Zur Auslegung von Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB)
Beantragt der Versicherungsnehmer - beispielsweise zu einer Kranken- oder Berufsunfähigkeits(zusatz-)versicherung - Leistungen, so beginnt der Versicherer seine oft langwierige und umfangreiche Leistungsprüfung in der Regel damit, Einsichtnahme in die Krankenunterlagen sämtlicher ärztlicher Behandler zu fordern und legt dem irritierten Kunden Schweigepflichtentbindungsformulare vor.
Das LG Dortmund hat sich in seinem Urteil vom 01. April 2010 (Az. 2 S 56/09) mit der Frage beschäftigt, ob die Weigerung des Versicherungsnehmers, seinen behandelnden (Haus-)Arzt von der Schweigepflicht zu entbinden, pflichtwidrig ist. Im Ergebnis wurde dies verneint. Eine derartige Weigerung stelle keine Obliegenheitsverletzung dar, sie sei vielmehr eine Ausprägung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung.
Einfach formuliert: Der Versicherungsnehmer darf sich weigern. Allerdings erhält er (zunächst) auch keine Leistungen. Praktisch besehen macht diese rechtliche Einordnung der Weigerung für die Leistungsverpflichtung des Versicherers also keinen Unterschied. Der Versicherer ist (zunächst) leistungsfrei, da die Leistung (noch nicht) fällig ist.
Interessant ist das Urteil dennoch: Nicht jede ärztliche Behandlung ist für die Leistungsprüfung relevant. Der Versicherer hat keineswegs Anspruch auf „gläserne Versicherte". Und: Oftmals drohen die Versicherer ihren Kunden im Falle einer Weigerung damit, den Vertrag zu kündigen. Das ist jedoch eine falsche Behauptung. Da die unterlassene Entbindung von der ärztlichen Schweigepflicht keine Obliegenheitsverletzung darstellt, darf der Versicherer sich auch nicht auf ein Kündigungsrecht nach § 28 VVG n.F. berufen.
Rechtsanwältin Almuth Arendt-Boellert
Laux Rechtsanwälte