Von Aufsitzrasenmähern und Innovationsklauseln - Ein Ausflug in die Bedingungswerke von Hausratversicherungen
Sie zählt zu den am häufigsten abgeschlossenen Policen in Deutschland: fast 77 Prozent aller Haushalte haben eine Hausrat-Versicherung. Doch die Unterschiede zwischen den Anbietern sind groß, sowohl was die Preise als auch das Leistungsangebot betrifft. Nicht immer kann eindeutig gesagt werden, in welchem Umfang ein derartiger Vertrag sinnvoll ist oder nicht. Im Zweifelsfall gilt die alte Floskel: sich nach den Wünschen des Kunden erkundigen.
Eine Hausratversicherung zählt zu den beliebtesten Policen der Deutschen. Bietet sie doch Schutz, wenn der Hausrat durch Feuer, Leitungswasser, Sturmschäden oder Einbruchdiebstahl zu Schaden kommt.
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Doch wer die Vertragswerke der Anbieter liest, dem kann schnell schwindelig werden. Soeben hat Stiftung Warentest erneut darauf verwiesen, dass die Leistungen und Preisunterschiede stark variieren: zwischen 107 Euro Jahresbeitrag und 588 Euro ist alles möglich. Und nicht immer bieten die teuren Tarife den besten Schutz (Ausgabe Finanztest 3/2011).
Zusätzlich stiften die sich wandelnden Anforderungen an die Versicherungsanbieter neue Unübersichtlichkeit. Je mehr die Gesellschaften bemüht sind, ihre Verträge auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden abzustimmen, zugleich Ausschlüsse von der aktuellen Kassenlage abhängig machen, umso konfuser werden die Vertragswerke. Es gibt Multi-, Multiplus-, Sonder- und Extra-Tarife, Modul- und Baustein- Vertragsmodelle. Doch wie diese genau funktionieren, ist für Kunden nicht immer nachvollziehbar. Manche Versicherungsanbieter händigen ihren Mitgliedern Verträge aus, die bis zu 40 Seiten umfassen und aus mehreren Teilverträgen bestehen.
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So leisten einige Anbieter bei Abschluss eines teuren Tarifes Schutz bei Diebstahl aus Wassersportfahrzeugen oder versichern den Verlust des Aufsitzrasenmähers - wer ein Haus mit Gartengrundstück besitzt und eine Yacht, wird dies danken.
Der recht häufige Fall eines Überspannungsschadens bei Blitzeinschlag ist jedoch möglicherweise nicht mitversichert. Ein Student mit Großstadtwohnung und IKEA-Möbeln wäre schlecht beraten, eine solch teure Police abzuschließen, denn werden Fernseher oder PC bei einem Blitzeinschlag beschädigt, zahlt der Versicherer trotz behaupteter Rundumversicherung nicht. Wie so oft gilt: der Teufel steckt im Kleingedruckten.
Im Sinne des Kunden: „Innovationsklausel“, „Verzicht auf Einrede grober Fahrlässigkeit“ und „Unterversicherungsverzicht“
Bei aller Verschiedenheit der Versicherungsverträge ist es doch ratsam, auf einige Klauseln gesondert zu achten. So garantiert in vielen Verträgen eine sogenannte „Innovationsklausel“, dass der bestehende Versicherungsvertrag ohne Erhöhung des Beitrages angepasst wird, wenn sich die Bedingungen zugunsten des Kunden ändern. Eine derartige Garantie ist durchaus sinnvoll, sind doch bestehende Verträge umso schneller veraltet, je rasanter technische Innovationen den Alltag der Menschen prägen.
Um ein Beispiel zu nennen: noch vor 15 Jahren wäre es undenkbar gewesen, für Bankgeschäfte im heutigen Ausmaß das Internet zu nutzen, folglich war der Begriff „Phishing“ vielen Menschen unbekannt. Es gibt jedoch bereits Anbieter, die für Phishing- Schäden, also Schäden durch Onlinebetrug, im Rahmen einer Hausratversicherung aufkommen.
Auch der Verlust von elektronischen Daten und die Kosten für deren Wiederherstellung sind mittlerweile mit einer Hausratpolice versicherbar, wenn auch zumeist auf niedrigem Niveau oder per Zusatztarif. Es ist jedoch zu erwarten, dass zukünftig immer mehr Anbieter derartige Leistungen in ihren Leistungskatalog aufnehmen werden. Wer sich seine Musiksammlung per iPod zusammengestellt hat oder wichtige Dokumente wie Online-Rechnungen nur auf dem Computer speichert, der wird für diesen Service dankbar sein. Und sich ärgern, wenn eine Anpassung des eigenen Vertrages per Innovationsklausel nicht möglich ist.
Ebenfalls im Sinne des Kunden wirkt ein sogenannter „Verzicht auf Einrede grober Fahrlässigkeit“. Denn ist diese Zusatzbestimmung nicht in den Vertragsbedingungen enthalten, so kann die Versicherung die Regulierung des Schadens verweigern oder weniger zahlen, wenn dem Versicherungsnehmer grob fahrlässiges Handeln nachgewiesen wird.
Bei brennender Zigarette eingeschlafen, ein Zimmerfenster beim Lüften kurze Zeit unbeaufsichtigt gelassen - die Gründe für ein derartiges Fehlverhalten sind vielfältig. Oftmals handelt es sich um allzu menschliche Situationen. Wer sein Kind schnell aus der Schule abholen muss oder kurz vor Ladenschluss ein Paket zur Post bringen will, vergisst schon mal eine Herdplatte auszuschalten oder das Fenster zu schließen, um bei der Rückkehr in die Wohnung einen Brand oder Einbruch feststellen zu müssen. In solchen Situationen sollte ein Hausratschutzversicherung eigentlich greifen, der Schutz gewährleistet sein. Folglich verglich die Stiftung Warentest Versicherungen mit besonders rigorosen Ausschlusskriterien mit einem Arzt, der seinem Patienten das Trinken von Alkohol erlaubt - aber Bier, Wein, Sekt , Schnaps und andere Spirituosen verbietet.
Auch sollte bei einem Vertragsabschluss darauf geachtet werden, dass die Versicherungssumme nicht niedriger ausfällt als der versicherte Wert des Hausrates. Als Orientierung gilt hierfür der ungefähre Betrag, der für eine Neuanschaffung des gesamten Hausrats zu zahlen wäre.
Denn der Anbieter kann im Schadensfall den Wert des Verlustes durch einen Gutachter prüfen lassen - und nach Feststellung einer Unterversicherung den Schaden anteilmäßig kürzen.
Ein Beispiel nennt die "Barmenia" auf ihrer Webseite: beträgt der Gesamtwert des Hausrates 50.000 Euro, ist jedoch nur eine Versicherungssumme von 25.000 Euro vereinbart, so muss die Versicherung bei einem entstandenen Schaden von 10.000 Euro nur 5.000 ersetzen. Schließlich ist auch nur der halbe Wert des Hausrates versichert.
Viele Anbieter verzichten in ihren Vertragsbestimmungen mittlerweile auf die Prüfung einer Unterversicherung, so dass in der Regel eine Versicherungssumme von 650 Euro je Quadratmeter vereinbart wird. Besonders für Inhaber kleiner Wohnungen kann es durchaus sinnvoll sein zu prüfen, ob die Gesellschaften einen „Unterversicherungsverzicht“ anbietet, ist doch im Falle einer Unterversicherung selbst bei kleineren Schäden mit einer Leistungskürzung zu rechnen.
Für Versicherungsmakler muss die Unübersichtlichkeit nicht von Nachteil sein, wächst doch der Bedarf an fachgerechter Beratung. Und gerade die Zusatzbausteine bieten Möglichkeiten der Kundenwerbung.
So ist zum Beispiel durchaus relevant, wie oft ein Versicherungsnehmer verreist und wie er seine Freizeit gestaltet: decken doch manche Policen sogar Schäden ab, wenn einem Reisenden Gepäck oder Wertgegenstände aus Schiffskabinen oder Schlafwagenabteilen gestohlen werden. Auch der Diebstahl von Hausrat und Sportausrüstungen aus Wohnwagen, Kleingartenanlagen und Wassersportfahrzeugen sind versicherbar. Für den kleinen Geldbeutel gibt es den besonders preiswerten und weniger umfassenden Schutz der "Ammerländer". Ob Geschäftsmann oder Camper, ob Student oder Besitzer einer Yacht: im Idealfall findet sich für jeden der passende Tarif.
Mirko Wenig