Wirtschaftswissenschaftler warnen vor Rentenplänen von Union und SPD
28 führende Ökonomen fordern ein Umdenken von Union und SPD beim Thema Rente. Denn deren Rentenpläne seien teuer, ungerecht und gefährdeten die Generationengerechtigkeit. Die Reformzeit drängt, warnen die Wirtschaftswissenschaftler.

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In einem gemeinsamen Brandbrief an die Parteichefs von CDU, CSU und SPD fordern 28 prominente Wirtschaftswissenschaftler ein Umdenken in der Rentenpolitik. Anlass sind die bisherigen Ergebnisse der Koalitionsgespräche zwischen Union und SPD, die unter anderem die Beibehaltung der „Rente mit 63“, eine Stabilisierung des Rentenniveaus und eine weitere Ausweitung der Mütterrente vorsehen. Diese Pläne seien nicht nur teuer, sondern auch sozialpolitisch fragwürdig. Zudem seien die Pläne vor allem ein Schlag ins Gesicht der jungen Generation. Darüber berichtete zuerst die "Süddeutsche"
Unterzeichnet ist das Schreiben unter anderem von den renommierten Wirtschaftsweisen Monika Schnitzer, Veronika Grimm, Ulrike Malmendier und Martin Werding. Unterstützung kommt auch von RWI-Präsident Christoph M. Schmidt und Marcel Thum vom Ifo-Institut Dresden. Ihre Botschaft ist eindeutig. Die geplanten Rentenreformen seien finanziell nicht tragbar. Allein die Stabilisierung des Rentenniveaus würde laut Berechnungen in den kommenden 20 Jahren zusätzliche 520 Milliarden Euro kosten. In der Konsequenz daraus müssten die Beitragssätze in der Rentenversicherung massiv steigen.
Auch die geplante Ausweitung der Mütterrente sehen die Experten kritisch. Mit jährlichen Zusatzkosten von 4,5 Milliarden Euro belastet sie die Rentenkasse zusätzlich. Dies ginge zulasten der Beitragszahler. Die Ökonomen fordern daher, auf kostspielige Leistungsausweitungen zu verzichten und stattdessen das Renteneintrittsalter dynamisch an die Lebenserwartung zu koppeln. Nur so sei eine generationengerechte Finanzierung langfristig gesichert.
Die Wissenschaftler warnen eindringlich, dass diese Legislaturperiode womöglich die letzte Chance sei, einen gerechten Ausgleich zwischen Rentenempfängern und Beitragszahlern zu schaffen. Jetzt sei die Politik gefragt, Verantwortung zu übernehmen und nicht mit populären, aber teuren Rentenversprechen auf Stimmenfang zu gehen.
Es ist nicht das erste Mal, dass sich die Top-Ökonomen zum Thema Rente äußern. Zuletzt hatte die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer appelliert, einen stärkeren Fokus auf die Rentenreform zu legen. Denn mit dem Renteneintritt der Babyboomer-Generation steht die gesetzliche Rentenversicherung vor immensen finanziellen Herausforderungen. Das Verhältnis von Beitragszahlern zu Rentenbeziehern verschlechtert sich rapide – von derzeit etwa 3:1 auf voraussichtlich 2:1 in den kommenden Jahren. Resultierend daraus würd ein immer größerer Anteil des Bundeshaushalts benötigt, um die Rentenkasse zu stützen. Schon jetzt fließt rund ein Viertel der Haushaltsmittel in die Rentenversicherung, mit weiter steigender Tendenz. "Wenn wir unseren Haushalt stabilisieren wollen, dann müssen wir was tun. Mit jeder Verzögerung einer Rentenreform wird das immer teurer", so Schnitzer.
Kritik an der politischen Zurückhaltung
Trotz der bekannten Probleme zeigt sich Schnitzer enttäuscht über die mangelnde Bereitschaft der Politik, grundlegende Reformen anzupacken. Der Grund: Angst vor Wählerverlusten. „Leider hat sich seit meiner Tätigkeit im Sachverständigenrat durch den Kontakt zu vielen politischen Entscheidungsträger:innen mein Eindruck verfestigt, dass alle vor ernsthaften Reformen zurückscheuen, aus Sorge, die Wählergunst zu verlieren“, sagte die Vorsitzende des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung in einem Interview in der Fachzeitschrift "Aktuar Aktuell" von der Deutschen Aktuarvereinigung. Diese Zurückhaltung gefährdet aus ihrer Sicht die langfristige Stabilität des Systems und verstärkt die Belastungen für die jüngeren Generationen.