Immer mehr Deutsche arbeiten in der Nacht und am Wochenende
Das Wochenende gehört nicht mehr der Familie – sondern immer öfter dem Arbeitgeber. Jeder vierte Deutsche arbeitet inzwischen auch Samstag und Sonntags, wie aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linken hervorgeht. Ein starker Boom ist auch bei der Schichtarbeit und der Nachtarbeit zu beobachten.
Ob als Bäcker oder LKW-Fahrer, Krankenschwester oder Führungskraft in einem Finanzunternehmen: Eine steigende Zahl an Menschen muss dann arbeiten, wenn andere bereits Feierabend haben. Das gehe aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, berichtet heute die Süddeutsche Zeitung. Demnach arbeiteten im Jahr 2011 etwa 8,9 Millionen Beschäftigte „ständig oder regelmäßig am Wochenende“. Das ist ein Drittel mehr als 2001, als noch 6,7 Millionen Menschen am Sonnabend oder Sonntag arbeiten gingen.
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Schichtdienste und Nachtarbeit nehmen ebenfalls zu
Doch nicht nur die Wochenendarbeit ist in den letzten Jahren stark angestiegen. Auch unter der Woche müssen immer mehr Beschäftigte dann arbeiten, wenn andere ausspannen, schlafen oder Freizeit haben. Laut Auskunft der Bundesregierung erhöhte sich die Zahl der Beschäftigten, die im Schichtdienst arbeiten, zwischen 2001 und 2011 von 4,8 auf 6 Millionen. Am weitesten verbreitet sei der Schichtdienst in den sozialen Berufen, in der Gesundheitsbranche, bei Maschinen- und Anlageführern und Verkaufspersonal.
Zudem ist ein neuerlicher Anstieg der Nachtarbeit zu beobachten, so dass im Jahr 2011 wieder die Rekordzahlen von 2008 erreicht wurden. Insgesamt 3,3 Millionen Beschäftigte mussten in den Nachtstunden zwischen 23 Uhr und 6 Uhr regelmäßig arbeiten. Im Jahr 2004 waren es noch 2,5 Millionen.
Arbeitsmarktexperten warnen vor gesundheitlichen Risiken
Warum aber ist ein derartiger Boom untypischer Arbeitszeiten zu beobachten? Karl Brenke, Arbeitsmarktexperte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW), macht vielfältige Gründe dafür verantwortlich. Von leitenden Angestellten werde oft verlangt, „lange im Büro und auch am Wochenende einsatzbereit zu sein“, erklärt Brenke der Süddeutschen. Geschäfte dürften zudem länger öffnen, was oftmals zu Lasten des Verkaufspersonals gehe. Kraftfahrer müssten infolge des harten Wettbewerbs sogar häufig länger fahren, als es der Gesetzgeber erlaubt.
Gesundheitsexperten betrachten die aktuelle Entwicklung mit Sorge. „Der Psychostress ist eine tickende Zeitbombe in der Arbeitswelt und muss endlich eingedämmt werden“, sagt Jutta Krellmann, Sprecherin für Arbeit und Mitbestimmung bei der Linkspartei. Die Bundestagsabgeordnete fordert eine Anti-Stress-Verordnung von der Bundesregierung, die etwa Einsatzzeiten am Fließband strenger regelt. Ähnlich hatte sich zuvor bereits die IG Metall positioniert. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hat es jedoch nicht eilig, eine entsprechende Verordnung in die Wege zu leiten. Zuvor will die Ministerin das Thema „ständige Erreichbarkeit im Beruf“ wissenschaftlich evaluieren lassen.
Hohe Dunkelziffer bei Arbeitszeitverstößen?
Eine weitere Tendenz stimmt nachdenklich: Auch die überlangen Arbeitszeiten haben in den letzten zehn Jahren deutlich zugenommen. Etwa 1,92 Millionen Arbeitnehmer schufteten 2011 mehr als 48 Stunden pro Woche, 2001 waren es noch 1,56 Millionen Beschäftigte. Das bedeutet ein Plus von 23 Prozentpunkten. Überlange Arbeitszeiten seien aber nach Ansicht der Bundesregierung „nach wie vor eine Ausnahme“.
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Wie die Süddeutsche berichtet, sind auch die Verstöße gegen das Arbeitszeitgesetz seit 2007 um fast 30 Prozent auf nun 12.424 Fälle gestiegen. Bemerkenswert ist dies deshalb, weil der Staat Kontrollpersonal abgebaut hat und folglich weniger Kontrollen stattfinden, so dass eine hohe Dunkelziffer befürchtet werden muss.