2011 - Schlüsseljahr für die Vorbereitung
Nachdem die Versicherungsbranche sich schon seit einigen Jahren intensiv auf Solvency II vorbereitet, müssen in 2011 die Weichen endgültig gestellt werden. Obwohl aufsichtsrechtlich einige Details weiterhin unklar sind, müssen Versicherer handeln und im Hinblick auf den Startschuss für Solvency II 2013 die relevanten Prozesse ausarbeiten.
Auf der Zielgeraden sieht das Beratungsunternehmen "Towers Watson" fünf wichtige Herausforderungen auf die Unternehmen zukommen:
-
Kampf um knappe Ressourcen:
Gut ausgebildete Finanzexperten, Aktuare und Risikomanager (insbesondere mit Solvency II-Erfahrung) sind Mangelware. Die Nachfrage nach diesen Ressourcen wird in den kommenden zwei Jahren weiter steigen. Marktkonsistente Techniken zur Bestimmung ihrer Verbindlichkeiten sind für die meisten Gesellschaften neu. Sie erfordern spezielles Wissen und auch Investitionen in Modellierungs-Tools, um die aktuellen Anforderungen im Finanzreporting zu erfüllen. Unternehmen mit außereuropäischen Marktaktivitäten müssen ihre Solvenzberechnungen auf diese Länder ausdehnen, zusätzlich aber weiterhin die Reportingvorschriften des jeweiligen Landes beachten. Bei diesem steigenden Aufwand ist es daher wichtig, eine gute Balance zwischen Motivation vorhandener Mitarbeiter und Verstärkung durch neue Experten zu finden. -
Kapitalmanagement:
Solvency II wird die Ermittlung des Kapitalbedarfs für Unternehmen und Konzerne grundlegend verändern. Die detailgenauere Berücksichtigung von Risiken und Diversifikationseffekten wird die Versicherer zu Anpassungen und Neuerungen motivieren, zum Beispiel in den Unternehmensstrukturen, in der Investment-Strategie sowie in Risikoabsicherungs- und Rückversicherungsstrategien, um sich unter Solvency II bestmöglich zu positionieren. -
Interne Modelle:
Gesellschaften, die zum Start von Solvency II mit einem internen Modell arbeiten möchten, werden 2011 den Spagat kennenlernen zwischen der internen Entwicklung und Prüfung einerseits und der Überzeugungsarbeit gegenüber der Finanzaufsicht andererseits: Sie müssen dabei nachweisen, dass ihr Modell robust ist und alle Abnahmekriterien erfüllt. All dies muss in einem relativ kurzen Zeitraum bis 2013 von statten gehen. -
Risikomanagement:
Mit Einführung von Solvency II wird explizit festgelegt, wie Risikomanagement im Unternehmen wahrgenommen werden soll und von wem. In einzelnen Unternehmen kann das organisatorische Veränderungen in Management-Struktur und Teams nach sich ziehen. Ebenso wird sich das Risiko-Reporting wandeln und die Entwicklung neuer Systeme notwendig machen: So ist es zum Beispiel wichtig intern nachzuvollziehen, wie sich Risiken und Solvenz unter bestimmten zeitlichen und sonstigen Szenarien verändern – dies ist Teil der Unternehmenseigenen Risiko- und Solvabilitätsbeurteilung (ORSA) unter Solvency II. Dies erfordert, dass Gesellschaften eine Risikokultur entwickeln und diese auch strikt leben. -
Steigende Veröffentlichungspflichten:
Ein wichtiger Baustein von Solvency II sind die umfangreichen Veröffentlichungspflichten: Dadurch will man die Marktdisziplin nutzen, um Corporate Governance und Solvenzkennzahlen zu verbessern. Für die Unternehmen bedeutet das, dass sie klare Richtlinien entwickeln müssen, nach denen sie ihre Solvabilität öffentlich darstellen – nur dann können Versicherungsnehmer, Aktionäre, Analysten, Rating-Agenturen und Medien die Zahlen korrekt interpretieren und verstehen.
Michael Klüttgens, Berater bei "Towers Watson", sieht aufgrund der noch anstehenden Aufgaben höhere Kosten auf die Versicherer zukommen: “Die Ausgaben für Solvency II werden noch erheblich steigen, denn ein Großteil der Gesellschaften wird erst in den kommenden ein bis zwei Jahren die komplexeren Details in der Umsetzung von Solvency II angehen, um für 2013 fit zu sein.“
Deshalb müsse man 2011 als entscheidendes Jahr sehen. „Für die Umstellung bleiben nur noch weniger als zwei Jahre Zeit. Ob Versicherer in dieser weitreichenden Reform auf dem Versicherungssektor erfolgreich bestehen können, hängt sehr davon ab, wie sie diese kritischen und grundlegenden Veränderungen umsetzen.“