Chefarztbehandlung verzichtbar - Zahnersatz nicht
Die Abschaffung der privaten Krankenversicherung (PKV) bleibt im Ringen um die Sanierung des Gesundheitssystems eine Option, die sich einige Politiker nach wie vor offen halten wollen. Den Nerv der Bevölkerung treffen sie damit offenbar nicht, denn: 73 Prozent der Deutschen sehen eine dauerhaft gute medizinische Versorgung in der PKV gesichert.
Auch in den Punkten „Leistungsumfang“, „Transparenz“ und „Preis/-Leistungsverhältnis“ liegt die PKV nach der Ansicht der Deutschen klar vor der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) – so ein Ergebnis der aktuellen, repräsentativen „Continentale-Studie 2010“, die zum elften Mal in Folge eine Einschätzung der Bevölkerung zum Gesundheitswesen abgefragt hat.
Dabei bleibt die Grundstimmung so düster wie in den Vorjahren: Nach wie vor sieht die überwältigende Mehrheit der gesetzlich Versicherten die Zukunft des Gesundheitswesens sehr negativ.
Vergleich der Systeme: PKV im Vorteil
Angesichts der anhaltenden Diskussion um einen grundlegenden Umbau des Gesundheitswesens legte die aktuelle „Continentale-Studie 2010“ einen Schwerpunkt auf die Frage: „PKV oder GKV – welches ist aus der Sicht der Bevölkerung das bessere System?“ Die Einschätzung der Bevölkerung ist bei dieser Frage geteilt:
Auf der Leistungsseite ist eindeutig die PKV im Vorteil. Bessere Leistungen und ein besseres Preis-/Leistungsverhältnis, Teilhabe am medizinischen Fortschritt und dauerhaft gesicherte medizinische Versorgung – all das sehen die Menschen bei der PKV. Auf die GKV bauen hier nur wenige. Nur wenn es um den Beitrag geht, ist die Situation anders. Hier setzt die Bevölkerung wenig Vertrauen in beide Systeme.
Im Detail: 73 Prozent der Bevölkerung trauen der PKV zu, dauerhaft eine gute medizinische Versorgung zu sichern. Für die GKV sagen das nur 45 Prozent. Betrachtet man die Gruppe der gesetzlich Versicherten genauer, wird deutlich: Nur 47 Prozent von ihnen glauben, eine dauerhaft gute Versorgung in der GKV zu erhalten.
72 Prozent sind hingegen überzeugt, dass dies auch die PKV leisten kann und sogar 35 Prozent meinen, dass ausschließlich die PKV Garant für dauerhaft gute medizinische Versorgung ist.
Besonders groß ist das Vertrauen in die PKV und das Misstrauen gegenüber der GKV übrigens bei jüngeren Menschen: In der Altersgruppe der 25- bis 29-Jährigen sehen 83 Prozent eine „dauerhaft gute Versorgung“ in der PKV.
Auch die Leistungsstärke der privaten Krankenversicherung wird von dieser Altersgruppe besonders positiv eingeschätzt: 81 Prozent sehen sie gegenüber der GKV klar im Vorteil. Insgesamt glauben 73 Prozent der Deutschen, dass der Leistungsumfang der privaten Krankenversicherung umfangreicher als der der gesetzlichen ist.
Selbst beim Punkt „Preis-/Leistung“ wird die PKV klar im Vorteil gesehen: 51 Prozent der Bevölkerung stimmen der Aussage zu, die PKV habe ein besseres Preis-/Leistungsverhältnis als die gesetzliche Krankenversicherung; nur 32 Prozent sind der Auffassung, dies stimme nicht.
Die Hälfte der jungen GKV-Versicherten würde wechseln – wenn sie könnten
Zu diesen Ergebnissen passt ein zweites Meinungsbild, das die „Continentale-Studie 2010“ ermittelt hat: 32 Prozent der gesetzlich Versicherten würden in die PKV wechseln, wenn sie könnten. Bei den 25- bis 39-Jährigen sind es sogar 48 Prozent. Als wichtigste Gründe wurden die besseren Leistungen der PKV, die Teilhabe der PKV-Versicherten am medizinischen Fortschritt und die Flexibilität der PKV genannt.
Allerdings: Die Leistungen sind das eine, sie aus eigener Tasche dauerhaft bezahlen zu können, die andere. Hier hat die Bevölkerung eine recht klare Haltung: 26 Prozent sind davon überzeugt, dass angesichts der immer älter werdenden Bevölkerung keines der beiden Systeme bezahlbare Beiträge sicherstellen kann.
Aber: 56 Prozent der Befragten trauen der GKV zu, langfristig bezahlbar zu sein; hingegen glauben nur 40 Prozent dies von der PKV.
Für Rolf Bauer, Vorstandsvorsitzender im Versicherungsverbund "Die Continentale", zeigen diese Ergebnisse eines ganz deutlich: „Der PKV ist es in den vergangenen Jahren zwar gelungen, ihre Leistungsstärke deutlich zu machen. Leider konnte sie die Bevölkerung aber nicht mehrheitlich von ihrem risikoäquivalenten Kapitaldeckungsverfahren überzeugen. Davon abgesehen kann man allerdings in der Tat davon ausgehen, dass die GKV-Beiträge immer bezahlbar bleiben. Die Frage ist nur, welche Leistungen es dann noch für diese Beiträge gibt und wie hoch der Steuerzuschuss ist.“
Zukunftsaussichten sind unverändert düster
Dass genau dies eine unterschwellige Sorge der Deutschen ist, lässt sich aus Trendfragen ableiten, die im Rahmen der Continentale-Studien seit mehreren Jahren in Folge gestellt werden.
So liegt zwar die subjektive Unzufriedenheit der Deutschen mit ihrem Gesundheitswesen auf dem niedrigsten Wert seit Beginn der Messung im Jahr 2001. Gleichzeitig ist aber die Einschätzung der Zukunft des Gesundheitswesens durch die gesetzlich Krankenversicherten unverändert düster:
Allen vier negativen Zukunftsaussagen, die zum sechsten Mal in Folge abgefragt wurden, wird von einer überwältigenden Mehrheit von 80 bis 90 Prozent zugestimmt. So bestätigen 91 Prozent der befragten GKV-Versicherten die Aussage „gute medizinische Versorgung kostet über den GKV-Beitrag hinaus viel Geld“. Dabei sind 45 Prozent der Meinung, dies sei schon heute so; 46 Prozent sind davon überzeugt, das dies in Zukunft so kommen werde.
„Für uns zeigt das vor allem eines: Die GKV-Versicherten sind zufrieden, weil sie sich mit dem System abgefunden haben. Sie erwarten auch nicht mehr viel, sondern nehmen es als gegeben hin, dass sie privat für ihre Absicherung im Krankheitsfall vorsorgen müssen“, so Rolf Bauer.
„Flexibilität“ ist größter Wert der PKV
Wie diese private Absicherung, speziell in Hinblick auf Krankenvollversicherungstarife, ausgestaltet sein sollte, hat die „Continentale-Studie 2010“ in einem weiteren Fragenkomplex ermittelt. Hier zeigt sich, dass für 85 Prozent der Befragten „Flexibilität“ das wichtigste Kriterium bei der Auswahl eines PKV-Tarifes ist; „stabile Beiträge“ werden von 76 Prozent genannt.
Im Leistungskatalog der PKV ist die Chefarztbehandlung aus Sicht der Bevölkerung am verzichtbarsten (56 Prozent), während nur 28 Prozent auf überdurchschnittliche Versorgung im Bereich Zahnersatz verzichten wollen.
Auch hier sieht Rolf Bauer weiteren Aufklärungsbedarf der PKV: „Die Tatsache, dass gerade die Chefarztbehandlung als überflüssig eingeschätzt wird, zeigt, dass es der PKV nicht gelungen ist, die Bevölkerung in diesem Punkt nachhaltig aufzuklären. Das ist deshalb bedauerlich, weil sich hinter diesem offenbar in die Irre führenden Begriff eine der wichtigsten Leistungen der PKV verbirgt“, so der Vorstandsvorsitzende der Continentale.
Denn: Die Leistung „Chefarztbehandlung“ umfasse auch den Wegfall von Budgetierungen und anderen Einschränkungen sowie den Zugang zum Spezialisten. Nur so sei die optimale Behandlung im Krankenhaus gesichert, und, so Bauer, „damit auch die dauerhafte Teilhabe am medizinischen Fortschritt“.
Zur Studie:
Die „Continentale-Studie 2010“ wurde, wie schon in den vergangenen Jahren, in Zusammenarbeit mit dem Meinungsforschungsinstitut TNS Infratest umgesetzt. Die Studie wird seit dem Jahr 2000 jährlich durchgeführt und ist so die langfristigste empirische Betrachtung des Gesundheitswesens durch die Versicherungsbranche. Zur aktuellen „Continentale-Studie 2010“ wurden 1.307 Personen befragt – 1.130 GKV- und 177 PKV-Versicherte.