Wer hat Angst vor Sarrazin?
Betrachtet man die medialen Reflexe auf die Äußerungen von Noch-Bundesbankvorstand und Noch-SPD-Mitglied Thilo Sarrazin, kann man zu dem Schluss kommen, dass Deutschland - bevor es sich demographisch abschafft - seine Gesprächskultur zugunsten einer „Political Correctness“ aufgibt, die keine Widersprüche duldet.
Wer Sarrazins „Deutschland schafft sich ab“ für ein Sachbuch hält, liegt falsch. Ein Mann, der Finanzsenator von Berlin war und zum Vorstand der Bundesbank gehört, hat seine Sicht der Dinge zu Papier gebracht, Erinnerungen und Wahrnehmungen zusammengestellt und einige - auch streitbare - Thesen veröffentlicht.
Seitdem „Bild“ und „Spiegel“ Auszüge des Buches vorab unkommentiert (!) veröffentlicht haben, kommt kaum ein Medium (auch wir nicht) an Sarrazin vorbei.
In der ARD-Sendung „Beckmann“ gelingt es den geladenen Gästen nicht, die Zuschauer von der Falschheit der Thesen zu überzeugen. Der Moderator muss kurz vor Ende der Sendung ein Umfrage-Ergebnis präsentieren, das zeigt: Die Zuschauer sehen es mehrheitlich wie Sarrazin.
Ähnliches wiederholt sich bei der „Münchner Runde“, „Hart aber fair“, „Maischberger“ und „Anne Will“.
Kaum in den Medien aufgetaucht ist allerdings der im Juli 2010 vorgestellte Migrationsbericht der Bundesbeauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration, Maria Böhmer (CDU).
Dem „Achten Bericht über die Lage der Ausländerinnen und Ausländer in Deutschland“ zufolge, beträgt der Anteil der Menschen mit Migrationshintergrund in der Altersstufe bis 5 Jahre bereits 34,4 Prozent.
Auch über das Bildungsniveau der Kinder mit Migrationshintergrund gibt der Bericht ausführlich Auskunft. So betrug 2008 der Anteil ausländischer Schülerinnen und Schüler an Hauptschulen 19,5 Prozent, an integrierten Gesamtschulen 13,9 Prozent, an Förderschulen 14,4 Prozent.
Deutlich höher ist der Anteil bei Abendhauptschulen (41,2 Prozent) und Abendrealschulen (21,6 Prozent).
Demgegenüber stehen Gymnasien mit 4,4 Prozent und Abendgymnasien mit 12,8 Prozent.
Ein weiteres zentrales Problem ist Altersarmut bei Zuwanderern. Im Rentenalter verfügen Migrantinnen und Migranten mit durchschnittlich 1000 Euro im Monat über ein Nettoeinkommen, das ca. ein Fünftel unter dem Durchschnitt liegt (Quelle: „Alterssicherungsbericht“ der Bundesregierung).
Zusätzliche Einnahmen aus privater Vorsorge (insbesondere Vermögen oder Lebensversicherungen) haben nur 24 Prozent der Zuwanderer. Der bundesdeutsche Durchschnitt liegt bei 40 Prozent. Werden Leistungen aus privater Vorsorge bezogen, ist die Höhe der Einnahmen deutlich geringer: 242 Euro gegenüber 349 Euro.
Sofern der Bericht die Zahlen nach einzelnen Herkunftsländern aufschlüsselt, ist die Situation bei Migranten aus der Türkei deutlich schlechter, als bei Migranten aus beispielsweise Vietnam oder Griechenland.
Dieser kleine Exkurs zeigt, dass Sarrazin tatsächlich drängende Frage anspricht. Im öffentlichen Diskurs spielen diese „Sachfragen“ aber beinahe keine Rolle.
So war Thilo Sarrazin auch Teilnehmer der Podiumsdiskussion „Besser integriert! Migranten und demographischer Wandel“ auf dem 5. Demographie-Kongress in Berlin am gestrigen Montag (versicherungsbote.de berichtete).
Einige Medien (z.B. „Welt-online“ oder „n-tv“) griffen auf einen Bericht der „dpa“ zurück.
Statt inhaltliche Auseinandersetzung oder zumindest Information zu liefern, beschränkte man sich mehr oder weniger auf die Feststellung, dass Sarrazin nunmehr von vier Leibwächtern begleitet werde und „...am Rande einer Podiumsdiskussion“ Antworten zum eingeleiteten Parteiausschlussverfahren verweigerte.
Der ständige Drang zur Skandalisierung verhindert eine klare Sicht auf das Problem.
Ist das Ausdruck einer Kapitulation vor der Komplexität der Wirklichkeit?
Lassen Sie sich nicht davon anstecken. Halten Sie sich an die erklärbaren Zusammenhänge und schaffen Sie so Vertrauen. Nur so bleiben Sie in Zukunft das für Ihre Kunden, wonach diese sich sehnen - ein Navigator in schwieriger See.
Michael Fiedler