Versicherungsunternehmen dürfen eigenen AO-Vertrieb nicht bevorzugen
Trotz der Betreuungsanzeige durch den Versicherungsmakler hatte das Versicherungsunternehmen weiterhin den Generalvertreter der eigenen Ausschließlichkeit unter der Rubrik „Es betreut Sie:“ genannt. Nach vergeblicher Abmahnung beantragte der Versicherungsmakler eine einstweilige Verfügung. Das Gericht teilte seine Auffassung.
Ein Vermittler hatte seinen Handelsvertretervertrag bei der Ausschließlichkeitsorganisation des Versicherungsunternehmens gekündigt. Seit seinem Ausscheiden ist der Vermittler als Versicherungsmakler tätig. Der von ihm vormals betreute Bestand wurde auf einen Bestandsnachfolger zur weiteren Betreuung übertragen. Dennoch haben zahlreiche Kunden dem Vermittler die Treue gehalten und zugunsten des Vermittlers eine Maklervollmacht unterzeichnet. Aufgrund seiner Interessenwahrnehmungspflicht zeigte der Versicherungsmakler die Maklervollmacht gegenüber dem Versicherungsunternehmen an.
Die Maklervollmacht enthielt u.a. den Hinweis, dass die Verträge außerhalb einer Bestandsagentur zu führen seien und - soweit die Kündigung erklärt wurde - eine Kündigungsbestätigung erbeten werde.
Die Kündigungen der Kunden wurden zwar seitens des Versicherungsunternehmens bestätigt, der Aufforderung nach Betreuung außerhalb einer Bestandsagentur kam das Versicherungsunternehmen indes nicht nach. Vielmehr enthielten die Schreiben an die Kunden weiterhin unter der Rubrik „Es betreut Sie:" den Hinweis auf einen Vermittler der eigenen Ausschließlichkeitsorganisation. Die Kunden legten irritiert das an sie gerichtete Schreiben mit dem Hinweis auf die betreuende Bestandsagentur dem Versicherungsmakler vor.
Der Versicherungsmakler nahm die Schreiben des Versicherungsunternehmens deshalb zum Anlass einer Abmahnung. Nachdem das Unternehmen eine strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung nicht abgegeben hatte, beantragte der Versicherungsmakler eine einstweilige Verfügung wegen Irreführung. Das angerufene Gericht gab dem Versicherungsmakler recht und verbot dem Versicherungsunternehmen auf Schreiben an Kunden, die vom Versicherungsmakler betreut werden, einen Hinweis auf die (eigene) Bestandsagentur.
Das beklagte Versicherungsunternehmen legte gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch ein. Den Widerspruch begründete das Versicherungsunternehmen dahingehend, dass eine Irreführung nicht gegeben sei. Zum einen sei die genannte Bestandsagentur beauftragt, den Versicherungsvertrag zu betreuen und dem könne sich der Versicherungsmakler und auch der Kunde nicht entziehen.
Das Versicherungsunternehmen habe zahlreiche Verpflichtungen, u.a. eine während des Vertrages bestehende Beratungspflicht aus § 6 Abs. 4 VVG und könne sich daher seine Erfüllungsgehilfen selbst aussuchen. Zum anderen handele es sich bei den streitgegenständlichen Schreiben um Schreiben aus gekündigten Versicherungsverträgen, die eine Irreführung nicht mehr zuließen. Das beklagte Versicherungsunternehmen hielt die Argumente in der mündlichen Verhandlung aufrecht.
Der klagende Versicherungsmakler konnte diese Argumente entkräften. Die Nennung der Bestandsagentur erfolge nur aus dem Gesichtspunkt der Bestandserhaltung und nicht aus der Verpflichtung, die gemäß § 6 Abs. 4 VVG dem Versicherungsunternehmen auferlegt werde. Dies zeige sich alleine an dem Umstand, dass das beklagte Versicherungsunternehmen auch mit Versicherungsmaklern zusammenarbeite. Im Rahmen dieser Zusammenarbeit verzichte das Unternehmen auf den Hinweis auf eine Bestandsagentur, obwohl zweifellos auch bei diesen Versicherungsverträgen die Verpflichtung aus § 6 Abs. 4 VVG bestehe.
Auffallend sei, dass das Phänomen mit dem Hinweis auf die Bestandsagentur im Besonderen bei Versicherungsmaklern auftrete, die zuvor in der Ausschließlichkeitsorganisation des beklagten Versicherungsunternehmens tätig gewesen seien. Dies unterstreiche schon ein Parallelverfahren vor einer Kammer des hiesigen Gerichts.
Auch die Tatsache, dass es sich bei den den Schreiben zugrundeliegenden Versicherungsverträge um gekündigte Verträge handelt, könne den Anspruch des Versicherungsmaklers auf Unterlassung nicht erschüttern. Aufgrund der noch Monate dauernden Kündigungsfrist und der Möglichkeit, dass bis zum Ablauf des Vertrages noch ein Schaden eintreten könne, schließe eine Irreführung nicht aus. Im Falle eines Schadens müsse damit gerechnet werden, dass sich der Kunde irrtümlicherweise an die Bestandsagentur wende und damit Tür und Tor für eine Rückwerbung geöffnet sei.
Außerdem lasse die irrtümliche Benennung der Bestandsagentur Fehlspekulationen zu den Qualitäten des Versicherungsmaklers zu, die es auszuschließen gelte. Durch die Nennung der Bestandsagentur könne für den Kunden der Eindruck bestehen, dass der Versicherungsmakler sein Anliegen nicht weiter gegeben habe oder dass der Versicherungsmakler entgegen seiner Ausführungen womöglich gar nicht in der Lage sei, den Vertrag zu betreuen. Gerade in dem hochsensiblen Bereich der Finanzdienstleistungen seien derartige Zweifel bei Kunden geeignet, das Vertrauen in den Versicherungsmakler zu verlieren und die Geschäftsbeziehung zu kündigen.
Die Ausführungen des Versicherungsmaklers überzeugten das Gericht. Das Gericht wies diese Argumente des Versicherungsunternehmens allesamt zurück und führte aus, dass möglicherweise ein Interesse bestehe, den Verpflichtungen aus § 6 Abs. 4 VVG nachzukommen. Diesen Verpflichtungen sei das beklagte Versicherungsunternehmen auch keineswegs dadurch abgeschnitten, dass der Vertrag nunmehr durch einen Versicherungsmakler betreut wird. Vielmehr könne es den Kunden selbst auf Veränderungen hinweisen, ohne gleichzeitig zugunsten der eigenen Ausschließlichkeit das Marktverhalten zu beeinflussen. Das Gericht bestätigte die einstweilige Verfügung.
(LG München I, 17HK O 14595/10, ebenso LG München I, 11HK O 8830/10)
Ferling Retsch Rechtsanwälte