Niederlande ohne Provision?
Der Versicherungsvertrieb per Provision ist in Deutschland das wohl etablierteste Modell der Vergütung, aber der Kritik ausgesetzt. Ob man Versicherungen auch ohne Provisionen vertreiben kann, wird möglicherweise schon bald in europäischen Nachbarländern zu beobachten sein. Die Niederlande plant nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ ein Provisionsverbot für die Branche.
Wer in Deutschland Versicherungsvertrieb sagt, der meint in der Regel die Vergütung per Provision. Laut der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) waren im September 2011 250.000 Versicherungsmakler, -vermittler und vertreter registriert, die auf Provisionsbasis arbeiten. Demgegenüber konnten nur 209 Berater gezählt werden, die sich auf Honorarberatung spezialisiert hatten. Auch bei den Versicherern ist alles auf den Provisionsvertrieb ausgerichtet: Nur 20-30 Prozent aller Gesellschaften bietet überhaupt Nettotarife an, die einen provisionsfreien Vertrieb ermöglichen würden.
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Immer wieder gerät das Modell der Provisionsvergütung in die Kritik. Vermitteln die Berater wirklich den Versicherungsvertrag, der am besten für den Kunden ist? Oder vermitteln sie das Angebot jener Versicherung, bei der sie die höchste Vergütung einstreichen? In den letzten Monaten sorgte die Assekuranz mit Provisionsexzessen für Schlagzeilen: Mitarbeiter des Finanzvertriebes MEG konnten bis zu 21 Monatsbeiträge für die Vermittlung einer privaten Krankenversicherung erhalten. Als Reaktion hat die Regierung bereits ein Gesetz zur Provisionsdeckelung erlassen, auch wenn derartig hohe Summen für die meisten Vermittler illusorisch waren. Aber ist der Versicherungsvertrieb ohne Provisionszahlungen überhaupt denkbar?
Pläne für Provisionsverbot in Niederlande weit fortgeschritten
Ob ein Verzicht auf Provisionen tatsächlich praktikabel ist, könnte schon bald in den Niederlanden zu beobachten sein. Wie die Süddeutsche Zeitung berichtet, plant das Land ein Provisionsverbot für die Versicherungsbranche. Das niederländische Parlament habe das Provisionsverbot bereits beschlossen.
Eine Besonderheit überrascht jedoch bei dem Vorstoß des Nachbarlandes: Dort haben nicht Verbraucherschützer oder Politiker das Verbot auf den Weg gebracht, sondern der Verband der Versicherungskonzerne selbst. „Der Verbraucher sollte im Mittelpunkt stehen, das Provisionsmodell sorgt immer für Interessenskonflikte des Beraters gegenüber dem Kunden“, sagt Harold Mahadew, Politikberater des Verbandes, gegenüber der Süddeutschen. Das Finanzministerium feilt noch an den Details der Regelung, aber ein Zurück gebe es nach Ansicht Mahadews nicht mehr.
Zum 01.01.2013 wird das Provisionsverbot bindend. Es soll unter anderem für komplexe Finanzprodukte, Hypthekarkredite und bestimmte andere Dienstleistungen gelten. Laut dem niederländischen Versicherungsverband würden im Idealfall zwei Produktsphären entstehen, die unabhängig voneinander funktionieren und evaluiert werden können. Auf der einen Seite stehe das Versicherungsprodukt selbst, auf der anderen Seite die separate unabhängige Beratung.
Viele Fragen ungeklärt
Wie sich zukünftig das Verhältnis zwischen Versicherungsgesellschaften und Vertrieb gestalten soll, wirft jedoch Fragen auf. Schließlich muss der Vertrieb Zugang zu den Produkten haben und die Makler übernehmen bisher auch die Betreuung von Verträgen (verzekeraars.org). Die Qualitätsrichtlinien für die Honorarberatung sind ebenfalls noch zu verhandeln. Selbst Befürworter der Honorarberatung müssen einräumen, es sei illusorisch, dass schlechte und fehlerhafte Beratungsleistungen mit dem Honorarmodell der Vergangenheit angehören. Schwarze Schafe wird es auch hier geben. Es besteht auch ein enormer Weiterbildungsbedarf auf Seiten der Vermittler, die bisher keine Honorarberatung anboten.
Zudem stellt sich die Frage, wie akzeptiert das Modell der Honorarberatung beim Kunden sein wird. Schon dreistellige Beträge für die Vermittlung einer privaten Krankenversicherung sind die Kunden möglicherweise nicht bereit zu zahlen. Für Vertriebsmitarbeiter und Makler könnte das neue Modell deutliche Einbußen bedeuten, eine Verbesserung der Beratungsqualität ist keinesfalls garantiert. Es besteht die Gefahr, dass immer mehr Kunden direkt im Internet abschließen – ohne Beratung. Der niederländische Versicherungs-Dachverband scheint um die Probleme zu wissen. Eine Informationskampagne soll die Honorarberatungs-Kompetenzen der Kunden erhöhen.
Dennoch habe der niederländische Versicherungsverband das Verbot mit ganzem Herzen unterstützt und sich seit Jahren für die kundenfreundliche Trennung der Funktionen zwischen Versicherern, Vermittlern und Verbrauchern eingesetzt, heißt es in einer früheren Pressemitteilung der niederländischen Versicherer. Für bestimmte Finanzprodukte wird damit die Honorarberatung in den Niederlanden gesetzlich verpflichtend.
Auch EU-Kommission berät über Provisionsvertrieb
Nicht nur im Land der Deiche und Windmühlen wird über den Provisionsvertrieb von Finanzprodukten nachgedacht. Die EU will die Finanzmarktrichtlinie neu gestalten, unter dem Namen Mifid II könnte ein Provisionsverbot spätestens im Herbst 2013 dem EU-Parlament zur Abstimmung vorliegen. Der aktuelle Entwurf des EU-Binnenmarktkomissars Michel Barnier sieht unter anderem ein Provisionsverbot für die Vermittlung von Investmentfonds vor. Auch zielt die EU-Richtlinie auf mehr Transparenz bei der Finanzvermittlung: So soll sich ein Bankberater zukünftig nur „unabhängig“ nennen dürfen, wenn er keine Verkaufsprovisionen kassiert. In Deutschland hat vor wenigen Monaten die SPD gefordert, die Honorarberatung stärker zu fördern.
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Zunächst zielt die neue Finanzrichtlinie vor allem darauf, dass Vermittler ihre Provisionen transparenter ausweisen müssen. Ob eine Offenlegungspflicht tatsächlich zu mehr Transparenz führt, ist jedoch umstritten. So ist neben der Niederlande auch in Großbritannien ab 31.12.2012 ein Verbot von Provisionen vorgesehen , da dort die Pflicht zur Offenlegung nicht zu einer Verbesserung der Finanzberatung führte.