Der Finanzstabilitätsbericht 2012 (PDF) der Deutschen Bundesbank beschreibt die Bedrohungen der Finanzstabilität durch die Staatsschuldenkrise. Das Niedrigzinsumfeld sei ein „verstärkter Risikofaktor“, sagte Dr. Andreas Dombret, Mitglied des Vorstandes der Deutschen Bundesbank bei der Vorstellung. In diesem Spannungsfeld wird die Versicherungswirtschaft neue Geschäftsfelder erschließen und ausbauen, so der Manager. „Die Risikolandkarte ist neu zu vermessen“.

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„Die Risiken für das deutsche Finanzsystem sind unverändert hoch.“ Das ist einer der ersten Sätze des diesjährigen Finanzstabilitätsberichts der Deutschen Bundesbank. Dieser wurde Mitte diesen Monats in Frankfurt am Main vorgestellt. Und ein weiterer nicht gerade zur Beruhigung beitragender Satz auf den ersten Seiten lautet: „Ein anhaltendes Niedrigzinsumfeld mit hoher Liquiditätsversorgung birgt einige typische Risiken für den längerfristigen Erhalt der Finanzstabilität.“
Der Report umfasst 104 Seiten und gibt eine detaillierte Einschätzung der Risiken des deutschen Finanzsystems wider. Vorschläge an die Politik und die im Finanzmarkt agierenden Branchen, insbesondere an die Bank- und Versicherungswirtschaft, fasst der Bericht kompakt auf einer Seite zusammen, die die Überschrift „Stabilitätslage im deutschen Finanzsystem 2012“ trägt.
„Fünf Jahre nach Ausbruch der globalen Finanzkrise ist das deutsche Finanzsystem robuster geworden“, heißt es im Bericht. Entwarnung gibt die Bundesbank damit allerdings nicht. Zwar komme die Umsetzung der umfassenden Reformvorhaben zur Regulierung der Finanzmärkte insgesamt gut voran. Die Ertragslage könne in Zukunft jedoch durch „zyklische und strukturelle Entwicklungen unter Druck geraten.“

Risikolandkarte muss neu vermessen werden

Die größte Bedrohung für das deutsche Finanzsystem sieht Dr. Andreas Dombret, Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, indes weiterhin in der europäischen Staatsschuldenkrise. „Eine rasche Entkopplung erwarte ich nicht“, sagte Dombret. „Dies liegt insbesondere an der Vielzahl von Übertragungs- und Ansteckungskanälen in einem eng verflochtenen Wirtschafts- und Währungsraum“, heißt es als Begründung dazu im Finanzstabilitätsbericht. „Die Risikolandkarte ist gleichwohl neu zu vermessen“, so Dombret. Große geld- und finanzpolitische Maßnahmen seien erforderlich gewesen, um das Finanzsystem zu stabilisieren.
Als einen „verstärkten Risikofaktor“, der auch vor der Finanzkrise eine Rolle gespielt habe, sieht Dombret dabei das Niedrigzinsumfeld, welches sich verfestigt habe. Mit den steigenden Immobilienpreisen sowie dem globalen Schattenbankensystem erwähnte der Bundesbank-Vorstand zwei weitere Felder, auf denen Risiken lauerten.

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Niedrigzinsumfeld lässt „vorsichtige Neuausrichtung“ erkennen

Das anhaltend niedrige Zinsumfeld, von dem die deutschen Lebensversicherer „spürbar betroffen“ seien, spiegele sich immer deutlicher in den Kapitalanlage-Ergebnissen wider. Dombret verwies in diesem Zusammenhang auf die im vergangenem Jahr auf 4,1 Prozent gesunkene erwirtschaftete Nettoverzinsung – „Tendenz weiter fallend.“
Auf der Suche nach einer Lösung auf die Herausforderung Niedrigzinsumfeld erinnerte Dombret auf die bisherigen Schritte der Assekuranz: Die Reduzierung der Überschussbeteiligung, den vom Bundesfinanz-Ministerium zuletzt von 2,25 Prozent auf 1,75 Prozent gesenkten Höchstrechnungszins für Neuverträge sowie die Einführung einer Zinszusatzreserve. Für eine „strategische Antwort“ auf die anhaltend niedrigen Zinsen sieht die Bundesbank inzwischen „Anzeichen für eine vorsichtige Neuausrichtung“. „Neue Geschäftsfelder wie die Finanzierung von Infrastruktur- und Immobilienprojekten sowie die direkte Kreditvergabe werden neu erschlossen und ausgebaut“, sagte Dombret.
Dabei sei es notwendig, ein adäquates Risikomanagement aufzubauen, das Solvency II berücksichtige. Durch das „Vordringen von Versicherern“ auf den von dem Projekt Solvency II betroffenen Märkten, „erhöht“ die Assekuranz „zugleich den Wettbewerb auf diesen Märkten“, so der Bundesbank-Vorstand. Für die Banken gehöre dies zu dem sich ändernden Umfeld.

Wuchert die Assekuranz in fremden Terrain?

Verbirgt sich hinter dieser schlichten Aussage des verändernden Umfeldes der Bankwirtschaft die spannende Frage, welche als typisch Bankanlage geltenden Produkte die Versicherungswirtschaft in Zukunft anbietet? Eine erneute Suche nach Rendite finde jedenfalls in einem ganz anderen Umfeld statt. „Dazu gehört auch die schwächere Stellung der Banken“, gibt Dombret zu bedenken.
Die diplomatische Wortwahl des Bundesbank-Managers nimmt im Finanzstabilitätsbericht dann doch noch konkrete Formen an. Die niedrigen Zinsen für Anlagen erstklassiger Bonität belasteten die konservative Anlagepolitik der Assekuranz. „Eine denkbare Reaktion“ auf das Niedrigzinsumfeld heißt es dort, „besteht darin, Geschäftsfelder wie die Finanzierung von Infrastruktur- und Immobilienprojekten sowie die direkte Kreditvergabe an Endkunden neu zu erschließen und auszubauen.“
Laut Bundesbank würden solche Initiativen jedoch mit einem höheren Risiko einhergehen. Die „gesunkenen Risikoanlagequoten“ der Assekuranz sprächen aktuell zudem gegen eine „ausgeprägte“ Suche nach Rendite.

Druck auf die Bank- und Versicherungswirtschaft nimmt zu

Dombrets Fazit lautete denn auch, dass „der Druck auf Banken und Versicherer zunimmt“ und „Versicherer werden vorrangig von den anhaltend niedrigen Zinsen herausgefordert.“ Daraus resultiert der Vorschlag von Dombret, die deutschen Lebensversicherer anzuhalten, „weiterhin Vorsorge zu betreiben, um Zinsgarantien auch künftig bedienen zu können.“
„Es ist davon auszugehen, dass die Lebensversicherer auch in den kommenden Jahren über die Bildung von Zinszusatzreserven ihre Rückstellungen verstärken werden“, schreibt die Bundesbank dazu in ihrem Finanzstabilitätsbericht. Gleichzeitig erinnert sie an das Ergebnis an die zuletzt 2011 durchgeführte Abfrage der BaFin, das gezeigt habe, dass die Kapitalerträge der Branche im vorgegebenen Niedrigzinsszenario insgesamt 15 Jahre lang ausreichen, um die garantierten Zinszahlungen zu finanzieren.“

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