Gesundheitspolitik wird zur sozialen Frage
Die große Mehrheit der Bundesbürger (90%) stellt der Gesundheitspolitik der schwarz-gelben Bundesregierung ein schlechtes Zwischenzeugnis aus. Vor allem die mögliche Einführung einer Gesundheitsprämie (Kopfpauschale) sowie eine Erhöhung oder Ausweitung von Zusatzbeiträgen stoßen auf heftige Ablehnung.
80 Prozent der Deutschen sind zudem der Meinung, die schwarz-gelbe Koalition mache insgesamt eine schlechtere Gesundheitspolitik als die Vorgängerregierung.
Ähnlich kritisch äußern sich auch viele niedergelassene Ärzte. Im Gegensatz zu den Patienten sehen sie aber auch einzelne Fortschritte in der aktuellen Gesundheitspolitik. Gesundheitsminister Philipp Rösler, der in der Bevölkerung kaum Rückhalt findet - und schlechter abschneidet als Ulla Schmidt - kommt bei den Ärzten auch nicht wirklich gut an, immerhin aber besser als seine Amtsvorgängerin.
Dies zeigt eine aktuelle Umfrage des Marktforschungsinstituts YouGovPsychonomics in Kooperation mit DocCheck Market Research. 1.000 Bundesbürger sowie 200 niedergelassene Ärzte aus dem Ärzte-Panel von DocCheck wurden im Juni repräsentativ zur aktuellen Gesundheitspolitik befragt.
Gesundheitspolitische Kompetenz: SPD bei Patienten, FDP bei Ärzten vorn
Bei der Beurteilung der gesundheitspolitischen Kompetenz der Parteien zeigen sich Patienten und Ärzte extrem gespalten: Während die Bundesbürger den Sozialdemokraten die größte gesundheitspolitische Kompetenz zuschreiben (38%) und die FDP hier weit abgeschlagen auf dem letzen Platz landet (6%; CDU/CSU: 22%; Grüne: 18%; Linke: 16%), sind die Ärzte der Ansicht, die FDP habe die größte Kompetenz in Gesundheitsfragen (45%), gefolgt von CDU/CSU (31%), Grüne (13%), SPD (10%) und Linke (1%).
Einig sind sich Ärzte und Patienten allerdings in der Einschätzung, dass es der schwarz-gelben Regierung an der nötigen Stärke zur Durchsetzung wirksamer gesundheitspolitischer Reformen fehle.
“Das Thema Gesundheit entwickelt sich für viele Bundesbürger immer mehr zu einer sozialen Frage“, sagt Markus Schöne, Studienleiter bei der YouGovPsychonomics AG. „Drei von vier Bundesbürgern liegt die Verhinderung einer 2- Klassen-Gesellschaft in der Gesundheitsversorgung stärker am Herzen als die Diskussion einzelner gesundheitspolitischer Maßnahmen. Daraus ergeben sich auch Spaltungspotenziale im Verhältnis zu den Ärzten, die einer stärkeren finanziellen Belastung der Patienten und insbesondere möglichen Behandlungsunterschieden weniger kritisch gegenüber stehen.“
Präferenzen zur Kostendämpfung und konzeptionelle Verbesserungsvorschläge
Als kostendämpfende Maßnahmen im Gesundheitssystem bevorzugen die Bundesbürger vor allem eine stärkere Belastung der Pharmaindustrie (83%) sowie die Erhöhung des Drucks auf die Krankenkassen, wirtschaftlicher zu arbeiten (79%).
Weitere Potenziale zur Senkung des Kostendrucks werden in der Abschaffung der privaten Krankenversicherung (43%) sowie in der stärkeren Steuerfinanzierung des Gesundheitsfonds (39%) gesehen.
Die Ärztesicht fasst Meike Csicsáky, Senior Research Manager bei DocCheck, zusammen: "Für die niedergelassenen Ärzte steht der Bürokratieabbau bei den Krankenkassen als kostensenkender Aspekt im Vordergrund: 83 Prozent zählen eine wirtschaftlichere Arbeit der Krankenkassen zu den drei wichtigsten Maßnahmen überhaupt, um dem zunehmenden Kostendruck im Gesundheitswesen zu begegnen."
Neben den Krankenkassen wollen die niedergelassenen Ärzte den Hebel zur Kostensenkung zudem auch bei der Pharmaindustrie angelegt wissen (63%).
Aber auch die Einführung einer Gesundheitsprämie (38%) oder die flächendeckende Ausweitung von Zusatzbeiträgen (32%) halten die Ärzte für geeignete Maßnahmen – auf Patientenseite sind dies gerade einmal rund 10 bis 15 Prozent.
Auf konzeptioneller Ebene stimmen Patienten und Ärzte weitgehend überein: zur Verbesserung des Gesundheitssystems bedarf es vor allem einer stärkeren Förderung der Gesundheitsvorsorge sowie einer stärkeren Abstimmung aller an der Therapie von Erkrankungen Beteiligten.
Auch die Forschung zur Wirksamkeit und Wirtschaftlichkeit unterschiedlicher Behandlungsmethoden sollte ausgebaut werden. Speziell die Ärzte sehen zudem noch deutliche Optimierungspotenziale in der Zusammenarbeit zwischen ambulantem und stationärem Behandlungssektor.
YouGovPsychonomics