tarifgruppen als soziale Komponente
  • Laufzeit des neuen Tarifvertrages: 12 Monate
  • Verdoppelung des tariflichen Fahrtkostenzuschusses gemäß § 2 Gehaltstarifvertrag auf 40 € für Angestellte und 50 € für Auszubildende
  • Anhebung der Ausbildungsvergütungen, 250 € mehr für jedes Ausbildungsjahr
  • Verlängerung und Verbesserung (unbefristete Übernahme) der Tarifvereinbarung zur Übernahme von Auszubildenden
  • Freie Tage zur Prüfungsvorbereitung für Auszubildende vor der GAP I und GAP II
  • Entfristung und Verbesserung des Tarifvertrages Qualifikation
  • Aufnahme von Verhandlungen zu einem Tarifvertrag Transformation
  • Anpassung von § 15 Ziff. 6 Manteltarifvertrag, um das Weiterbestehen des Arbeitsverhältnisses bei Bezug einer Teilrente zu regeln
  • Digitales Zugangsrecht von ver.di in die Betriebe
  • Vereinbarung zur Anpassung der Tarifgruppen A und B bei steigendem Mindestlohn

Die Arbeitgeberseite bezeichnete die Forderungen jedoch als deutlich zu hoch. Arbeitgeber-Verhandlungsführer Andreas Eurich erklärte hierzu, ein Tarifabschluss von nur 12 Monaten sei keine Option. Der AGV schlage eine deutlich längere Laufzeit vor. Mehrere Mitglieder der Verhandlungskommission warben in der Diskussion für einen moderaten Tarifabschluss. Die private Krankenversicherung erhalte nach wie vor keinen Rückenwind aus der Politik, beispielsweise durch das Hamburger Modell. In der Sachversicherung würden sich die Schäden bis 2050 wahrscheinlich verdoppeln. Die Lebensversicherung leide unter steigenden Verwaltungskosten, die unter anderem durch fordernde Regulatorik bedingt seien.

Der AGV brachte folgende Forderungen nach Änderung des Manteltarifvertrages in die Verhandlungen ein:

  • Flexibilisierung der tariflichen Arbeitszeitregelung für ÜT+20 %-Angestellte
  • Tarifvertragliche Ruhezeitverkürzung bei Rufbereitschaft (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 Arbeitszeitgesetz)
  • Modifizierung der Öffnungsklausel für Entgeltumwandlungen in § 3 Ziff. 6 MTV
  • Streichung der Rentenabschlagsausgleichsregelung in § 2 Abs. 9 Altersteilzeitabkommen Innendienst und Außendienst

Die Verhandlungen sollen am 28. April 2025 in Frankfurt am Main fortgesetzt werden. Die Verhandlungskommission des AGV kündigte an, zu Beginn dieser zweiten Verhandlungsrunde ein tragfähiges Angebot vorzulegen.

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