Geldinstitute horten 500 Milliarden Euro bei der Europäischen Zentralbank
Die Europäische Zentralbank gibt zu Niedrigzinsen Geld an die Banken – und erhält es zurück. Die Geldinstitute sparen bei der Notenbank eine Rekordsumme an, weil sie sich gegenseitig nicht trauen. Nun fordert das „Institut der deutschen Wirtschaft“ sogar eine Teilverstaatlichung der Großbanken als Maßnahme gegen eine drohende Kreditklemme.
Die Einlagen der Geschäftsbanken bei der Europäischen Zentralbank erreichen immer schwindelerregendere Höhen. Am Dienstag teilte die EZB in Frankfurt mit, dass die Vorsichtskasse der Banken des Euroraums erstmals die Schwelle von 500 Milliarden Euro geknackt habe. Insgesamt betrugen die eintägigen Einlagen bei der Notenbank 501,93 Milliarden Euro.
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Einlagen als Indikator für gegenseitiges Misstrauen
Die Höhe der Einlagen bei der EZB werden als Indikator für das Misstrauen der Kreditinstitute untereinander gewertet. Normalerweise gilt das kurzfristige Geschäft mit EZB-Einlagen als eher unattraktiv, da das angelegte Geld mit einem Einlagenzinssatz von 0,25 Prozent deutlich schlechter verzinst wird als bei anderen Geldgeschäften.
Doch der direkte Geldhandel zwischen den Geldhäusern funktioniert derzeit nicht wie gewohnt. Zum einen sorgt das starke Engagement der Institute in Staatsanleihen angeschlagener Euro-Länder für Argwohn. Zum anderen ist die Liquidität der Geschäftsbanken derzeit ungewöhnlich hoch, nachdem die EZB im Dezember 489 Milliarden Euro als Dreijahrestender an die Banken zu Niedrigzinsen vergab. Erst vor wenigen Tagen hatte EZB-Präsident Mario Draghi angekündigt, dass die Notenbank auch weiterhin mit einer Niedrigzinspolitik das Wachstum im Euroraum stützen will, da man eine schwierige Konjunkturentwicklung für den Euroraum prognostiziere.
Kreditklemme und Bankenimplosion?
Wachsen kann die Wirtschaft aber nur, wenn das Geld tatsächlich investiert wird – aufgrund des derzeitigen Misstrauens unter den Geldhäusern befürchten Ökonomen jedoch eine Kreditklemme. Das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) hat deshalb eine Zwangsrekapitalisierung der europäischen Banken vorgeschlagen. In einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte IW-Chef Michael Hüther am Dienstag: „Wir müssen alle systemrelevanten Banken in Europa dazu verpflichten, Staatsgeld gegen eine Staatsbeteiligung anzunehmen – systematisch und proaktiv.“ So soll das Vertrauen unter den Geldhäusern wieder hergestellt werden. Er argumentiert, dass die derzeitige Kreditklemme zu einer Kettenreaktion führen könne, bei der sowohl Banken als auch Realwirtschaft in Mitleidenschaft gezogen werden.
Auch eine Teilverstaatlichung der Deutschen Bank brachte Michael Hüther ins Gespräch. Zwar seien die deutschen Banken nicht direkt gefährdet – würden jedoch mit in einen Abwärtsstrudel gezogen, sobald das europäische Bankensystem implodiert. Hüther verglich die drohende Kettenreaktion mit der Situation nach der Lehman Brothers-Pleite. Damals führte eine Angstwelle an den Kapitalmärkten dazu, dass sich die Kreditinstitute kein Geld mehr liehen und die Aktienmärkte einbrachen. Auch die Investitionen in Industrie und Gewerbe brachen damals ein. Neue Staatsgarantien könnten dazu dienen, möglichen Bank-Zusammenbrüchen vorzubeugen und das Vertrauen wieder herzustellen.
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Ob derzeit tatsächlich mit einer Kreditklemme zu rechnen ist, darüber gehen die Expertenmeinungen auseinander: So sorgt etwa die positive Konjunkturentwicklung in Deutschland bisher für mehr Investitionen. Ein Kredithürden-Indikator des Münchener ifo-Institutes war im November letzten Jahres sogar zurückgegangen. Vor allem Mittelstand und Industrie befürchten jedoch, dass die neuen Eigenkapitalregeln der Banken (Basel III) zu Lasten der Unternehmen gehen könnte – Um sich gesundzuschrumpfen und genug Eigenkapital auszuweisen, so die Befürchtung, setzen die Geldhäuser bei der Kreditvergabe für mittelständische Unternehmen vermehrt den Rotstift an.
mw