Jörg Brandt: Die großen Krankenkassen in Deutschland stellen sich sehr positiv zur Prävention. Übrigens auch unsere Rentenversicherungsträger. Wir haben in Mitteldeutschland ein sehr gutes Beispiel mit Programmen, mit denen auch die Rentenversicherung versucht, präventiv tätig zu sein. Das darf sie natürlich aus ihren gesetzlichen Rahmenbedingungen heraus heute nur in einem begrenzten Umfang. Aber sie tut es dennoch und ist da – gerade die Rentenversicherung Mitteldeutschland – mit Modellprojekten modern und zukunftsorientiert. Auch die Krankenversicherungen haben erkannt, dass sie mit Prävention am Ende viel Geld sparen können, wenn sie das Geld vorher in kleinen Mengen ausgeben statt zu warten, bis ihre Versicherten so krank sind, dass die Heilungskosten exorbitant steigen. Wir haben sehr positive Erfahrungen gemacht mit allen großen Versicherungen wie der AOK, der Barmer GEK oder auch der DAK.

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Versicherungsbote: Gibt es Kooperationen mit den Arbeitsagenturen? Man könnte ja argumentieren: Das, was für Betriebe gut ist, müsste auch für Arbeitslose und Langzeitarbeitslose gut sein. Dass man etwa Gesundheitskurse anbietet, die Menschen in ihrem Selbstbewusstsein stärkt, die Arbeitslosen unterstützt, etwas für die körperliche und geistige Fitness zu tun.

Jörg Brandt: Wir sind gerade dabei, das auszuloten. Ich halte das aber für ein wichtiges und noch unbeackertes Feld. Ich glaube, es wird für unsere Arbeitslosen und Langzeitarbeitslosen wenig in Richtung Motivation, Arbeitstraining und psychologische Unterstützung getan. Heute zielen die Maßnahmen der Arbeitsämter vor allem auf Qualifikation, und zwar häufig leider unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer mit diesen angebotenen Qualifikationsmaßnahmen überhaupt eine Chance hat. Hier gilt, dass es nicht unser Ziel sein kann, den Arbeitslosen einfach zu beschäftigen. Sondern, dass man wirklich sehr problem- und individuell orientiert analysieren muss: Was kann er leisten? Warum ist er nicht in den Arbeitsmarkt integriert? Mit welchen psychischen und sozialen Bedingungen kommt ein Arbeitsloser, wie ist seine Motivationslage? Das kann man heute wissenschaftlich untersuchen und sollte auf Grundlage dieses Profils aussuchen, wohin die Arbeitnehmerqualifizierung gehen soll. Man muss versuchen, jeden Menschen bei seinen Möglichkeiten zu packen und diese gezielt entwickeln. Das ist eine wichtige Aufgabe unserer Gesellschaft für die Zukunft.

Versicherungsbote: Ein Thema, das gerade aktuell diskutiert wird: Die sogenannte Bürgerversicherung. Die SPD will die private Krankenversicherung im Falle eines Wahlsieges abschaffen und alle Versicherungsnehmer verpflichten, in die gesetzliche Krankenversicherung einzutreten. Haben Sie Angst davor?

Jörg Brandt: Ich persönlich habe keine Angst davor, und wir als Gesundheitseinrichtung natürlich auch nicht. Ich halte es nur für den falschen Weg. Das ist meine persönliche Meinung, weil ich glaube, dass es die Probleme unseres Gesundheitssystems in keiner Weise vereinfachen wird. Zunächst einmal muss man sagen, dass der Standard der Gesundheitsversorgung in Deutschland extrem hoch ist. Ich habe das Gesundheitssystem in Entwicklungsländern wie Äthiopien, Vietnam oder Sudan kennengelernt und dort auch unterrichtet. In solchen Ländern kann man über die Probleme, die wir hier diskutieren, nur den Kopf schütteln. Und wenn man dort einmal ein Krankenhaus gesehen hat oder medizinisches Personal unterrichtet, weiß man, auf welch unvorstellbar hohem Niveau wir uns bewegen.

Es besteht von der Gesellschaft ein extrem hoher Anspruch an die Leistungsfähigkeit der Medizin. Aus moralischer Sicht ist es durchaus richtig, wenn man sagt: Der Mensch soll alles haben für seine Gesundheit. Auf der anderen Seite muss das Gesundheitssystem finanzierbar bleiben. Meiner Ansicht nach werden im Gesundheitswesen zu viele Dinge mitfinanziert, die nicht in eine Krankenversorgung gehören. Ist die Krankenversicherung verpflichtet alles zu leisten, bis hin zur Taxifahrt zum Arzt? Oder kann das nicht auch von Angehörigen und vom Versicherten selbst getragen werden? Da sind uns andere Länder wie die Schweiz voraus, die eine Dreiteilung der Gesundheitsversorgung realisiert hat. Da gibt es eine Art Bürgerversicherung für jeden, aber damit werden wirklich nur medizinische Grundbedürfnisse – etwa die Notfallversorgung – abgesichert. Es gibt eine betriebliche Gesundheitsversicherung, in die der Arbeitgeber mit einzahlt. Und alle Leistungen, die nicht für die lebensnotwendigen Funktionen notwendig sind, muss eben der Bürger selbst versichern. Das ist ein Modell, das ich auch in Zukunft für finanzierbar und ökonomisch sinnvoll halte.

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Vielen Dank für das Gespräch!

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