Mehr Tempo, aber auch ein Stück mehr Sicherheit
Über siebzig Aussteller und insgesamt 1.486 Besucher fanden sich am Mittwoch zur 9. Versicherungs- und Fondsmesse LVFM in Leipzig ein. Unter der Glaskuppel von Leipzigs Messehalle sorgten nicht nur die sommerlichen Temperaturen dafür, dass so mancher Gast ins Schwitzen kam. Erstmals wurde das Vortragskonzept Pecha Kucha erprobt – es beschränkte die Redezeit auf 6 Minuten und 40 Sekunden.
Das Konzept ist einfach. 6 Minuten und 40 Sekunden Redezeit für 20 Powerpoint-Folien, die im Schnitt nicht länger als 20 Sekunden gezeigt werden dürfen. Stakkato-Ausführungen statt langweiliger Abschweifungen. Das ist Pecha Kucha, eine Vortragstechnik, die vor zehn Jahren erstmals auf einer Designmesse in Tokio vorgestellt wurde. Zwar bedeutet die Übersetzung aus dem Japanischen „Wirres Geplauder“, doch genau dies soll mit Pecha Kucha vermieden werden. Stattdessen gilt es, auch schwierige Fachthemen knapp und unterhaltsam zu präsentieren. Weltweit werden Pecha-Kucha-Wettbewerbe durchgeführt, die besten Vortragskünstler als „Popstars der Powerpoint-Präsentation“ verehrt. Nur kein Gelaber, sondern schnell und zielstrebig auf den Punkt kommen!
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Wo könnte eine solche Vortragstechnik eine größere Herausforderung darstellen als in der Versicherungsbranche, die mit ihren komplizierten Regelwerken und trockenen Themen selbst Fachleute gelegentlich langweilt? Spätestens seit gestern ist Pecha Kucha auch in der Assekuranz etabliert. Das Redekonzept bildete den Rahmen für 27 Vorträge, die auf der 9. Versicherungs- und Fondsmesse LVFM in Leipzig gehalten wurden. Und so war die knapp bemessene Zeit ein Grund dafür, warum so manchem Referent und Messegast der Schweiß vom Hemd tropfte – nicht wenige Redner mussten ihre Zeit um einige Minuten überziehen.
Neue Wege zum Kunden gefragt
Uwe Bartsch, Geschäftsführer der gastgebenden Invers GmbH, war der erste, der auf dem Podium schwitzen durfte. „Wir müssen als Makler neue Wege zum Kunden suchen“, betonte er in seiner Eröffnungsrede, „und damit meine ich nicht Facebook oder Social Media aller Couleur, sondern persönliche Hilfe und Unterstützung für ihre Kunden“.
Was Bartsch darunter verstand, versuchte er an einem Beispiel zu verdeutlichen. Der Kunde habe einen Schadensfall, zum Beispiel in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Er kommt zu seinem Versicherungsmakler und bittet um Unterstützung bei der Beantragung und Durchsetzung seiner Ansprüche gegenüber dem BU-Versicherer. „Wer diese Situation kennt, der weiß, dass bei dieser Beantragung viele gravierende Fehler gemacht werden können, die zur Leistungsminderung und schlimmstenfalls zur Leistungsverweigerung führen können“, sagte Bartsch. Laut dem Analysehaus Morgen und Morgen würden ein Drittel aller Leistungsfälle bereits bei der Beantragung scheitern – weil schlicht Fehler beim Ausfüllen der Anträge gemacht werden! Lange und teure Rechtsstreitigkeiten, in denen sich auch der Makler vor dem Richter verantworten muss, sind oftmals die Folge.
Doch wie sieht die Lösung für dieses Problem aus? Uwe Bartsch favorisiert eine engere Kooperation zwischen Kunde, Maklern und anderen Dienstleistern im Leistungsfall. So bietet die Invers GmbH seit Neuestem eine sogenannte „Safe Card“ an, die es dem Makler gestattet, seinen Kunden im Schadensfall von einem Versicherungsfachanwalt betreuen zu lassen. Im Idealfall profitieren alle davon: Der Fachanwalt hilft dem Kunden bei der Beantragung und minimiert so auch das Haftungsrisiko für den Makler.
Es ist ein Modell, dass in die Zukunft der Versicherungsvermittlung weisen könnte: Makler und Pools verschaffen sich einen Wettbewerbsvorteil durch besseren Service in der Schadenregulierung und eine stärkere Zusammenarbeit mit externen Partnern. „Geben Sie also sich und ihrem Kunden wieder ein Stück mehr Sicherheit“, rief Bartsch dem Publikum zu.
Schwerpunktthemen Alter, Pflege, Demenz
Dass die Beschränkung der Redezeit eine weise Entscheidung war, zeigte sich in der Folge der knapp 30 Vorträge. Denn diesmal kamen die Redebeiträge deutlich produktbezogener daher als in den früheren Jahren. Das heißt: Es gab mehr Werbung. Wenn die Redner also schon werben dürfen, dann bitte kurz und auf den Punkt gebracht – Wer die Vorteile seines Produktes nicht in knapp sieben Minuten darstellen kann, dem gelingt es wohl auch sonst nicht.
In der Tendenz spiegelten die Vorträge die aktuelle demografische Debatte wieder. Die Themen Alterung der Gesellschaft, Pflegevorsorge und Demenz waren allgegenwärtig. Auch wollten die Redner keinen Zweifel daran lassen, dass die staatliche Förderung der privaten Pflegevorsorge unter dem Stichwort „Pflege-Bahr“ eine gute Entscheidung gewesen ist.
„Warum ist der Pflege-Bahr auf elementare Weise wichtig?“, fragte etwa Sven Grosse von der Signal Versicherung. Einerseits sei die Absicherung gegen Pflegerisiken in der Gesellschaft noch immer gering, so dass hier ein Handlungsbedarf von Seiten des Gesetzgebers bestanden habe. Im Jahr 2011 verfügten demnach nur 2,4 Prozent aller Bundesbürger über eine private Pflegezusatzversicherung, obwohl die eigene Pflegebedürftigkeit ein hohes Armutsrisiko berge. „Der durchschnittliche Heimplatz in Deutschland kostet 2.900 Euro im Monat, die Pflegestufe III zahlt maximal 1.550, die Rente plus Ersparnis beträgt im Schnitt 800 Euro. Das heißt, wir haben eine Differenz pro Monat von 550 Euro“, sagte Grosse. Es sei verwunderlich, dass viele Bundesbürger lieber ihr Auto mit einer Vollkaskoversicherung absichern als für die eigene Gesundheit finanziell vorzubeugen.
“Sie können sich auf einen Pflegefall in der Familie nicht mit Sparen vorbereiten!“, betonte auch Dr. Volker Burkardt von der Mannheimer Versicherung. Eine Studie habe gezeigt, dass die Pflege ganze Sparvermögen deutscher Haushalte verschlinge. Familienbesitz, der über Jahrzehnte angespart und von Generation zu Generation weitergegeben werde, könne mit einem Mal weg sein, wenn eine Person plötzlich auf Pflegeleistungen angewiesen ist – schnell kommen über die Lebensspanne gerechnet Pflegekosten von 300.000 Euro und mehr auf die Familie zu. Das Fazit Burkardts: „Eine Lebensleistung und Sparleistung wird in kürzester Zeit verbraucht, wenn ich mit dem Problem der Pflege konfrontiert werde!“ Deshalb sei eine private Pflegezusatzversicherung wichtig und unersetzbar – das Sparschwein dazu keine Alternative.
Man könnte entgegen halten, dass es auch andere Möglichkeiten der Pflegevorsorge gibt – etwa die von der SPD bevorzugte Bürgerversicherung. Diese Alternativen kamen in den Vorträgen nicht zur Sprache. Doch zumindest konnten die Redner glaubhaft versichern, dass sie um den gesellschaftlichen Auftrag wissen, der mit dem Thema Pflege verbunden ist. Oder mit den Worten Dirk Büttners von der VPV: „Das wichtigste Gut ist bei uns nach wie vor die Selbstbestimmung und die Würde des Menschen“. Wie ernst die Versicherungen dieses Versprechen tatsächlich nehmen, wird sich in der Zukunft erst zeigen müssen.
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Abschließend sei noch Marion Jahn von der Canada Life zitiert. „Ich fordere Sie einfach auf, Mut zur Veränderung zu haben und neue Produkte anzupacken! Neue Ideen sind wie neue Schuhe: Die drücken am Anfang. Aber wenn wir sie nicht einlaufen, dann werden sie ewig drücken!“ Im nächsten Jahr wird die LVFM zehn Jahre alt. Man darf gespannt sein, was sich die Veranstalter für dieses Jubiläum einfallen lassen.