Der Barmer-Vorstand verwies darauf, dass es ein Nebeneinander von privater und gesetzlicher Vollversicherung in keinem anderen Land auf der Welt gebe. „Die Ungerechtigkeiten etwa durch getrennte Wartezimmer und eine Bevorzugung der Privatversicherten bei der Terminvergabe ist nicht hinnehmbar“, sagte Schlenker. Seine Kritik zielt jedoch vor allem auf die Private Vollversicherung. Patienten soll es weiterhin möglich sein, mit privaten Zusatzpolicen sich einen speziellen Schutz wie etwa ein Zweibettzimmer oder eine Chefarztbehandlung zu leisten.

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Der Verband der Privaten Krankenversicherungen (PKV) wies die Kritik umgehend zurück. „Es gibt keine Zweiklassenmedizin“, sagte Verbandssprecher Dominik Heck der LVZ. Für private wie für gesetzliche Versicherte seien Gesundheitsleistungen auf „hohem Niveau“ gewährleistet. Weil viele Privatversicherte für medizinische Leistungen höhere Honorare zahlen, würden sie das Gesundheitssystem insgesamt stärken – das zusätzliche Geld könne etwa in moderne Geräte und innovative Behandlungsmethoden gesteckt werden. Heck sagte, dass die rund neun Millionen Privatversicherten allein zehn Milliarden Euro jährlich mehr an Arzthonoraren zahlen, als wenn sie gesetzlich versichert wären.

Gemischte Gefühle wegen Abschaffung der Praxisgebühr

Das Ende der Praxisgebühr zum 01. Januar 2013 sieht Barmer-Vorstand Rolf-Ulrich Schlenker mit gemischten Gefühlen. „Die Abschaffung ist für die Versicherten zweifellos ein Vorteil, da sie dadurch Geld sparen. Auch die Ärzte freuen sich, weil sie das Geld nicht mehr kassieren müssen“. Einen Vorteil von der Abschaffung hätten jedoch nur diejenigen, die zum Arzt gehen, während die Gesunden nicht davon profitieren können. Hier wäre eine Beitragsabsenkung oder gar die Abschaffung der Mehrbelastung von 0,9 Prozent die besseren Alternativen gewesen, argumentierte Schenker.

Schlenker betonte, die Praxisgebühr sei nicht allein deswegen eingeführt wurden, damit die Menschen weniger zum Arzt gehen. Eine wichtige Lenkungsfunktion sei zusätzlich dadurch entstanden, dass die Patienten erst einen Hausarzt aufgesucht haben, bevor sie dann bei Bedarf zu einem Facharzt überwiesen wurden. Diese Hürde werde nun wegfallen. „Ich rechne in der Tat damit, dass der direkte Facharztbesuch deutlich zunehmen wird“, sagte der Barmer-Vorstand.

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Auch warnte Schlenker davor, die finanzielle Situation der Gesundheitskassen zu optimistisch einzuschätzen. Während die Ausgaben im kommenden Jahr voraussichtlich um fünf Prozent steigen werden, liege der erwartete Einnahmezuwachs der GKV bei rund 2 Prozent. Folglich könnten die Rücklagen aus Gesundheitsfonds und Kassen schnell aufgebraucht sein. „Die kostendämpfenden Maßnahmen der letzten Arzneimittelgesetze laufen aus. Außerdem schlägt die Honorarerhöhung für die Ärzte mit 1,3 Milliarden Euro zu Buche, eine halbe Milliarde Euro mehr bekommen die Apotheker. Weil wir das wissen, war und ist es unsere Auffassung, dass es besser wäre, sich für schlechte Zeiten zu wappnen.“