Spread Ladder Swaps – ein komplexes und riskantes Finanzprodukt

Bei den sogenannten Spread Ladder Swaps tauschen zwei Vertragspartner Zinszahlungen aus – für Anleger eine riskante Sache, denn die Gefahr von Verlusten ist ungleich verteilt. Schon eine grobe Erklärung dieser Finanzprodukte stellt eine kleine Herausforderung dar: Ein Bankhaus verpflichtet sich gegenüber seinem Vertragspartner zur Zahlung eines festen Zinssatzes über eine bestimmte Vertragslaufzeit hinweg. Eine zweite Partei jedoch - ein Unternehmen oder eine Kommune - hat einen variablen Zins zu entrichten, der von der Bank nach einer bestimmten Formel ermittelt wurde. Dieser variable Zusatzbaustein bei der Zinsberechnung führt zu einem höheren Anlagerisiko auf Seiten des Bankkunden.
Im ersten Jahr muss der Kunde einen festen Zins zahlen. Im zweiten Jahr zahlt er jedoch zusätzlich zu dem Zins des Vorjahres einen Zusatzzins, dem wiederum die Differenz zwischen einem langfristigen und kurzfristigen Zinssatz abgezogen wird. Aus diesem Gesamtzins des zweiten Jahres ergibt sich der Zins für das Folgejahr. Und so weiter, bis das fest vereinbarte Ende der Vertragslaufzeit erreicht ist.
Profitieren kann der Kunde nur, wenn der langfristige Zins aus der Zusatzkomponente zur Zeit der Zinsberechnung deutlich höher ist als der kurzfristige. Anderenfalls steigen die zu zahlenden Zinsen mit jeder Neuberechnung – und können ins Unermessliche klettern. Für unzählige mittelständige Unternehmen und Kommunen entwickelten sich solche Wetten zum Millionengrab.

Anzeige

Deutsche Bank wegen Finanzwetten in die Pflicht genommen

Die hessische Hygienefirma Ille hat aufgrund einer derartigen Zinswette nun die Deutsche Bank verklagt – und Recht erhalten. Der mittelständige Unternehmer hatte gut 540.000 Euro verloren, das Geldhaus muss dem Kläger den Betrag inklusive der verlorenen Zinsen zurückerstatten.
Da sich der Urteilsspruch auch auf ähnliche Fälle übertragen lässt, erwarten Experten nun eine Prozesslawine hinsichtlich der Spread Ladder Swaps, denn hunderte Anleger könnten dem Beispiel der hessischen Firma folgen. Der Münchener Rechtsanwalt Jochen Weck äußerte gegenüber RP Online: "Wer mit Zinswetten Geld verloren und geklagt hat oder noch klagen will, hat jetzt hervorragende Chancen, das Geld zurückzubekommen"

Hinsichtlich der Beratungshaftung ist das Urteil interessant, wurde der Urteilsspruch doch mit der unzureichenden Aufklärung des Kunden über die Produktrisiken begründet. So heißt es in dem Urteil, vor Abgabe der Anlageberatung müsse die Bank die Risikobereitschaft des Anlegers erfragen, was in diesem Fall jedoch nicht geschehen sei.
Zwar hatte die Klägerin bei der Beratung eine Diplom-Volkswirtin dabei. Dies, so das Gericht, erlaube jedoch in einem Beratungsgespräch nicht den Rückschluss, der Anleger habe ausreichend Kenntnisse über ein derart komplexes Produkt. Auch könne aus etwaig vorhandenen Vorkenntnissen des Kunden nicht allein auf dessen Risikobereitschaft geschlossen werden. Es sei folglich nicht ausreichend gewesen, auf ein „theoretisch unbegrenztes“ Verlustrisiko hinzuweisen, wie es der Bankberater anhand eines Prospektes erklärt hatte. Da abhängig von der Entwicklung der Zinsdifferenz die Gefahr eines Verlustes real besteht und zum Ruin des Kunden führen kann, muss der Kunde auch darüber aufgeklärt werden.
Zudem sei die Klägerin darauf hinzuweisen gewesen, dass sie im Falle einer niedrigen Zinsdifferenz höhere Zinsen zahlen muss, als sie empfängt. Letztendlich müsse das Bankinstitut gewährleisten, „dass der Kunde im Hinblick auf das Risiko des Geschäfts im Wesentlichen den gleichen Kenntnis- und Wissensstand hat wie die ihn beratende Bank, weil ihm nur so eine eigenverantwortliche Entscheidung möglich ist, ob er die ihm angebotene Zinswette annehmen will.“

Können Geldinstitute ihre „Wettgegner“ überhaupt sachkundlich beraten?

Der Umstand, dass die Bank – mit einem deutlichen Wissensvorsprung – gegen ihre eigenen Kunden wettet, hat den Swap-Verträgen immer wieder harsche Kritik eingebracht. So sah der Bundesgerichtshof im vorliegenden Fall die Beratungspflicht bereits dadurch verletzt, dass zum Abschlusszeitpunkt der Vertrag bereits einen negativen Marktwert von 4 Prozent (80.000 Euro) zu Lasten des Kunden gehabt habe, worauf dieser jedoch nicht hingewiesen worden sei. Das Gericht verwies zugleich darauf, dass hier von einem ernsthaften Interessenkonflikt bei der Beratung gesprochen werden kann. Denn der Gewinn der einen Seite ist spiegelbildlich der Verlust der anderen Seite, und für die beratende Bank erwies sich das Geschäft nur dann als lukrativ, wenn ihre Prognose zur Entwicklung der Zinsdifferenz gerade nicht eintritt und der beratene Kunde einen Verlust erleidet.

So hatte im vorliegenden Fall die Deutsche Bank ihr Verlustrisiko bereits vertraglich minimiert, indem sie die variablen Zinsen bei 0 Prozent kappte, so dass sich – über die festgeschriebene Zahlungspflicht der Bank von 3 Prozent hinaus – keine „negative Zinszahlungspflicht“ des Kunden ergeben konnte. Mit anderen Worten: Für den Fall, dass sich die variable Zinsdifferenz im Sinne des Kunden entwickelt, begrenzte die Bank ihren möglichen Verlust aus dieser Komponente auf Null.
Doch ein weiteres Moment läßt aufhorchen: Das Geldhaus hatte die Wette sofort nach Vertragsabschluss m Kapitalmarkt weiter verkauft. So mag es nicht verwundern, dass die Risikostruktur bewusst zu Lasten des Kunden gestaltet war, denn sonst wäre der Vertrag kaum gewinnbringend am Kapitalmarkt zu handeln gewesen.

Konsequenzen des Urteils umstritten

Welche Auswirkungen das Urteil zu den Spread Ladder Swaps auf das Bankengeschäft haben wird, ist noch nicht abzusehen. Ebenso wenig, inwiefern andere Finanzprodukte davon betroffen sein könnten.
So ging aus einer dpa-Meldung nach Verkündung des Urteiles hervor, dass Banken keineswegs verpflichtet seien, die Kunden über die eigene Gewinnabsicht aufzuklären, sei dies doch offensichtlich. Anders verhält es sich jedoch, wenn in diesem Fall über die Gewinnabsicht hinaus besondere Umstände vorliegen. So betonte der Senatsvorsitzende Ulrich Wiechers, die Deutsche Bank habe "die Risikostruktur des Geschäft bewusst zulasten des Kunden und zu ihrem Vorteil gestaltet, um das Risiko gewinnbringend zu verkaufen."

Anzeige

Eine Klagewelle wird nicht abzuwenden sein. Unzählige Kommunen haben bereits angekündigt, nun ebenfalls gegen verlustreiche Swap-Verträge vorgehen zu wollen. Gestritten wird hierbei möglicherweise um Milliardensummen.
Auch zur Bewertung des Urteils existieren unterschiedliche Meinungen. Dorothea Mohn vom Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) wertete das Urteil als Signal an Bankkunden, dass „genereller Handlungsbedarf besteht, die Qualität in der Finanzberatung zu verbessern.“ Dem entgegen versicherte die Deutsche Bank, dass sie den Klagen mit Gelassenheit entgegen sehe. „Die Höhe der Streitwerte und die Zahl Verfahren ist überschaubar“, sagte Christian Duve, Anwalt der Deutschen Bank. Das Geldhaus habe stets über Chancen und Risiken des Produktes aufgeklärt, müsse folglich die Klagen nicht fürchten.



Mirko Wenig