Ärzte und Krankenkassen: Neues Bewertungsportal und neue Konflikte
Im Februar haben mehrere große Kassenanbieter ihre Patienten aufgerufen, Ärzte auf dem Portal „weisse-liste.de“ zu bewerten (der Versicherungsbote berichtete). Nun drehen die Mediziner den Spieß um. Zukünftig soll ein Ranking im Internet Auskunft geben, was aus Sicht der Ärzte die besten und schlechtesten gesetzlichen Krankenkassen sind. Darüber hinaus droht die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV), die gemeinsame Patientenversorgung von Ärzten und Krankenkassen aufzukündigen.
Ein Ranking über die besten und schlechtesten Krankenkassen aus Sicht der Ärzte soll es zukünftig im Internet geben. Das teilte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Köhler, am Freitag in Berlin mit. Vorgesehen ist demnach, dass die rund 150.000 niedergelassenen Ärzte und Psychotherapeuten Schulnoten an die Krankenkassen vergeben. Die Internet-Bewertungen sollen allgemein einsehbar sein.
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“Der Krankenkassen-Navigator bietet allen Niedergelassenen die Möglichkeit, das Verhalten der Kassen im täglichen Praxisalltag zu bewerten“, sagte Köhler. Dies sei notwendig, weil Patienten bisher kaum erfahren würden, ob ihr Arzt von den Kassenanbietern reibungslos unterstützt werde. Schulnoten soll es in verschiedenen Rubriken wie Therapiefreiheit, Service oder Bürokratie geben. Auch freie Kommentare sollen möglich sein. Um diffamierende Inhalte zu vermeiden, müssen die Ärzte bei der Registrierung ihren Namen und die Arztnummer angeben.
Ärzte drohen mit Ausstieg aus Kassensystem
Zudem sind die Ärzte dazu aufgerufen, bis zum Ende des Jahres darüber abzustimmen, wie sie sich die weitere Zusammenarbeit mit den Krankenkassen vorstellen. Zuletzt hatten Ärztevertreter über eine Gängelung und ungenügende Bezahlung von Seiten der Krankenkassen geklagt.
Auf dem Spiel steht nicht weniger als die gemeinsame Gesundheitsversorgung von Ärzten und Krankenkassen. Den „historischen Grundkonsens“, wonach Ärzte gemeinsam mit den Kassen für die Versorgung der Patienten geradestehen, gebe es nicht mehr, erklärte KBV-Chef Köhler. Er sprach von einer „Kassendiktatur“ und verglich die Ärzte mit einem Sklaven, der an einer zu kurzen Kette hänge und dessen Kette dennoch ständig gekürzt werde. Zugleich verteidigte er die aktuellen Honorarforderungen der Ärzte von 3,5 Milliarden Euro. Ein Drittel aller Behandlungen werde von den Krankenkassen nicht bezahlt. „Welcher normale Arbeitnehmer und vor allem welche Gewerkschaft würde so etwas hinnehmen?“
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Am Donnerstag werden die Verhandlungen zwischen Ärzten und Krankenkassen über die Höhe der Arzthonorare fortgeführt. Kassenärzte sollen nach dem aktuellen Verhandlungsstand im kommenden Jahr 900 Millionen Euro mehr erhalten, das ist ihnen jedoch zu wenig. Gefordert hatten sie 3,5 Milliarden Euro. Die Krankenkassen hatten sogar auf eine Honorarsenkung bestanden mit der Begründung, dass Ärzte mit einem Nettoverdienst von 165.000 Euro im Jahr zu den bestbezahlten Berufsgruppen in Deutschland zählen. Allerdings gibt es zwischen den Medizinern große Lohnunterschiede. Um den Druck auf die Krankenkassen zu erhöhen, hatten die wichtigsten deutschen Ärztevertretungen sogar mit einem Streik gedroht (der Versicherungsbote berichtete).