Vertrieb im KI-Dämmerzustand: Unternehmen verschenken Potenzial
Virtuelle KI-Agenten könnten den Vertrieb revolutionieren – doch viele Unternehmen zögern. Wie stark das Potenzial noch unterschätzt wird, zeigt eine neue Studie. Zwischen punktuellem Einsatz und fehlender Strategie bleibt der Wandel oft aus. Dabei drängt die Zeit – denn der Wettbewerb schläft nicht.

- Vertrieb im KI-Dämmerzustand: Unternehmen verschenken Potenzial
- Versicherungsbranche als Frühindikator
Virtuelle KI-Agenten gelten als nächster Gamechanger im Kundenkontakt. Doch während die Technologie rasant reift, zeigt sich die Unternehmenspraxis vielerorts zurückhaltend. Gerade im Vertrieb bleiben die Möglichkeiten von GenAI bislang deutlich unter ihren Möglichkeiten – das zeigt die aktuelle Studie „Disruptive Potenziale – wie generative KI Geschäftsmodelle neu definiert“ von Sopra Steria und dem F.A.Z.-Institut. Dafür wurden 189 Entscheider aus deutschen Unternehmen befragt.
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Zwischen Skepsis und Hoffnung
Zwar setzen rund 40 Prozent der Befragten generative KI bereits im Marketing ein, doch nur 31 Prozent tun dies auch im Vertrieb. Und: Ganze 75 Prozent der Entscheider sind skeptisch, ob sie bis 2028 mit GenAI neue Kundengruppen erschließen können. Die kurzfristige Erwartungshaltung ist also gedämpft – auch weil interne Voraussetzungen, Ressourcen und Prozesse vielfach fehlen.
Gleichzeitig blicken viele strategisch weiter: 65 Prozent erwarten, dass sie mit GenAI langfristig Zugang zu bislang unerschlossenen Zielgruppen erhalten. 42 Prozent rechnen mit neuen oder alternativen Vertriebskanälen. Das zeigt: Das Potenzial wird durchaus gesehen – doch es fehlt der Glaube, dass es sich kurzfristig realisieren lässt.
Potenzial ja – Plan nein
Dabei ist das technische Fundament längst gelegt. GenAI-Agenten können heute unstrukturierte Daten aus sozialen Medien, Suchverhalten oder Bestellhistorien analysieren und daraus hyperpersonalisierte Produktempfehlungen ableiten – passgenau zur jeweiligen Kaufphase. Auch der Kundenservice profitiert: KI-Dialogsysteme kombinieren generatives Textverständnis mit situativem Verhalten und ermöglichen fallabschließende Antworten in natürlicher Sprache.
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Technologischer Rückstand ist also nicht das Problem. Vielmehr mangelt es an der unternehmensweiten Integration und einer klaren strategischen Verankerung. Viele Unternehmen testen zwar Pilotprojekte, verpassen aber die Einbindung in übergeordnete Vertriebsprozesse. Folge: Mitarbeitende werden nicht entlastet, Zusatzgeschäft bleibt aus – und die Investition rechnet sich nicht.
Versicherungsbranche als Frühindikator
Gerade in der Versicherungswirtschaft wird deutlich, wie stark GenAI nicht nur Prozesse beschleunigt, sondern auch etablierte Vertriebsmodelle infrage stellt. Dr. Thorsten Voith von Voithenberg, Head of Insurance bei Sopra Steria Next, bringt es auf den Punkt:
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„GenAI verändert die Versicherungsbranche, vor allem im Vertrieb. Das zeigt sich insbesondere im Geschäftsmodell der Vermittler sowie in der Zusammenarbeit zwischen Versicherern und Maklern. Pools und größere Vertriebe werden durch Effizienz und technologische Unterstützung weiter an Einfluss gewinnen, Mehrfachagenten rücken zunehmend in den Fokus.“
Vor diesem Hintergrund geraten viele Versicherer unter Zugzwang: Sollen sie Plattformanbieter gezielt stärken? Eigene KI-Lösungen zur Maklerbindung entwickeln? Oder gebundene Vermittler zu hybriden Mehrfachagenten umbauen? Was heute wie eine Frage der Struktur erscheint, kann morgen über Marktzugang und Vertriebskraft entscheiden.
Die Aufgabe: Potenzial in der Praxis nutzen
GenAI ist kein Zukunftsthema mehr, sondern längst ein betrieblicher Realitätscheck. Wer neue Kundengruppen erschließen, Vertriebskosten senken und die Qualität der Kundenbeziehung steigern will, kommt um die Integration intelligenter Agenten nicht mehr herum. Entscheidend ist nicht, ob die Technologie reif ist – sondern ob Unternehmen bereit sind, ihre Vertriebslogik neu zu denken.
Noch allerdings überwiegt vielerorts das Effizienzdenken. Nur 15 Prozent der Befragten halten es für möglich, dass GenAI heutige Geschäftsmodelle grundsätzlich infrage stellt. Dabei zeigen andere Zahlen: 68 Prozent der angehenden Nutzer erwarten große Veränderungen beim internen Wissensmanagement – ein klarer Hinweis auf das disruptive Potenzial intelligenter Assistenzsysteme.
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Ein nicht zu unterschätzender Hebel liegt zudem auf der Führungsebene: 63 Prozent der Befragten sind laut Studie überzeugt, dass Führungskräfte GenAI-Kompetenz aufbauen müssen – sonst gehören sie in fünf Jahren nicht mehr zur C-Ebene. Der Veränderungsdruck kommt also nicht nur von außen, sondern auch von innen. Die nächste Phase gehört denen, die nicht nur experimentieren, sondern konsequent skalieren.
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- Versicherungsbranche als Frühindikator