„Munich Re“ will mehr Transparenz bei komplexen Kumulrisiken
Soziale, wirtschaftliche, technologische und demografische Entwicklungen verändern die Risikolandschaft. „Munich Re“ will deshalb das Risikomanagement weiterentwickeln.
Immer neue Verkettungen von Risiken erfordern Weiterentwicklungen im Risikomanagement. Torsten Jeworrek, Vorstandsmitglied und verantwortlich für die Rückversicherungsaktivitäten von Munich Re: „Gutes Risikomanagement erfordert heute ein viel tieferes Verständnis von Zusammenhängen als früher.“ Bei schweren Naturereignissen gab es schon immer eine lokale Kumulierung versicherter Schäden. Aber diese Schäden betrafen vor allem die Sachversicherung und wirkten sich auf andere Regionen nicht aus. Jeworrek: „In der Vergangenheit bedeutete Kumulkontrolle in erster Linie, die Höhe möglicher Sachschäden zu begrenzen.“ Heute entstehen Kumulrisiken zunehmend durch die weltweite Abhängigkeit von Risiken untereinander, zum Beispiel durch die globale Vernetzung der Wirtschaft oder durch global gleichlaufende Entwicklungen wie die Veränderung der Lebenserwartung.
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Ein einschneidendes Ereignis für die Neubewertung von Risiken war der 11. September 2001: Die fürchterlichen Terroranschläge vor 10 Jahren veränderten die Welt, viele Menschen verloren ihr Leben. Darüber hinaus führten die Anschläge der Versicherungswelt eine neue Komplexität vor Augen. Nicht nur die Dimension der Schäden überraschte. Die Folgen der Anschläge verursachten zudem versicherte Schäden, die fast alle Sparten betrafen. Auch die Verteilung der Schadenlast war bemerkenswert. So entfielen von rund 32 Milliarden US-$ Schadenzahlungen etwa 33 % auf Betriebsunterbrechungsschäden (zum Beispiel von Duty-Free-Läden an Flughäfen als Folge des Flugverbots). Auch löste der Anschlag Turbulenzen an den Aktienmärkten aus, die die Kapitalkraft der Versicherer zusätzlich in Anspruch nahmen. Jeworrek: „Zeitgemäßes Risikomanagement muss solche Zusammenhänge vorab identifizieren und bewerten. Dies ist nicht nur wichtig für die Steuerung der Risikoübernahme eines Versicherers, im Extremfall ist es eine Frage des Überlebens. Und es öffnet auch den Blick für neue Risikotransferlösungen.“ So haben sich für Terrorismusrisiken inzwischen in vielen Ländern Versicherungslösungen auf Basis öffentlich-privater Partnerschaften herausgebildet. Private Versicherungsunternehmen bieten klar definierte und begrenzte Deckung für kommerzielle Risiken; staatliche Garantien geben Schutz für extreme Schäden.
Großes Kumulpotenzial entsteht auch bei der Versicherung sogenannter Rückwirkungsschäden: Das ist eine Deckung für Verluste eines Unternehmens aus Betriebsunterbrechungen, wenn ein Zulieferer aufgrund eines Schadens seinen Lieferverpflichtungen nicht nachkommen kann. Lieferketten sind heute aus zahlreichen Gründen anfälliger als früher: die Unternehmen sind stärker spezialisiert, Bauteile werden just in time oder just in sequence geliefert, die internationale Arbeitsteilung hat zugenommen. Für Versicherer sind diese Deckungen zu einem nur noch schwer kalkulierbaren Risiko geworden.
Mit dem Erdbeben in Japan im März wurde das Schadenpotenzial aus unterbrochenen Lieferketten den Marktteilnehmern deutlich bewusst. Bisher wurden von einzelnen Unternehmen nur vorsorglich einige Schäden gemeldet. Die endgültige Schadenlast ist also noch offen. Munich Re hatte mögliche Rückwirkungsschäden in ihrer Schadenschätzung seinerzeit explizit berücksichtigt. Angesichts der Intransparenz der Exponierungen aus diesen Deckungen betont Jeworrek: „Wir sehen die Notwendigkeit, die bestehenden Deckungskonzepte zu verändern. Gemeinsam mit unseren Kunden werden wir neue Lösungen entwickeln.“
Für ein adäquates Risikomanagement müssen vor allem die Wechselwirkungen zwischen Risiken früh erkannt werden. Dafür setzt Munich Re nicht nur auf das eigene Risiko-Knowhow, sondern auch auf die Zusammenarbeit mit externen Partnern, wie Forschungsinstituten und Universitäten. Auf Basis des so generierten Wissens hat Munich Re eine neue Software entwickelt, die eine qualitative und quantitative Analyse komplexer Kumulierungen unterstützt. Der Complex Accumulation Risk Explorer (CARE) verbindet Expertenwissen aus vielen Disziplinen. Einzelne Ereignisse und deren direkte sowie indirekte Folgen werden systematisch erfasst. Abhängigkeiten zwischen Risiken werden sichtbar und können unter versicherungstechnischen Gesichtspunkten analysiert werden.
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Jeworrek: „CARE wird unser Risikomanagement unterstützen. Die Entscheidung, welche Risiken unter welchen Bedingungen versichert werden können, bekommt eine neue Basis. Damit können wir schnell risikobegrenzende Maßnahmen ergreifen und frühzeitig an Lösungen für die Zukunft arbeiten.“ Munich Re prüft, in welcher Form CARE nach der Pilotphase auch Kunden angeboten werden kann.