PKV - Niedrige Zinsen am Kapitalmarkt belasten die private Krankenversicherung
Die private Krankenversicherung leidet unter den niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt. Die von den privaten Krankenversicherungen (PKV) erreichte Nettoverzinsung ihrer Anlagen hat sich seit 2007 erheblich verschlechtert. Dies geht aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke hervor (17/11501). Privatpatienten merken den Negativtrend an steigenden Beiträgen.
Wer vor wenigen Tagen einem Vortrag lauschte, den Reinhold Schulte, Vorstandsvorsitzender des PKV-Verbandes, vor Branchenvertretern in Leipzig hielt, der musste den Eindruck gewinnen, die private Krankenversicherung besitze ein Patentrezept für so ziemlich alle Probleme des Gesundheitssystems.
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Das Umlagesystem der gesetzlichen Krankenversicherung habe angesichts der Alterung unserer Gesellschaft keine Chance, verkündete Schulte auf dem 13. Vorlesungstag des Instituts für Versicherungs-Wissenschaften (IfVW) der Universität Leipzig. Denn Deutschland habe bereits jetzt die zweitälteste Bevölkerung der Welt. Das heißt: Immer weniger Beitragszahler müssen zukünftig immer mehr Leistungsempfänger finanzieren, wenn schon bald mehr Rentner gesundheitlich versorgt werden müssen. Allein ein Ausbau der Privatvorsorge könne den Kollaps der Sozialsysteme verhindern. „Nur die private Versicherung sichert Rente und Krankenversorgung“, sagte Schulte selbstbewusst.
Warum aber soll die demografische Entwicklung nicht auch ein Problem der Privatversicherer sein, wenn sie doch ebenfalls mit rapide steigenden Gesundheitskosten und der Alterung ihrer Mitglieder zu kämpfen haben? Diese Frage ließ Schulte unbeantwortet. Es ist ein offenes Geheimnis, dass die privaten Krankenversicherungen nicht immer transparent mit ihren Problemen umgehen. Aktuell spürt die Branche einen starken Gegenwind, eine breite Koalition aus SPD, Grünen und Linkspartei will die PKV als Vollversicherung abschaffen. Sogar in der CDU wird darüber diskutiert, ob die Privatvorsorge in der jetzigen Form fortbestehen kann. Da ist es besser, die eigene Situation zu beschönigen und sich selbst für unersetzbar zu erklären.
Nettoverzinsung der privaten Krankenversicherungen hat sich erheblich verschlechtert
Aber trotz aller Schönfärberei - auch in der PKV tun sich derzeit große Baustellen auf. Wie abhängig die Private Krankenversicherung von dem Faktor Kapitalmarkt ist, zeigt nun die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Linken. Demnach hat sich die Nettoverzinsung der Unternehmen seit 2007 erheblich verschlechtert.
Im Jahr 2011 erzielten nur noch acht von 48 Gesellschaften eine Nettoverzinsung von über vier Prozent. 2007 waren es noch 38 von 51 Unternehmen gewesen. Dagegen stieg die Zahl der Unternehmen, die weniger als 3,5 Prozent Zinsen erhielten, von drei auf 13 an. Im Branchendurchschnitt sank die Nettoverzinsung der Kapitalanlagen nach Angaben der Regierung in diesem Zeitraum von 4,8 auf 4,1 Prozent.
All das sind noch keine alarmierenden Zahlen. Denn wie von der Regierung erläutert, unterscheiden sich die Auswirkungen des Rechnungszinses in der Krankenversicherung wesentlich von der Lebensversicherung, die ebenfalls unter dem Niedrigzins leidet. Eine lebenslange Garantie für Zinsen müssen die privaten Krankenversicherer gegenüber ihren Kunden nicht erfüllen, dies sorgt für mehr Flexibilität. In der Krankenversicherung könne der Rechnungszins auch für bestehende Verträge an den aktuellen Wert angepasst werden, betont die Bundesregierung. Dagegen gelte in der Lebensversicherung ein fester Garantiezins für die gesamte Laufzeit des Vertrages.
Niedrigzinsumfeld ist ein Grund für steigende Beiträge in der PKV
Und doch merken die Versicherungsnehmer die Auswirkungen des aktuellen Negativtrends. Ein niedrigere Verzinsung bedeutet in der Krankenversicherung, dass in der Kalkulation höhere Sparbeiträge für die Bildung von Altersrückstellungen eingerechnet werden müssen. Mit anderen Worten: Gerade Neukunden sehen sich mit höheren Beiträgen konfrontiert, wenn der Kapitalmarkt nur geringe Zinsen abwirft. Und die Prämien der Bestandskunden können während der Vertragslaufzeit schnell steigen.
Welche Gesellschaft aber besonders niedrige Zinsen erwirtschaftet, darf laut §84 des Versicherungsaufsichtsgesetzes nicht mitgeteilt werden, klagte kürzlich das Handelsblatt. Die Informationen gebe es zwar, aber sie müssten geheim gehalten werden.
Die Begründung für diese Geheimniskrämerei: Die Konkurrenzunternehmen würden Einblick in wettbewerbsrelevante Daten erhalten. Dabei wäre es auch für die Versicherungskunden wichtig zu erfahren, welches Unternehmen nur wenig Zinsen verdient. Denn umso mehr müssen die Privatpatienten Beitragssteigerungen fürchten. Die nachteiligen Auswirkungen sind schon jetzt deutlich spürbar. Experten vermuten, dass das Niedrigzinsumfeld ein Grund dafür ist, warum manche Krankenversicherer ihre Prämien zum Jahreswechsel deutlich angehoben haben - neben der Umstellung der Tarife auf die Unisex-Kalkulation.
Mehr Transparenz gefordert
Hinsichtlich der Zinserträge fordert die Opposition eine Ausweitung der Veröffentlichungspflicht, die aber von der Regierung bisher verweigert wird. Harald Weinberg, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, sagte dem Handelsblatt: „Die Zinsen sinken, die Beiträge steigen. Das gilt für alle Versicherungen. Aber es gibt Unterschiede zwischen den Unternehmen. Die Versicherten sollen dies aber nicht erfahren. Von Transparenz als Grundbedingung für einen fairen Wettbewerb, der angeblich im PKV-Markt herrscht, ist da nichts zu sehen.“
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Demographische Entwicklung, steigende Gesundheitskosten, anhaltend niedrige Zinsen: Die Branche wäre gut beraten, nach Lösungsansätzen für die aktuellen Herausforderungen zu suchen, statt die Situation in der privaten Krankenversicherung öffentlich schönzureden. Sonst braucht man kein Gesetz zu Abschaffung der PKV als Vollversicherung - Dann erledigt das der Markt schon selbst.