Am Freitag wurde im Bundestag über ein Gesetz zur Honorarberatung debattiert. Der Verbraucherschutz- und Justizminister von Rheinland-Pfalz Jochen Hartloff hatte den Entwurf des Honoraranlageberatungsgesetzes scharf kritisiert (Versicherungsbote berichtete:"Honoraranlageberatungsgesetz: Jochen Hartloff kritisiert den Entwurf"). In einem exklusiven Interview mit Versicherungsbote bezieht Karl Matthäus Schmidt nun Stellung zum Gesetzesentwurf.

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Wie sieht die Quirin Bank den Entwurf? Geht dieser in die richtige Richtung?

Das Honoraranlageberatungsgesetz des Bundesfinanzministeriums ist ein erster Schritt zu mehr Transparenz und Verbraucherschutz im deutschen Finanzberatungsmarkt. Begrüßenswert ist hierbei vor allem, dass die Honorarberatung erstmals begrifflich erfasst und definiert wird. Präzisierungsbedarf besteht allerdings noch in Detailfragen.

Wo liegen Kritikpunkte?

Leider regelt das Honoraranlageberatungsgesetz nur die Beratung zu Wertpapieren und Vermögensanlagen, nicht den Bereich der Versicherungen, das Bausparen sowie Finanzierungen. Im Sinne einer wirklich kundenorientierten Beratung muss eine produktunabhängige, ganzheitliche Finanzberatung angestrebt werden. Ansonsten besteht die Gefahr, dass sich ein Kunde im Bereich der Wertpapier- und Kapitalanlagen einem Honorarberater gegenübersieht und der gleiche Berater ihn im Versicherungsbereich provisionsabhängig berät. Des Weiteren ist es aus meiner Sicht wichtig, dass auch provisionsbasierte Finanzdienstleister einer klaren Bezeichnungspflicht unterliegen, damit für den Verbraucher erkennbar ist, ob es sich um einen provisionsabhängigen Verkäufer oder honorarbasierten Berater handelt. Und schließlich sollte die steuerliche Gleichstellung von Honoraren und Provisionen geregelt werden, um gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen. Heute wirken sich Provisionen steuermindernd auf die Abgeltungssteuer aus, Honorare dagegen nicht.

Sollte es Ihrer Meinung nach eine analoge Neuregelung für die Honorarberatung im Versicherungsbereich geben?

Klares Ja. Denn leider bleibt im Referentenentwurf des BMF der gesamte Versicherungsbereich - anders als ursprünglich angekündigt - von der Regulierung der Honorarberatung ausgenommen. Doch zu einer ganzheitlichen Anlegerberatung gehört auch das Segment der Versicherungen. Eine Ausweitung des Honoraranlageberatungsgesetzes auf die Versicherungsvermittlung und eine gesetzlich verankerte Berufsbezeichnung eines "Honorar-Versicherungsberaters" halte ich deshalb für absolut sinnvoll (Anmerkung der Redaktion: Laut Gesetzentwurfs darf Honorar-Anlageberatung künftig nur noch gegen Honorar des Kunden erbracht werden. Honorar-Anlageberater müssen zudem in einem Register der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht gelistet sein, dass öffentlich auf der Homepage der BaFin einsehbar ist.).

Ist eine generelle Abschaffung von Provisionen zu Gunsten von Honoraren sinnvoll?

Eine Finanzanlageberatung im Sinne des Anlegers, wie wir sie auch bei der quirin bank umsetzen, muss in erster Linie die individuelle, persönliche Lebenssituation und die spezifischen Anlegerwünsche in den Mittelpunkt stellen. Erst dann kann eine umfassende und nachhaltige Lösung für den Kunden gefunden werden. In der Praxis werden Anleger aber häufig rein produktgetrieben beraten. Kein Wunder - wird doch der klassische Bankberater oft durch Zuwendungen Dritter oder bankeigener Vertriebsvorgaben dazu angehalten, seinen Kunden bestimmte Finanzprodukte zu empfehlen. Leider entsprechen diese Finanzprodukte selten den Wünschen des Kunden und sind darüber hinaus im schlimmsten Fall auch noch teuer, ineffizient und risikoreich. Eine unabhängige, transparente und faire Finanzberatung findet nicht statt. Dieser Systemkonflikt wird auch vom Honoraranlageberatungsgesetz des BMF nicht behoben. Ein Systemwechsel im Sinne eines flächendeckenden Provisionsverbots, wie er in Großbritannien seit Anfang dieses Jahres praktiziert wird, ist aus meiner Sicht langfristig unabdingbar.

Sind Netto-Tarife die Zukunftslösung?

Die Verpflichtung der Produktgeber Nettotarife auszuweisen, halte ich für absolut zielführend. Denn nur dann ist der Kunde in der Lage, die auf ihn entfallenden Kosten einer Honorarberatung mit den Kosten eines provisionsorientierten Angebots zu vergleichen. Dies gilt auch für die Möglichkeit, Produkte objektiv miteinander zu vergleichen. Bei Einführung echter Nettotarife, würde vielen Verbrauchern klar werden, dass der herkömmliche Provisionsvertrieb alles andere als umsonst ist, sondern in Wirklichkeit enorme Kosten verursacht. Die Verschleierung der tatsächlichen Kosten, wie sie heute oft praktiziert wird, hätte ein Ende.

Wohin entwickelt sich der Finanzdienstleistungsmarkt, speziell für die Berater, in Zukunft?

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Initiativen auf europäischer Ebene im Rahmen der MiFID II sowie die strenge Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes in Sachen "Kick-back" bergen ein enormes Haftungspotenzial für Banken und Finanzdienstleister in sich. Dies wird den Druck auf das Provisionsmodell in Deutschland weiter erhöhen. Die Honorarberatung wird daher auch in Deutschland weiter Fuß fassen. Durch die zunehmende Aufklärung der Verbraucher rechnen wir mit steigenden Marktanteilen für die Honorarberatung, die sich mittelfristig auf 15 bis 20 Prozent erhöhen sollten. Mit einer Neuregelung der Beweislastumkehr zugunsten des Anlegers, der Ausdehnung des Honoraranlageberatungsgesetzes auf den Versicherungsbereich und der steuerlichen Absetzbarkeit von Honoraren könnte die Bundesregierung deutliche Akzente für eine verbraucherfreundliche Finanzberatung in Deutschland setzen. Ein deutscher Systemwechsel im Sinne eines Provisionsverbots, wie es in Großbritannien und in den Niederlanden ab 2013 eingeführt wird, halte ich in Deutschland, aufgrund unserer starken deutschen Finanzlobby, allerdings erst in fünf bis zehn Jahren für realistisch.