Damit setzt sich die langjährige einseitige Verteilungsentwicklung in Deutschland fort, zeigt der neue "Verteilungsbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts" (WSI) in der "Hans-Böckler-Stiftung".

Anzeige

Zwar legten die Lohneinkommen der Vollzeitbeschäftigten in der ersten Hälfte 2011 - bei steigenden Preisen - wieder etwas stärker zu. Doch bei vielen Arbeitnehmern, die in Teilzeit oder anderen atypischen Beschäftigungsverhältnissen arbeiten, sei bisher von den Zuwächsen wenig angekommen, schreibt WSI-Leiter Claus Schäfer im Verteilungsbericht. Dabei seien es vor allem solche Jobs gewesen, die in den letzten Monaten neu entstanden sind. "Die Arbeitnehmer beziehungsweise ihre Löhne nehmen nach Abebben der letzten Krise wieder nicht ausreichend am wirtschaftlichen Erfolg teil", konstatiert Schäfer. So erhalte die Binnennachfrage nicht die Impulse, die auch angesichts schlechter Wachstumsaussichten nötig seien.

Wie das Kaufkraftpotenzial der Arbeitseinkommen langfristig schrumpft, lässt sich unter anderem an der Netto-Lohnquote ablesen. Das Statistische Bundesamt hat die Daten ab 1991 neu berechnet. Deren Niveau hat sich dadurch etwas nach oben verändert, die Tendenz nicht. Nach Abzug von Steuern und Abgaben erreichte die Lohnquote zwischen 1960 und Ende der 1980er-Jahre noch ein Niveau von über 50 Prozent. Seit 2005 schwankt sie zwischen gut 42 und knapp 44 Prozent. 2010 waren es 43,7 Prozent, im ersten Halbjahr 2011 dann 42,0 Prozent. Zwar dürfte sich die Netto-Quote in der zweiten Jahreshälfte etwas erhöhen, weil dann Urlaubs- und Weihnachtsgelder gezahlt werden. Der langfristige Trend bleibe aber ungebrochen, betont der Forscher. "Die Lohneinkommen verlieren an Gewicht gegenüber den Gewinn- und Kapitaleinkommen, die überwiegend einer relativ kleinen Bevölkerungsgruppe zufließen." Die Nettogewinnquote stieg im ersten Halbjahr 2011 auf 33 Prozent und ist damit fast wieder auf dem historischen Höchststand von 33,6 Prozent vor der Finanzkrise 2008.

Anzeige

Die Bundesregierung setze dem Trend zur Ungleichheit mit ihrer Steuer- und Abgabenpolitik wenig entgegen, schreibt Schäfer. So sei die direkte Steuerbelastung auf Gewinn- und Vermögenseinkommen der privaten Haushalte mit der guten Gewinnlage zwar etwas gestiegen. Doch das Niveau bleibt niedrig: 8,6 Prozent laut Volkswirtschaftlicher Gesamtrechnung. Der Verteilungsforscher bezeichnet einen fundamentalen Kurswechsel in der Steuerpolitik als wichtige Voraussetzung, um die parallel laufende "soziale Spaltung der Gesellschaft und die finanzielle Austrocknung des Staates" zu stoppen. Hohe Einkommen und Vermögen müssten über höhere Steuern stärker herangezogen werden, um insbesondere die Belastungen durch Bankenrettung, Finanz- und Staatsschuldenkrise zu schultern.