"Statt Alters-Vorsorge droht der Jugend eine Vorsorge-Illusion"
Gestern wurden die Ergebnisse der Studie "Jugend, Vorsorge, Finanzen - Herausforderung oder Überforderung?" in Berlin vorgestellt. Professor Klaus Hurrelmann, der die Studie leitete, bezeichnete die gewonnenen Erkenntnisse als "sehr ernüchternd und beunruhigend."
"Die vor zehn Jahren eingeleitete große Reform der Alterssicherung durch mehr Eigenbeteiligung ist nicht bei den jungen Leuten angekommen. Die Mehrzahl der befragten Jugendlichen und jungen Erwachsenen steuert ungewollt auf die Altersarmut zu. Sie sind zur Zukunftssicherung bereit, verstehen aber die komplizierten Regelungen nicht“, erklärte Professor Klaus Hurrelmann die Ergebnisse der Studie.
Für die vom Versorgungswerk der Metall- und Elektroindustrie MetallRente in Auftrag gegebene Untersuchung wurden deutschlandweit 2.500 Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 17 bis 27 Jahren befragt. Die Untersuchung wurde von TNS Infratest Sozialforschung durchgeführt.
Die entscheidende Frage lautete: Kann und will die junge Generation den von der Politik eingeleiteten Systemwechsel – von der vorrangig öffentlichen Sicherung des Lebensstandards im Alter zu einer deutlichen Erhöhung des persönlichen Anteils an dieser Sicherung – annehmen, kann sie ihm gerecht werden oder überfordert er sie?
Heribert Karch, Geschäftsführer von MetallRente, fasst das besorgniserregende Ergebnis der Untersuchungen zusammen: „Die Studie belegt: Die Jugend ist die Hauptrisikogruppe des demografischen Wandels. Wir sollten die Befragungsergebnisse unbedingt zur Kenntnis nehmen und uns der Herausforderung stellen, zügig und ernsthaft eine Debatte über Konsequenzen zu führen.“
Die Studie zeigt, dass die junge Generation ihre Lage sehr realistisch sieht und mit ihr verantwortlich umgeht. Klaus Hurrelmann: „Die Jugend nimmt die Herausforderung der privaten Vorsorge mental an, jedoch merkt ein großer Teil von ihr: Wir werden das nicht packen.“
Andererseits kann durch die Untersuchung belegt werden, dass die Generation der heute 17- bis 27- Jährigen eine leistungsorientierte Generation ist, die sich von pragmatischem Optimismus leiten lässt. Extrem mobil und flexibel, bleibt in ihrem Weltbild zusätzlich noch Raum für Gemeinsinn, Hilfsbereitschaft und gesellschaftliche Verantwortung. Diese, so bestätigen die Befragungsergebnisse, erwartet sie allerdings auch von der Politik. Selbst bereit, eigenes Geld in die Altersvorsorge zu investieren, hofft sie, dass der Staat auch künftig eine sozial ausgleichende Rolle spielen wird.
Der Blick der Jugend auf die Eigenvorsorge ist zum einen eher notwendigkeits- als chancenmotiviert, zum anderen von starken sozialen Spaltungen geprägt. „Die Befürchtung ist verbreitet“, so Hurrelmann, “im Alter nur eine Mindestversorgung zu erhalten, ganz besonders bei jungen Frauen und in der einfachen Schicht.“
Auch Berechnungen des Versorgungswerks MetallRente bestätigen dieses Ergebnis: „Viel zu wenige Jugendliche sorgen vor “, so Karch. „Noch weniger dynamisieren ihre Beiträge in angemessener Höhe. Die Beiträge, die eingezahlt werden, sind zu niedrig. Wenn die Beteiligung nicht erheblich beschleunigt wird, ist die Entwicklung in Deutschland absehbar: Statt ausreichender Alters-Vorsorge droht der Jugend eine Vorsorge-Illusion.“
Als gravierend bewertete Hurrelmann auch die Diskrepanz zwischen vermeintlichem und faktischem Wissen über Fragen der Altersversorgung. Etwas mehr als die Hälfte der Jugendlichen schreibe sich gute bis sehr gute Kenntnisse in Finanzfragen zu.
Ernüchternd seien allerdings die tatsächlich festgestellten Kenntnisse. „Nicht einmal die Hälfte der Jugendlichen, die bereits eine betriebliche Altersvorsorge haben, trauen sich zum Beispiel zu, diesen Begriff auch zu erklären.“
Welche Schlussfolgerungen können aus den Ergebnissen der Studie gezogen werden? Klaus Hurrelmann: „Eine ganz wesentliche Schlussfolgerung ist, dass die Kompetenz Jugendlicher in Finanzdingen und in Fragen der Altersvorsorge dringend gestärkt werden muss“. Die Themen Wirtschaft und Finanzen müssten dementsprechend in der Schule eine viel größere Rolle spielen.
Traditionell seien sie im Bildungskanon der meisten Schulen nicht enthalten. Bis heute seien „Schulen faktisch ein wirtschaftsfreier Raum“. Heribert Karch ergänzt: „Nicht nur das Wissen über die Altersversorgung ist zu gering.
Zudem sind die gesetzlichen Regeln für die zusätzliche Altersversorgung in Deutschland viel zu kompliziert, als dass die Schule alleine dies ausgleichen könnte. Für die Nutzer – Arbeitgeber wie Arbeitnehmer - muss das System deutlich einfacher werden.“
MetallRente-Geschäftsführer Karch fasst zusammen: „De facto erwartet die junge Generation von der Gesellschaft einen Nachhaltigkeitspakt für die Vorsorge, sie möchte Hilfe zur Selbsthilfe. Darin sollten wir als Verantwortliche eine Herausforderung sehen.“
Teil I der Studie im PDF-Format
Teil II der Studie im PDF-Format
Komplette Studie beim Campus-Verlag (Bestellmöglichkeit; 14,90 Euro)