Die Zahl der Beschwerden beim Versicherungsombudsmann ist im Jahr 2024 deutlich um 18,6 Prozent gestiegen. Rund 21.500 Fälle wurden im vergangenen Jahr eingereicht. Insgesamt habe die Schlichtungsstelle der Versicherungswirtschaft 15.659 zulässige Beschwerden erhalten. Doch für Sibylle Kessal-Wulf, seit 2024 Ombudsfrau der Versicherungsbranche, ist das kein Grund zur Sorge. Vielmehr sieht sie in dem Anstieg ein Zeichen gestiegener Bekanntheit und gestärkten Vertrauens in die Institution. Ein Grund für den Anstieg sei auch die gestiegene Anspruchshaltung der Versicherten. In Zeiten digitaler Sofortkommunikation erwarteten viele eine ebenso schnelle Abwicklung im Schadensfall. Bleibe eine Antwort aus oder verzögere sich eine Reparaturfreigabe, sei der Schritt zur Beschwerde oft nicht weit.

Anzeige

Insbesondere Rechtsanwälte nutzten zunehmend die Möglichkeit zur außergerichtlichen Einigung, um für ihre Mandanten schnell und ohne Prozesskosten zu einem Ergebnis zu kommen. Rund zehn Prozent aller Fälle erfolgten inzwischen unter anwaltlicher Begleitung. "Die Schlichtung hat sich zu einem Erfolgsmodell entwickelt. Für Versicherungsnehmer ist sie eine gute Möglichkeit, kostenfrei und letztlich ohne Risiko Streitfälle beizulegen. Etwa 80 Prozent unserer Fälle liegen unter einem Streitwert von 5.000 Euro", unterstreicht Ombudsfrau Kessal-Wulf im Interview mit dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft.

Zunehmend würden aber auch Versäumnisse im Kundenservice der Versicherer zum Auslöser für Beschwerden. „Die Fälle sind noch überschaubar. Es ist aber eine zunehmende Tendenz, dass Versicherungsnehmer ihre Beschwerde allein darauf stützen, dass sie keinen Kontakt zu ihrem Anbieter bekommen. Dass sie länger auf Antworten warten müssen, zum Beispiel nach einem Verkehrsunfall, wenn es um die Reparaturfreigabe geht“, skizziert die Ombudsfrau.

Auch bei der Bearbeitung von Schlichtungsanträgen gäbe es eine gewisse Verlangsamung auf Seiten der Unternehmen. Gründe dafür sieht Kessal-Wulf vor allem in der angespannten Personalsituation vieler Versicherer, gepaart mit hohen Krankenständen. Das sei jedoch ein Problem der kompletten Branche.

Nach einem Jahr im Amt zieht Kessal-Wulf ein insgesamt positives Fazit. Überraschend für die frühere Zivilrichterin sei die hohe Erfolgsquote bei den Schlichtungen gewesen: „Wenn man die Lebensversicherung herausnimmt, die wegen ihrer Komplexität eigenen Regeln folgt, liegen wir bei rund 50 Prozent“ - Für sie ist das ein Beleg für die Relevanz und Wirksamkeit der Schlichtungsstelle.