Patienten flüchten aus der Privaten Krankenversicherung
Nach Informationen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ versuchen immer mehr Privatpatienten, in die gesetzliche Krankenversicherung zu wechseln. Schuld seien die drastischen Beitragssteigerungen in der PKV.
Zum 01. Januar 2012 erhöhten viele private Krankenversicherungen ihre Beiträge drastisch, teilweise um bis zu 50 Prozent. Doch viele Versicherungsnehmer scheinen die Beitragserhöhungen nicht akzeptieren zu wollen – laut einem Bericht des Spiegel versuchen immer mehr Privatpatienten, in eine gesetzliche Krankenkasse zu wechseln.
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“Bei uns häufen sich die telefonischen Anfragen von Privatversicherten, die zur AOK kommen wollen“, sagte Wilfried Jacobs, Chef der AOK Rheinland/Hamburg, gegenüber dem Spiegel. Auch andere Krankenkassen berichten von einer steigenden Nachfrage. So wechselten im Jahr 2011 rund 27.600 Privatversicherte zur Barmer-GEK, neun Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Techniker Krankenkasse konnte sogar 68.000 frühere Privatpatienten als Neumitglieder begrüßen, das sind fast zwölf Prozent mehr als 2010. Die AOK Rheinland/Hamburg nannte keine offiziellen Zahlen.
Das Problem hierbei: Der Gesetzgeber hat einen Austritt aus der privaten Krankenversicherung nur in Ausnahmefällen vorgesehen, etwa wenn ein Versicherungsnehmer arbeitslos wird oder das Gehalt unter die Versicherungspflichtgrenze von derzeit 45.900 Euro Jahresgehalt rutscht. Die Krankenkassen helfen den Wechselwilligen jedoch, indem sie bewusst nach gesetzlichen Schlupflöchern suchen. „Es gibt Tricks, mit denen wir Privatpatienten helfen können“, sagte ein Krankenkassenmanager dem Spiegel. Voraussetzung hierfür sei oftmals die Kooperationsbereitschaft des jeweiligen Arbeitgebers, etwa indem er kurzzeitig einen niedrigeren Lohn zahle.
PKV-Dachverband dementiert
Ein Sprecher des Verbandes der privaten Krankenversicherung wies den Spiegel-Bericht zurück. Zwar habe man noch keine konkreten Zahlen für das Jahr 2011 vorliegen, um Aussagen über die Zu-und Abwanderung von Patienten machen zu können. Jedoch seien unter dem Strich mehr Kunden hinzugewonnen worden als verloren gegangen, so dass der Trend sogar dahin gehe, dass mehr Patienten aus der gesetzlichen in die private Krankenversicherung wechseln. Die Abwanderung könne deshalb nur vor dem Hintergrund steigender Neukundenzahlen bewertet werden. „Es muss noch sehr viel passieren, bis dieser Wanderungssaldo negativ für die Versicherung wird“, schlussfolgerte der PKV-Sprecher.
Belastet wird die Entwicklung der PKV derzeit von mehreren Faktoren: Immer mehr Versicherungsnehmer zahlen ihre Beiträge nicht, der Schaden wegen Beitragssäumern wird aktuell auf 554 Millionen Euro geschätzt. Das Problem ist jedoch zum Teil hausgemacht, da die Anbieter mit dem Konzept scheiterten, Neukunden mit Dumpingtarifen zu ködern. Gerade in den Billigtarifen sind viele Nichtzahler zu verzeichnen, weil Patienten in die PKV gelockt werden, die sich einen privaten Schutz eigentlich nicht leisten können.
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Zudem bringt die zunehmende Alterung der Gesellschaft auch die private Krankenversicherung in Nöte. Ein Wettbewerb ist vor allem um junge Neukunden möglich – deren niedrige Einstiegstarife müssen ältere Versicherungsnehmer mit teils drastischen Beitragserhöhungen mitfinanzieren. So sorgte im Jahr 2010 eine geheim gehaltene Studie für Schlagzeilen, die für die kommenden Jahrzehnte eine Kostenexplosion für die PKV prophezeite. Die Studie wurde jedoch vom Dachverband der privaten Krankenversicherungen als tendenziös zurückgewiesen.