Die Veranstaltung unter der fachlichen Leitung von Prof. Dr. Andreas Richter wurde von den Versicherungsforen Leipzig organisiert. Die Dynamik in der Versicherungswirtschaft, resultierend vor allem aus den Vorgaben von Solvency II einerseits und dem angespannten Kapitalmarktumfeld andererseits, fordert von den Versicherern eine Anpassung ihrer Geschäftsmodelle.

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Damit steigen auch die Anforderungen an die Unternehmenssteuerung und das Risikomanagement. Gefragt sind deshalb pragmatische Lösungsansätze, die sich mit überschaubarem Aufwand realisieren lassen, die Anforderungen der Aufsicht erfüllen und darüber hinaus noch einen Mehrwert für die Versicherungsunternehmen schaffen.

In vier Plenumsvortägen und über 20 Vorträgen von Versicherungsunternehmen und Dienstleistern in elf Fachforen ging es im Hinblick auf Solvency II vor allem um ORSA, Risikosteuerung, aktuarielle Prozesse und die Nebenwirkungen der Regulierung des Risikomanagements sowie um die Themen Compliance und die Umsetzung von IFRS 4 Phase II.

Prof. Dr. Andreas Richter, Lehrstuhlinhaber des Instituts für Risikomanagement und Versicherung und Vorstand des Munich Risk and Insurance Centers an der Ludwig-Maximilians-Universität München, betonte in seinem Einführungsvortrag, dass es zwischen den Zielen der Regulierung von Versicherungsmärkten, dem Schutz der Ansprüche der Versicherungsnehmer und der Stabilität des Finanzsystems, zu Zielkonflikten für die Aufsicht kommen kann.

Die Regulierung nach Solvency II will zuerst Anreize für Versicherungsunternehmen schaffen, die eigenen Risiken zu verstehen und angemessen zu managen. Ob alle in Solvency II geplanten Maßnahmen zu dieser Zielsetzung passen und miteinander kompatibel sind, stellte Prof. Richter in Frage. Er gab zu bedenken, dass einige der Aufsichtsmaßnahmen, wie beispielsweise die fehlenden Eigenkapitalanforderungen für Anleihen aus Staaten der Eurozone und die antizyklische Prämie, vor dem Hintergrund der Stabilität des Finanzsystems zwar notwendig oder hilfreich erscheinen mögen, Anreize für angemessenes (Zins-)Riskomanagement jedoch eher einschränken könnten.

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Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass die grundsätzlich zu begrüßenden internen Modelle zu Informationsvorsprüngen gegenüber der Aufsicht führen, was in adverser Selektion und anderen Fehlsteuerungen resultieren kann.

Solvency II zwischen Reporting und Risikomanagement

Wie Lebensversicherungsprodukte vor dem Hintergrund von Solvency II rendite- und risikoorientiert gestaltet werden könnten, erläuterte Prof. Dr. Jochen Ruß, Geschäftsführer am Institut für Finanz- und Aktuarwissenschaften, in seinen Ausführungen. Neben der demografischen Entwicklung sieht er die größten Herausforderungen für Versicherungsunternehmen im derzeitigen Zinsumfeld, in der Rechnungszinssenkung, im falsch verstandenen Verbraucherschutz sowie in der Umsetzung von Solvency II. Aus diesen Themen leitete er drei Thesen ab:

Erstens die klassische Lebensversicherung müsse sich neu erfinden, zweitens würden neue Rentenbezugsphasen benötigt und drittens müssten die Produktentwicklung und das Risikomanagement enger verschmelzen. Was die Neuerfindung der klassischen Lebensversicherung anbelangt so seien „unter den derzeitigen Rahmenbedingungen so genannte „einfache“ Produktideen nicht umsetzbar. Es gibt jedoch funktionierende Lösungen für kapitaleffiziente klassische Produkte“, betonte Prof. Ruß.

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Der Frage „Solvency II – Effizientes Steuerungsinstrument oder intransparentes Geheimwissen?“ widmete sich Dr. Joachim Maas, Vorsitzender des Vorstands der Volkswohl Bund Versicherungen, in seinem Vortrag. Er gab ein klares Bekenntnis zur EU-Rahmenrichtlinie ab. Jedoch sieht er noch deutlichen Nachbesserungsbedarf bei einzelnen Regelungen. Am Beispiel der Berechnung der Going-Concern-Reserve zeigte er die enormen Bewertungsspielräume auf, die sich aus der Notwendigkeit ergeben, für die Ermittlung der Marktwerte der Technical Provisions Annahmen über Managementregeln und zukünftiges Versicherungsnehmerverhalten treffen zu müssen.

Seine Erfahrungen aus dem Bereich Risikomanagement schilderte auch Raimund Herrmann, Mitglied des Vorstands beim Badischen Gemeinde-Versicherungs-Verband. Als Sachversicherer sah er eine Gefahr in der überproportionalen Belastung durch aufsichtsrechtliche Pflichten, die vor allem für kleinere und mittlere Unternehmen Existenz bedrohend sein können. Als Fazit der letzten beiden Plenumsvorträge, aber auch aus der Veranstaltung im Ganzen, lässt sich festhalten, dass sich vor allem die mittelgroßen Versicherungsunternehmen im Hinblick auf die Umsetzung von Solvency II eine pragmatische Herangehensweise wünschen.

Jedoch wird auch das Nutzenpotenzial der Unternehmenssteuerung unter Risikoaspekten gesehen. Die Steuerungssysteme im Unternehmen müssen dahingehend zielorientiert und stückweise ausgebaut werden. Aus Sicht der Vortragenden dürfen die Anforderungen der Aufsicht nicht überhand nehmen und müssen die Umsetzungskosten der EU-Rahmenrichtlinie in einem vertretbaren Rahmen bleiben. Im Hinblick auf die Reportinganforderungen besteht für viele Versicherer noch Handlungsbedarf, vor allem was einen ausreichenden Datenbestand und adäquate Reportingprozesse angeht.

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Im Rahmen dieses ersten Messekongresses „Finanzen und Risikomanagement“ präsentierten sich 15 Dienstleister an Messeständen und in Form von Projektberichten innerhalb des Fachprogramms, darunter die B&W Deloitte GmbH, metafinanz Informationssysteme GmbH und die PPI AG.

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