"Doppelte Dividende" mit Finanztransaktionssteuer
Das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) hat die möglichen Folgen einer Finanztransaktionssteuer untersucht. Spekulationen könnten eingeschränkt; Milliardeneinnahmen verzeichnet werden.
Mit der Einführung einer Finanztransaktionssteuer könne die Politik in Deutschland und Europa eine "doppelte Dividende" erzielen. Zum einen liessen sich schon durch eine moderate Besteuerung extrem kurzfristige und spekulative Finanzgeschäfte eindämmen, während gesamtwirtschaftlich sinnvolle Transaktionen nur wenig tangiert würden.
Das würde die Finanzmärkte beruhigen und stabilisieren, Übertreibungen, wie sie in den vergangenen Wochen zu beobachten waren, würden unwahrscheinlicher.
Zum anderen könnte die Steuer mit einem geschätzten jährlichen Aufkommen von rund 17 bis 36 Milliarden Euro allein in Deutschland dafür sorgen, dass auch Finanzmarktakteure einen ersten nennenswerten Beitrag zur Bewältigung der internationalen Finanz- und Wirtschaftskrise leisten.
Zu diesem Ergebnis kommt das Institut für Markoökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.
Eine Finanztransaktionssteuer sei gut mit einer Bankenabgabe kombinierbar, wirke aber zielgerichteter gegen Spekulationen. "Aus technischer Sicht wäre die Umsetzung einer Finanztransaktionssteuer unproblematisch", schreiben die Wissenschaftler in ihrer Stellungnahme für die heute stattfindende Anhörung des Deutschen Bundestages.
In der Analyse, die auch als IMK Policy Brief erscheint, umreißen die IMK-Experten Prof. Dr. Gustav A. Horn und Dr. Till van Treeck die Steuerungs- und Einnahmewirkung einer Steuer auf Finanztransaktionen.
Laut Schätzungen des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung (WIFO) würde ein moderater Steuersatz von 0,05 Prozent auf alle Finanztransaktionen in Deutschland ein jährliches Aufkommen von 0,7 bis 1,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) erzeugen.
Das sind rund 17 bis 36 Milliarden Euro. Für die gesamte EU rechnet das WIFO mit Einnahmen zwischen 0,9 und 2,1 Prozent vom BIP. In absoluten Zahlen entspricht das einem Aufkommen von etwa 110 bis 250 Milliarden Euro.
Gesamtwirtschaftlich nützliche Transaktionen wie die Ersparnisbildung zur Altersvorsorge würden bei einem geringen Steuersatz nur wenig belastet, betonen Horn und van Treeck: "Die Finanztraktionssteuer ist eine Bagatellsteuer, die nur bei sehr hohen und kurzfristigen Umsätzen signifikant ins Gewicht fällt."
Derartig "hochfrequente" Handelsgeschäfte, so die Forscher, werden von Hedge Fonds und Investmentbanken dominiert, sind häufig hoch automatisiert und ein Faktor der Instabilität: "Es ist empirisch mittlerweile gut belegt, dass automatisierte Handelsstrategien auf Grundlage der "technischen Analyse´ zu längerfristigen und realwirtschaftlich schädlichen Verzerrungen von Aktien-, Devisen- oder Rohstoffpreisen führen."
Die Wissenschaftler des IMK gehen ebenso wie die WIFO-Experten davon aus, dass eine europäische Finanztransaktionssteuer in mehreren Etappen eingeführt werden kann, zunächst für börsengehandelte Spot- und Derivattransaktionen. Eine Abstimmung zwischen Deutschland und Großbritannien sei wichtig, da in diesen Ländern mehr als 90 Prozent der Börsentransaktionen in der EU getätigt werden. Erhebliche Abwanderungen zu anderen Börsen seien dann nicht zu erwarten.
Eine Finanztransaktionssteuer und eine Bankenabgabe schließen einander nicht aus. Im Gegenteil: Beide Instrumente könnten einander ergänzen, schreiben die Ökonomen. Die Einnahmen könnten auch dazu verwendet werden, dringend erforderliche europäische Stabilisierungsinstanzen zu finanzieren, die Ungleichgewichten innerhalb der Währungsunion entgegenwirken.
*Gustav Horn, Till van Treeck: Stellungnahme zur Finanztransaktionssteuer. IMK Policy Brief, Mai 2010. PDF-Format