Niedrigzinsphase Belastungsprobe für private Altersvorsorge
Spartenübergreifend können die deutschen Versicherungen einen Anstieg der Beitragseinnahmen um 1,5 Prozent auf insgesamt 180,7 Mrd. Euro verzeichnen. Der Präsident des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft, Rolf-Peter Hoenen, bezeichnete die Geschäftsentwicklung angesichts der besonderen Herausforderungen der Euroschuldenkrise als zufriedenstellend.
Die Schaden- und Unfallversicherer erzielen bei den Beitragseinnahmen ein Plus von voraussichtlich 3,7 Prozent und damit das kräftigste Wachstum seit 1994. Die private Krankenversicherung erwartet einen Anstieg der Beitragseinnahmen von 3,4 Prozent. In der Lebensversicherung ist im Geschäft gegen laufenden Beitrag zum zweiten Mal in Folge ein moderates Wachstum zu verzeichnen auf rund 64,3 Mrd. Euro (+0,6 Prozent). Die Einmalbeiträge konsolidieren sich im aktuellen Geschäftsjahr weiter auf 21,8 Mrd. Euro (Vorjahr: 22,9 Mrd. Euro); deshalb reduzieren sich die Beitragseinnahmen in der Lebensversicherung insgesamt (einschließlich Pensionskassen und -fonds) voraussichtlich um 0,7 Prozent auf 86,2 Mrd. Euro.
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Niedrige Zinsen enorme Herausforderung für Lebensversicherer
Die deutschen Lebensversicherer können im laufenden Jahr voraussichtlich eine Nettoverzinsung von etwa 4 Prozent auf ihre Kapitalanlagen erwirtschaften. Die Kapitalerträge liegen damit auch 2012 deutlich über den durchschnittlichen Garantieverpflichtungen der Lebensversicherer (aktueller durchschnittlicher Rechnungszins im Bestand: 3,2 Prozent). „Sorgen, dass die Lebensversicherer ihre garantierten Leistungen kurz- und mittelfristig nicht mehr erbringen können, sind deshalb unbegründet“, stellte Hoenen mit Blick auf die Berichterstattung der vergangenen Tage nochmals klar. „Unstrittig ist aber auch, dass die Niedrigzinsphase eine ernste Herausforderung für die deutsche Versicherungswirtschaft und eine Belastungsprobe für die private Altersvorsorge ist.“ Hoenen forderte deshalb erneut einen zügigen Ausstieg aus der expansiven Geldpolitik. „Die Risiken und Nebenwirkungen der Medizin, die zur Stützung von Banken und Staaten seit Ausbruch der Bankenkrise eingesetzt wird, sind schon lange bei den Sparern angekommen und belasten inzwischen auch die Lebensversicherungskunden in Deutschland deutlich.“
Lebensversicherung – starke Entwicklung der betrieblichen Altersversorgung
In diesem Jahr werden rund 75 Mrd. Euro an die Kunden der Lebensversicherungen, Pensionskassen und -fonds ausgezahlt. Die Anzahl der Verträge liegt 2012 bei knapp 93 Mio. und damit nahezu auf dem Niveau von 2011. Für die Mehrheit der Kunden steht Sicherheit bei der privaten Altersvorsorge mehr denn je an erster Stelle. Seit Ausbruch der Finanzmarktkrise findet eine kontinuierliche Verschiebung zu Gunsten der klassischen Lebensversicherungen statt: von knapp 59 Prozent im Jahr 2008 auf 76 Prozent in 2012. Entsprechend sank der Anteil der fondsgebundenen Policen von 41 auf 24 Prozent. In der betrieblichen Altersversorgung wurde im Bestand die 14-Millionen-Marke übersprungen. Seit Einführung der Riester-Reform 2001 sind damit weit über 6 Mio. Verträge in der betrieblichen Altersversorgung hinzugekommen.
Private Krankenversicherung: Beitragswachstum und steigende Versicherungsleistungen
Die privaten Krankenversicherer können für 2012 mit einer Steigerung ihrer Beitragseinnahmen auf 35,8 Mrd. Euro rechnen. Davon entfallen auf die Krankenversicherung voraussichtlich 33,8 Mrd. Euro (+3,9 Prozent) und auf die Pflegeversicherung 2 Mrd. Euro (-3,6 Prozent). Das Minus in der Pflegeversicherung beruht auf einer Beitragssenkung in der Pflichtversicherung. Im ersten Halbjahr 2012 betrugen die Beitragseinnahmen in der Privaten Krankenversicherung 17,9 Mrd. Euro. Davon entfielen u. a. 13,1 Mrd. Euro auf die Krankheitsvollversicherung und 1 Mrd. Euro auf die Pflegeversicherung. Das Beitragsvolumen für Zusatzversicherungen erreichte bis Mitte 2012 insgesamt 3,5 Mrd. Euro, davon 2,4 Mrd. Euro für Zusatzversicherungen zum GKV-Schutz (Wahlleistungstarife, ambulante Tarife und Zahntarife).
Die ausgezahlten Versicherungsleistungen dürften bis Ende 2012 ein Volumen von 23,9 Mrd. Euro erreichen. Davon entfallen voraussichtlich 23,1 Mrd. Euro auf die Krankenversicherung (+4,7 Prozent) und 0,8 Mrd. Euro auf die Pflegeversicherung (+6,9 Prozent). Im ersten Halbjahr 2012 zahlten die Unternehmen der Privaten Krankenversicherung insgesamt 11,9 Mrd. Euro an Versicherungsleistungen aus: 11,5 Mrd. Euro in der Krankenversicherung und 0,4 Mrd. Euro in der Pflegeversicherung.
Schaden- und Unfallversicherer: deutliches Wachstum der Beitragseinnahmen und ausgezahlten Leistungen
Entscheidend für das positive Beitragswachstum der Schaden- und Unfallversicherer auf 58,7 Mrd. Euro ist, dass voraussichtlich alle Versicherungszweige wachsen. In der Kraftfahrtversicherung setzt sich die Tendenz des Vorjahres fort; die Beitragseinnahmen steigen 2012 nach der aktuellen Hochrechnung um 5,1 Prozent auf 22 Mrd. Euro an. In der Sachversicherung zeichnet sich ein Beitragswachstum um 4,1 Prozent auf 16,1 Mrd. Euro ab. Allerdings erreichen auch die Leistungen der Schaden- und Unfallversicherer in 2012 ein Rekordniveau. Gegenüber dem Vorjahr stiegen sie auf 45,5 Mrd. Euro (+3,9 Prozent). Bei den Kraftfahrtversicherern sowie den Gewerbe- und Industrieversicherern steigen die Ausgaben – in der Sachversicherung sogar um fast 10 Prozent auf 12,3 Mrd. Euro.
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Der versicherungstechnische Gewinn der Schaden- und Unfallversicherer 2012 steigt leicht um 100 Mio. Euro auf 1,2 Mrd. Euro. Die Schaden-Kosten-Quote, die die Einnahmen und Ausgaben nach Schadenabwicklung und Abzug aller Verwaltungskosten wiedergibt, bleibt in 2012 gegenüber dem Vorjahr mit 98 Prozent nahezu unverändert.