Wüstenrotvertreter gesteht - Bausparkasse hat Kunden bewusst zu schlechterem Produkt beraten
Ein langjähriger Vertreter der Bausparkasse Wüstenrot nennt die Praktiken seines Arbeitgebers "Kundenverrat". Die Bausparkasse Wüstenrot schichtete offenbar über Jahre Gelder von Kunden in schlechter verzinste Bausparverträge um. Mit einer internen Wüstenrot-Vertriebskampagne und "Kündigungsprämien" in Höhe von 1.300 Euro und mehr sollen Vertreter motiviert worden sein, jegliche Moral von Bord zu werfen und Kunden gezielt zur Vertragsauflösung geleitet zu haben. Laut Informationen des Handelsblatt sparte die Wüstenrot Bausparkasse so rund 700 Millionen Euro.
Seit 2007 wurden insgesamt 728.000 Verträge aufgelöst. Das bestätigte die Bausparkasse auf Anfrage des Handelsblatts. Diese Bausparverträge garantierten Kunden Zinsen von 3,5 Prozent und Bonuszinsen bei Vertragsende. Diese verfielen bei vorzeitiger Auflösung des Vertrags. Nach Vertreterangaben handelte es sich dabei um bis zu 1.000 Euro pro Vertrag und mehr. Dadurch summierten sich die Verluste der Kunden, durch gezieltes Umschichten, auf rund 700 Millionen Euro. Wüstenrot wollte aus Wettbewerbsgründen über die genaue Höhe der verfallenen Bonusguthaben nicht äußern.
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In Zeiten von Niedrigzinsen sind eingesparte Millionen gern gesehen und so scheint es nicht verwunderlich, dass die Wüstenrot, nach dem Skandal um Sexreisen an die Copacabana (der Versicherungsbote berichtete: "Wüstes Treiben im Rotlichtmilieu - Wüstenrot auf Reisen"), mit gezielten Vertriebskampagnen teure Altverträge in günstige Neuanlagen zu bugsieren. Intern wurde die Aktion als existenziell bezeichnet. Mit der Optimierung des Bausparbestandes wolle man die Sicherung der Liquidität im Konzern sichern.
Die aktuelle Kampagne läuft unter dem Namen „Kampf um Gold“. Diese Vertriebskampagnen liefen jedes Jahr. Vermittler wurden mit Provisionen von 1.300 Euro und mehr pro Vertrag von den Aktionen überzeugt, hochverzinste Verträge aufzulösen und das Guthaben in andere Anlageformen zu überführen. So warben die internen Vertriebsunterlagen, die dem Handelsblatt vorliegen, mit einer strahlenden Vertreterin, die einen Fächer aus Geldscheinen hielt. Darunter prangte der Text: „Kunden beraten zahlt sich aus!“.
Einigen Vertretern ist die Art und Weise der Vertriebsaktion jedoch zu wider. Aus Gewissensgründen weigerten sie sich an der Aktion teilzunehmen. „Wenn ich mache, was Wüstenrot von mir verlangt, kann ich meinen Kunden nie wieder in die Augen sehen“, sagte ein langjähriger Wüstenrotvertreter. Er nannte die Aktion „Kundenverrat“.
Die Methode der Umstellung auf schlechter verzinste Produkte ist jedoch kein Einzelfall. So berichten Verbraucherschützer seit längerem von solchen Aktionen. Auch bei anderen Bausparkassen sei diese Praxis gängig. Eine Lösung könne, so Verbraucherschützer, nur eine Abschaffung des Provisionssystems schaffen.
Wüstenrot erklärte in einer Stellungnahme, Ziel der Aktion „Jahresschluss 2012: Kämpfe um Gold – alles für die Kundenbindung!" ist es, Kunden zu beraten, welche das Sparziel ihres Bausparvertrages nicht mehr erreichen können. Diese Kunden haben in Zeiten höherer Zinsen Verträge abgeschlossen, die es nicht mehr ermöglichen, ein zinsgünstiges Bauspardarlehen, ausgestattet mit einem festen Darlehenszins über die gesamte Darlehenslaufzeit, für den Erwerb oder den Umbau von Wohnungseigentum zu erlangen.
Die Bausparkasse wollte jedoch nicht ausschließen, dass es zu Umdeckungen gekommen sei, die nicht dem Kundeninteresse entsprachen. Räumte aber gleichzeitig ein diese ohne Einbußen für die Kunden korrigieren zu wollen. Auch die Provision soll in diesen Fällen zurückgebucht werden.
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Weiterhin erklärte die Wüstenrot in der Stellungnahme, dass der Artikel des Handelsblatt den Eindruck erwecke, der Wüstenrot ginge es ausschließlich darum, hochverzinsliche Bausparguthaben mit gezielten und durch Provisionen angereizten Vertriebsmaßnahmen zur Auszahlung zu bringen. Dies sei falsch.