In einer zunehmenden Zahl von Städten und Regionen könnte es zukünftig zu Engpässen auf dem Wohnungsmarkt kommen. Leidtragende dieser Entwicklung sind die Mieter, denn die knapper werdende Zahl von Wohnungen schlägt sich in steigenden Preisen und Mieten nieder. Das geht aus dem aktuellen Bericht der Bundesregierung über die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft hervor, den am Mittwoch Bundesbauminister Peter Raumsauer (CSU) vorgestellt hat.

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Mieten stiegen 2011 um drei Prozent

Die durchschnittlichen Mietsteigerungen lagen laut dem Bericht im Jahr 2011 bei rund drei Prozent. Doch es gibt regional große Unterschiede. So müssen die Mieter in Ballungszentren und Studentenstädten weitaus drastischere Mieterhöhungen akzeptieren. Hohe Preissteigerungen beim Abschluss neuer Mietverträge gab es etwa in Berlin (plus 7,4 Prozent), Hamburg (plus 7,5 Prozent), Freiburg im Breisgau (8,1 Prozent), Bremen (plus 8,8 Prozent) und Greifswald (10,4 Prozent).

Dementsprechend schwierig ist es für Menschen in diesen Regionen, bezahlbaren Wohnraum zu finden. Speziell junge Eltern mit Kindern haben Probleme bei der Wohnungssuche. „Aktuell zeichnen sich in einer zunehmenden Zahl von Städten und Regionen lange Zeit nicht mehr bekannte Wohnungsmarktengpässe ab“, heißt es in dem Bericht. Die Ursache seien neben der steigenden Immobiliennachfrage auch Versäumnisse beim Neubau von Wohnungen.

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Dennoch sieht Peter Raumsauer keine Wohnungsnot in Deutschland. „Niemand muss in menschenunwürdigen Unterkünften hausen“, sagte Ramsauer und verwies auf das Wohngeld und die Aufwendungen für die Unterkunft im Rahmen der Grundsicherung. Beides werde mit insgesamt 17 Milliarden Euro unterstützt. Zusätzlich überweise der Bund pro Jahr an die Bundesländer rund 518 Millionen Euro für die soziale Wohnraumforderung.

Mieterbund sieht dringenden Handlungsbedarf

Weit kritischer als Ramsauer schätzt der Deutsche Mieterbund (DMB) die aktuelle Wohnsituation in Deutschland ein. Der Interessenverband warf der Regierung vor, sie habe bisher zu wenig gegen den Wohnungsmangel und die explodierenden Kosten in einigen Städten unternommen. „Wohnungen fehlen, Mieten steigen, Wohnkostenbelastung auf einem Rekordniveau“, fasste der Mieterbund in einer aktuellen Pressemitteilung seine Kritik zusammen. Zudem stelle die demografische Entwicklung eine zusätzliche Herausforderung für den Wohnungsmarkt dar, denn es fehlen bis zum Jahr 2020 drei Millionen altersgerechten Wohnungen.

Doch statt aktiv zu werden, habe die Bundesregierung sogar das Wohngeld gekürzt und die öffentliche Förderung für altersgerechte Umbauten komplett eingestellt. Zudem sei eine Aufweichung des Mietrechtes geplant, so dass Mieter noch schneller gekündigt werden können. Hier fordert Lukas Siebenkotten, Direktor des Mieterbundes, ein Umdenken. „Gut, dass die Bundesregierung in ihrem Bericht die Probleme endlich beim Namen nennt. Jetzt muss sie aber auch handeln. Bisher hat sie nichts unternommen, die Probleme zu lösen.“

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183.000 neue Wohnungen pro Jahr benötigt

Peter Ramsauer räumt Versäumnisse ein, setzt aber darauf, dass sich die Situation angesichts des gestiegenen Wohnungsbaus entspannt - denn in der Baubranche ist ein kleiner Boom zu verzeichnen. „Der Anstieg der Baugenehmigungen um 22 Prozent und der Baufertigstellungen um 15 Prozent im Jahr 2011 werden die Situation auf dem Wohnungsmarkt verbessern“, sagte der Bauminister. „Die Immobilienwirtschaft ist wie ein Tanker – das Umsteuern braucht seine Zeit, bis es wirkt.“

Und tatsächlich ist ein Bauboom vonnöten, um den Mehrbedarf zu decken. Das Ministerium schätzt, dass zwischen 2010 und 2025 jährlich rund 183.000 neue Wohnungen gebraucht werden. Am dringendsten ist der Bedarf in den Städten Berlin, München, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, Stuttgart, in einigen Landkreisen von Baden-Württemberg und Bayern.

Am Bedarf vorbei gebaut

Ein Problem des aktuellen Bautrends ist es jedoch, dass vor allem im oberen Preissegment neue Wohnungen entstehen. So hatte der Dachverband der Wohnungswirtschaft (GDW) bereits im Juni 2012 gemahnt, dass in Großstädten am Bedarf vorbeigebaut werde. Statt preiswerter Mietwohnungen entstehen teure Luxusappartements mit Dachterrasse und Gästezimmern (der Versicherungsbote berichtete).

Ein Grund für diesen Trend ist die Energiewende, die das Bauen deutlich teurer werden lässt. Die Mehrkosten müssen die Investoren durch Aufschläge bei den Mieten wieder reinholen. "Neubau ist durch die Anforderungen an die Energieeffizienz, aber auch durch die Preise für den Baugrund und die Baukosten so teuer geworden, dass er sich in vielen Fällen nur noch im oberen Mietpreissegment rechnet", erklärte Axel Gedaschko, Präsident des Bundesverbandes deutscher Wohnungs-und Immobilienunternehmen.

Die Höhe der Neumieten bestätigt diese Entwicklung. Im Jahr 2011 entstanden rund 43 Prozent aller Neubauten der GdW-Firmen im gehobenen Preissegment, so dass die durchschnittliche Kaltmiete bei 8 Euro je Quadratmeter lag. Für viele Menschen ist das nicht bezahlbar. „Es gibt besonders in einigen Ballungsregionen zu wenig Wohnungen, um auch sozial schwächer gestellte Menschen weiterhin ausreichend versorgen zu können", mahnte Gedaschko auf einer Pressekonferenz des Immobilienverbandes im Juni.

Auch Kaufpreise für neue Immobilien steigen teils deutlich

Bei Kauf-Immobilien gibt es laut dem Bericht des Bundesministeriums ebenfalls deutliche Preisanstiege. In einigen Großstädten erreichen die Steigerungen bis zu neun Prozent. Obwohl dieser Wert deutlich über der Inflationsrate liegt, sieht Peter Ramsauer kein Anzeichen für eine neue Immobilienblase. „Wenn nach zehn bis 15 Jahren gleichbleibenden Niveaus die Preise jetzt anziehen, ist das eine gesunde Entwicklung“, sagte der CSU-Minister. Grund für den Boom sei vielmehr, dass die Bundesbürger aufgrund der Eurokrise und der Angst vor einer Inflation wieder vermehrt in Immobilien investieren. So werden 46 Prozent des Wohnraums in Privatbesitz vom Eigentümer selbst bewohnt.

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Während die durchschnittliche Wohnfläche einer Eigentümerwohnung innerhalb der letzten vier Jahre um fast einen Quadratmeter auf 118,6 Quadratmeter stieg, sank die durchschnittliche Wohnfläche einer Mietwohnung um 0,7 auf 69,9 Quadratmeter.

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