Pflege-Bahr - Zwischen Zurückhaltung und Euphorie
Ende des Jahres hatte das Bundeskabinett die Weichen für die Förderung der Pflegezusatzversicherung gestellt. Bisher sind die Angebote rar - die Erwartungen bei einigen Vertrieben hingegen riesig, sieht man doch den Pflege-Bahr als Türöffner für den Verkauf privater Pflegeversicherungen beim Kunden. Auch viele Versicherungsmakler erhoffen sich zusätzliche Vertriebschancen. Soziale Verbände, der Bund der Versicherten (BDV) und Gewerkschaften kritisieren den Pflege-Bahr dabei scharf.
Die Skepsis scheint berechtigt - das Konzept einer staatlichen Förderung für die Privatvorsorge stand bereits bei der Riester-Rente stark in der Kritik. Die Riester-Rente erhielt unter anderem wegen ihrer schlechten Rendite negative Beurteilungen, Wirtschaftsexperten sehen für das deutsche Rentensystem in ihrer Einführung eine Fehlentscheidung. Zudem wird die Riester-Rente mit der Grundsicherung im Alter bzw. den Sozialleistungen des Staates verrechnet. Für jene, die lange ohne Beschäftigung waren oder insgesamt nur gering verdienen, bedeutet deshalb ein Riester-Vertrag Verluste. Sozial Schwächere werden dadurch benachteiligt. Auch Pflege-Bahr-Leistungen sollen nach diesem Modell künftig mit den Sozialhilfe-Leistungen verrechnet werden.
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Wem nützt der Pflege-Bahr?
Wer derzeit pflegebedürftig wird, der wird aufgrund geltender Gesetze mit Sicherheit versorgt. Dr. Albert Everts, stellvertretender Vorsitzender des Verbandes katholischer Altenhilfe in Deutschland e.V. (VKAD), gibt zu bedenken: "Die Vorstellung, dass man als Patient mit einer Pflege-Zusatzversicherung im Altenheim oder bei der ambulanten Pflege eine bessere Versorgung bekommt, ist ein Trugschluss". So gibt es feste Regeln zur Abrechnung zwischen Pflegeeinrichtung und den Kassen und Sozialträgern, die im Bedarfsfall zahlen. Damit bleibt fraglich, ob für den Verbraucher der Pflege-Bahr tatsächlich von Nutzen ist. Das einzige Risiko besteht darin, dass das Vermögen des Pflegebedürftigen aufgebraucht wird. Vor ein echtes Problem stellt dies letztlich oftmals die Erben - soweit welche vorhanden sind.
Pflege-Bahr hat hohe Kosten
Für bereits 10 Euro im Monat mit einer staatlichen Zulage von bis zu 5 Euro sind die Beitragskosten für den Pflege-Bahr gering. Dies könnte zu Lasten der Versicherungsleistungen gehen, denn für den Abschluss des Pflege-Bahr ist auch keine Gesundheitsprüfung erforderlich. Die Anbieter sind zur Aufnahme verpflichtet, auch dann wenn Vorerkrankungen vorliegen und daher das Pflegerisiko höher ist und sonst kein Vertrag zu Stande gekommen wäre. Damit ist es nicht verwunderlich, wenn die Gesellschaften für die geringen Beitragseinnahmen ein schmales Leistungspaket mit dem höheren Risiko begründen. Ob dadurch die Pflege-Bahr-Produkte nicht letztlich teurer sind als bereits vorhandene private Vorsorgeprodukte, bleibt dabei abzuwarten.
Der Staat verabschiedet sich
Es entsteht der Eindruck, dass sich der Staat durch Einführung der staatlich geförderten Privatvorsoge seiner sozialen Verantwortung entzieht: Wenn die Regierung künftig Sozialleistungen in der Pflege und Rente beschränkt, kann sie auf die diese Vorsorgemöglichkeit verweisen, mit der die Bevölkerung eine Absicherung sicherstellen könnte. Ob und inwieweit die Lobby privater Versicherungsunternehmen hier Einflussgeber war, bleibt offen. Doch fühlt man sich auch an AWD-Gründer Carsten Maschmeyer erinnert, der seinen Aktionären zur Einführung der Riester-Rente im Jahr 2005 erklärte, die Branche stehe "vor dem größten Boom, den sie je erlebt hat“, es sei "als wenn wir auf einer Ölquelle sitzen". Im Zuge dessen hatten Berater des AWD hatten ihre Kunden vermehrt auf vermeintliche Versorgungslücken hingewiesen und lukrativ Renten- und Lebensversicherungen verkauft.
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Pflege-Bahr wird sich verkaufen
Allen Unkenrufen zu trotz, wird sich der Pflege-Bahr dieses Jahr wahrscheinlich gut verkaufen lassen. Viele Versicherungsmakler erwarten höhere Absätze durch den Pflege-Bahr. Die Aussicht auf Steuerersparnis ist für viele Verbraucher verlockend und lässt sie dabei schnell den tatsächlichen Nutzen des Produktes übersehen. Der demographische Wandel bedeutet für den Staatshaushalt zusätzliche Belastungen - ob Pflegeplätze vorhanden und finanzielle Unterstützung garantiert bleibt, ist nicht für jeden Verbraucher deutlich. Dies schürt zusätzliche Ängste und ist damit ein guter Nährboden für das Versicherungsgeschäft. Inwieweit die finanziellen Mittel des Staates die Förderung der Pflege-Bahr-Verträge ausreichend bezuschussen können, wird sich ebenfalls erst zeigen. Bisher rechnet der Bund mit 90 Millionen Euro, mit denen 1,5 Millionen Pflege-Bahr-Verträge gefördert werden sollen. Für Torsten Rudnik vom Bund der Versicherten ist nicht nachvollziebahr, "warum man der privaten Versicherung ein solches Geschenk macht." Im Dezember erklärte Rudnik gegenüber der taz: "Es wäre sinnvoller gewesen, das Geld in die gesetzliche Pflegeversicherung zu stecken."